Hamburg. Schauspielhaus-Intendantin Karin Beier stellte den Spielplan für die kommende Saison vor.
Die Bühnenversion von Michel Houellebecqs Roman „Die Unterwerfung“, der am Tag der Anschläge auf „Charlie Hebdo“ erschien und mit seiner Vision eines islamistischen Staats auf französischem Boden Aufsehen erregte, ist ein Höhepunkt des Schauspielhaus-Programms 2015/16, das Intendantin Karin Beier gestern vorstellte.
„Welchen Auftrag haben wir als Kulturschaffende?“, fragte Beier auf der Programm-Pressekonferenz. Und beantwortete es gleich selbst: „Wir sind der Aufklärung verpflichtet, Vernunft, Freiheit, Demokratie.“ In unserer Gesellschaft sei dies oft aber „eine Zurschaustellung der humanistischen Gesinnung, in der es leider auch Denkverbote gibt. Wir haben alle eine Schere im Kopf, nach der wir nur noch politisch Korrektes von uns geben. Die eigene Religion beispielsweise kann man kritisieren, Papstbashing ist erlaubt, Islamkritik aber nicht. Ich finde, Samthandschuhe sind im Kunstbetrieb nicht richtig.“
Die Intendantin und ihr Team wollen deshalb in der kommenden Spielzeit, „die allgemeinen Konsensgesten und den politisch korrekten Weg“ verlassen. „Wir wollen kontrovers diskutieren, mit Stücken, Texten, Lectures und Autoren.“ Start ist im Januar. Der neue Raum entsteht im großen Haus und heißt „FAQ-Room“ (Frequently Asked Questions, zu deutsch: immer wieder gestellte Fragen). Ferdinand von Schirach wird einen neuen Text liefern, „Terror“; ebenso US-Autor Ayad Akhtar („Geächtet“, ein Konversationsstück über Ressentiments im Bürgertum), und Klaus Theweleit setzt sich mit dem norwegischen Massenmörder Anders Breivik auseinander .
Karin Beier bewertet die laufende Saison als „schöne Spielzeit, in der ein Quäntchen Glück dazu kam“. Denn die Auslastungszahlen sind sehr gut (75 Prozent im großen Haus, bis 100 Prozent im Malersaal), das Schauspielhaus war zu Gastspielen und zum Theatertreffen eingeladen, die Tarifsteigerungen für den Öffentlichen Dienst wurden von der Stadt übernommen.
In der Saison 2015/2016 werden Karin Beier selbst, Herbert Fritsch, Karin Henkel und Katie Mitchell mit ihren Regiearbeiten maßgeblich den Spielplan prägen.
Eröffnet wird im großen Haus mit Mitchells Inszenierung von Herta Müllers Roman „Reisende auf einem Bein“. Müller, die bisher noch nicht in dem Theater präsentiert wurde, beschreibt darin ihre eigene Flucht aus der rumänischen Diktatur 1987 und ihre Ankunft im Westen. Der Malersaal eröffnet mit Clemens Sienknechts musikalischem Gedenken an „Effi Briest“ und andere Heldinnen. Herbert Fritsch, der zurzeit mit seiner Inszenierung „Schule der Frauen“ für 100 Prozent Auslastung sorgt, wird im Oktober Carl Sternheims „Die Kassette“, ein Stück über Geldgier, neu interpretieren. Tilmann Köhler, bisher erfolgreich in Weimar und Dresden, zeigt „Die Jungfrau von Orléans“ als Drama über eine Glaubenskriegerin. Das Künstlerduo Signa setzt sich in „Söhne & Söhne“ mit einer uralten Firma auseinander, Suse Wächter zeigt mit Puppen und Schauspielern in „Die Antiquiertheit des Menschen“, dass der Mensch seine Schöpfungen nicht mehr beherrscht.
Karin Beier präsentiert Fellinis „Schiff der Träume“ auf Kollisionskurs mit einem Flüchtlingsboot. Sie inszeniert auch Houellebecqs „Unterwerfung“. Maja Kleczewska führt Regie bei J.M. Coetzees Romanadaption „Warten auf die Barbaren“, Schorsch Kamerun beginnt eine dreiteilige Folge über Gegenkulturen in Hamburg und thematisiert in „Die disparate Stadt“ die Swingkids der 30er-Jahre. Simon Stone inszeniert Ibsens „Peer Gynt“ als Biografie einer modernen jungen Frau. Karin Henkel stellt ihre dritte Dostojewski-Bearbeitung vor, „Die Dämonen“, in der sie sich mit linkem Terrorismus auseinander setzt.
Statt zehn soll es nur noch acht Premieren im großen Haus geben. Geldknappheit und eine Belastung des Teams „bis zum Anschlag“ wird als Grund angegeben. Wundern kann man sich darüber schon, denn das Thalia, das fast fünf Millionen Euro weniger an Subventionen bekommt (Schauspielhaus und Junges Schauspielhaus: 25 Millionen, Thalia: 20,1 Millionen), zeigt immer noch neun Premieren im großen Haus und arbeitet gewiss auch „bis zum Anschlag“.
Das Junge Schauspielhaus zeigt, „Nichts. Was im Leben wichtig ist“, ein neues Kinderstück, „Apathisch für Anfänger“, „funny girl“ und „Das doppelte Lottchen“.