Hamburg. Thalia-Intendant Joachim Lux stellt seinen „dezidiert politischen“ Spielplan für die kommende Saison vor.

Seit sieben Jahren stellt Intendant Joachim Lux einen Spielplan für die jeweils neue Saison am Thalia Theater vor. Gestern war es wieder so weit. Die nächste Spielzeit sei geprägt von Themen wie „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“, sagte er. Das Theater will sich dezidiert um Flüchtlingsprobleme, Ost-West-Mentalitäten und soziale Ungerechtigkeiten kümmern. „2016 ist das Jahr, in dem ein Prozent der Weltbevölkerung mehr besitzen wird als die restlichen 99 Prozent“, sagte die neue Chefdramaturgin Julia Lochte. „Das ist eine schreiende Ungerechtigkeit.“

Der Spielplan der Saison 2015/2016 verspricht Spannendes. Zu den Regisseuren am großen Haus zählen Luk Perceval, Antú Romero Nunes, Jette Steckel, Stefan Pucher, Bastian Kraft und erstmals der viel gefragte Lette Alvis Hermanis. Er wird im April 2016 „Russland.Endspiele“ inszenieren, einen Abend, der lauter letzte Szenen aus der russischen Literatur mit der Gegenwart konfrontiert.

Eröffnet wird die Spielzeit am 12. September mit Brechts „Dreigroschenoper“ (Regie: Antú Romero Nunes). Es folgt „Liebe. Trilogie meiner Familie“, ein sich über drei Jahre erstreckendes Projekt von Luk Perceval, in dem er sich mit zehn Romanen Émile Zolas beschäftigt (26.9.). Bastian Kraft bringt am 17. Oktober Tony Kushners „Angels in America“ heraus, ein Stück, das die westliche Weltordnung befragt. Im November folgt Jette Steckels Inszenierung von „Kasimir und Karoline“, Horváths Stück über Liebe und Wirtschaftskrise.

Luk Perceval präsentiert im Januar eine Bearbeitung der Filme der Dardenne-Brüder „Das Versprechen“. Im Februar hat Stefan Puchers Regiearbeit von „Warten auf Godot“ im Thalia Premiere. Im März inszeniert der ungarische Regisseur Kornél Mundruczó Hauptmanns „Die Weber“, und im Mai kommt Franz Kafkas „Schloss“ (Regie: Nunez) auf die große Bühne. Als Familienstück ist Michael Endes „Die unendliche Geschichte“ geplant.

Thalia mit neuer künstlerischer Handschrift

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    In der Gaußstraße startet die Saison am 13. September mit „Ungefähr gleich“ von Jonas Hassen Khemiri (Regie: Anne Lenk). Luk Perceval bringt James Joyces „Verbannte“ heraus, Alvis Hermanis „Späte Nachbarn“ nach Geschichten von Isaac B. Singer. Auch Orhan Pamuks Roman „Schnee“ und Wolfgang Herrndorfs „In Plüschgewittern“ kommen dort auf die Bühne. Ein Klassenzimmerstück, Projekte mit minderjährigen Flüchtlingen und zu „Srebenica“ sind in Planung.

    Fünf neue Schauspieler kommen ins Ensemble: Stephan Bissmeier und Oliver Mallison, die ehemals am Schauspielhaus spielten, sowie Marie Jung und Kristof van Boven aus München und Paul Schröder aus Stuttgart.

    8000 Abonnenten gibt es am Thalia und mit rund 270.000 Zuschauern auch ein beachtliches Interesse am Programm. Doch in der kommenden Spielzeit wird es, so nennen es die Politiker euphemistisch, „Effizienzsteigerungen“ geben, auf deutsch: Kürzungen. 100.000 Euro weniger im Zuschuss von knapp 20 Millionen Euro. Damit liegt das erfolgreiche Staatstheater, das Hunderte von Menschen beschäftigt, deutschlandweit unter allen vergleichbaren Bühnen mit weitem Abstand an letzter Stelle in der finanziellen Ausstattung. Die tariflich anstehenden Gehaltserhöhungen für alle Beschäftigten im öffentlichen Dienst sind da noch nicht einmal eingerechnet. Für die Jahre nach 2017 sind weitere „Effizienzsteigerungen“ geplant. Lux sagte, er schlafe schlecht, wenn er darüber nachdenke. Das Theater spart seit vielen Jahren und steigert seine Einnahmen. Er vertraue aber „auf die Kreativität der Politiker“. Wer’s kann.