Berlin. Das abgebrochene Finale von „Germany’s Next Topmodel“ zeigt die Anfälligkeiten. Live-Shows sind auf dem Rückzug.
Sie sind das Aufregendste am Fernsehen und gleichzeitig ein Wagnis: Liveshows. Die Bombendrohung beim Finale von Heidi Klums ProSieben-Sendung „Germany's Next Topmodel“ in Mannheim hat dies erneut bestätigt. „Liveshows sind ein Teil unserer Kultur, die Leute haben da große Freude dran, und die müssen wir uns erhalten“, sagt Thomas Hayo, der neben Klum und Wolfgang Joop einer der „Topmodel“-Juroren ist.
Andererseits sind in einer Fernsehwelt, die ihren Shows oder Realityformaten immer häufiger Dialoge auf Punkt und Komma vorgibt, Live-Shows auf dem Rückzug. Inzwischen ist es sogar soweit, dass Live-Szenen nicht selten die Sehgewohnheiten vieler Zuschauer sprengen. Da passiert vielleicht auch einmal 20 Sekunden lang nichts. Kein Zoom, kein Tusch, kein dynamischer Schnitt. Auch deshalb bröckeln die Quoten von Castingshows.
„GNTM“-Finale nach Bombendrohung abgebrochen
RTL-Unterhaltungschef Tom Sänger räumte mit Blick auf „Deutschland sucht den Superstar“ (DSDS) im vergangenen Jahr ein: „Den frischen Wind der Castings und des Recalls konnten wir nicht zu 100 Prozent in die kurze Phase der Liveshows übernehmen.“ Liveshows würden sich immer stark von aufgezeichneten Sendungen unterscheiden: Dramaturgie, Bilder, Dichte der Geschichten, Soap-Faktor seien geschnitten viel leichter herzustellen als live. Sängers Bilanz: „Live hat zwar einen größeren positiven Druck, aber die Zuschauer wollen völlig zu recht einfach gutes Fernsehen – und das ist in manchen Formaten live einfach schwieriger zu machen.“
Auch andere Branchenkenner machen keinen Hehl daraus, dass die Live-Show eine undankbare Aufgabe sei. Andererseits: Wer Geld mit der telefonischen Abstimmung des TV-Publikums verdienen will, muss seine Show in Echtzeit senden. Außerdem werten aufwendige Liveshows das Image eines Senders auf. Für das Finale von „Germany’s Next Topmodel“ dürfte die Aufmerksamkeit nach der Bombendrohung gestiegen sein. Die Hamburger Medienwissenschaftlerin Joan Kristin Bleicher erwartet mehr Zuschauer als bei der abgebrochenen Sendung, die die niedrigste Zuschauerzahl eines Finales seit dem Bestehen der Sendung hatte.