Hamburg. Mona Kraushaars Inszenierung „Magical Mystery“ nach dem Roman von Sven Regener wird mit stürmischem Beifall bedacht.

„Geht nur da hin, wo ihr es im Griff habt“, schärft Werner seinen WG-Mitgliedern ein. Werner (Oliver Warsitz) leitet die drogentherapeutische Gruppe Clean Cut mit viel Psycho-Druck. Karl Schmidt (Alexander Maria Schmidt) wird es nach fünf Jahren in Altona zu viel. Er steigt aus und nimmt einen Job bei früheren Berliner Freunden als Fahrer an.

Wir schreiben 1995, diese Kumpels machen viel Geld mit einem Techno-Label und brauchen für eine Tournee einen Fahrer, der immer nüchtern ist. Karl ist für „Magical Mystery“ genau der Richtige. Eine Busreise durch Deutschlands Techno-Clubs, beginnend zwischen München und Schrankenhusen-Borstel. Karls Aufgabe ist es, die dauerbedröhnten DJs und Plattenmanager bei diesem bizarren Trip zu betreuen. Koks, Alkohol, Marihuana sind immer in Griffweite. Doch Karl stellt Prinzipien auf: „Im Bus wird nicht gekifft!“ und „Ich gehe nicht in die Clubs!“

Sven Regener („Herr Lehmann“) liefert mit seinem Roman „Magical Mystery“ die Vorlage für das Stück am Altonaer Theater. Regisseurin Mona Kraushaar und Dramaturgin Anja Del Caro haben aus Regeners 500-Seiten-Werk eine Fassung destilliert, in der alle wichtigen Stationen des Romans auftauchen und Karl Schmidts Weg zurück in die Freiheit mit seinen Versuchungen und Anfechtungen erzählt wird. Dafür muss Alexander Maria Schmidt eine Herkulesaufgabe meistern. Er ist der Erzähler, aus seiner Sicht wird „Magical Mystery“ beschrieben, er ist aber auch die Hauptfigur in nahezu allen Szenen. Der Regie und dem Hauptdarsteller ist es zu verdanken, dass diese Reise durch die Techno-Abgründe wie ein gut geschmierter Viertakter läuft. Niemals hängt die pointenreiche Handlung in den zweieinhalb Stunden.

Mit raschen Umbauten zu einem fast immer im Hintergru nd wummernden Beat (Musik: Alexander Golz) bewerkstelligen die neun Schauspieler die Szenenwechsel und schaffen Tempo. Nur wenn Karl seine Situation reflektiert, kommt das irre Treiben zur Ruhe.

Katrin Kersten hat für die Bühne drei fahrbare dunkle Kästen gebaut, die Backstage-Atmosphäre schaffen. Sie dienen als Tourbus und DJ-Kanzel, als Hotelzimmer und Club. Die Schauspieler verkörpern in enger Anlehnung an Regeners Figuren Typen einer egomanen Szene. Jacques Ullrich spielt den Ferdi als angeberhaften Labelchef, der den Philosophen Elias Canetti zitiert und von einem Techno-Hippie-Revival träumt. Ole Schloßhauer als sein Kompagnon Raimund ist immer auf der Suche nach der nächsten Droge. So richtig „hyper, hyper“ zappelt Katja Uffelmann als quirlige DJane Sigi über die Bühne, während Franziska Reincke als Rosa eher ruhige Kontrapunkte setzt. Flavio Kiener und Luis Lüps als die Hosti Bros und Manuel Klein als DJ Schöpfi komplettieren den Reigen der „Bumm Bumm“-Partyriege. Jeder der Schauspieler kreiert eine stimmige Figur, auch Oliver Warsitz als misstrauischer und ewig warnender Therapeut Werner ist eine gute Besetzung.

Nachdem Mona Kraushaar vor sechs Jahren bereits Regeners „Herr Lehmann“ zu einem Erfolg am Altonaer Theater gemacht hat, legt sie mit „Magical Mystery“ nach. Der Abend ist perfekt fließend und kurzweilig mit wortwitzigen Dialogen. Was oft wie eine Übertreibung wirkt, ist doch dichter an der Realität des Musikbusiness, als mancher Zuschauer glauben mag.

Höchstes Lob gebührt in dieser mit stürmischem Beifall gefeierten Inszenierung Alexander Maria Schmidt, der die schwierige Rolle des Karl Schmidt transparent macht. Er ist labil, zärtlich, fürsorglich, ängstlich, zupackend, pragmatisch. Für ihn birgt „Magical Mystery“ Neuanfang und Zukunft.

„Magical Mystery“ spielt vom 6.5. bis zum 14.6.