Hamburg. Das Museum für Kunst und Gewerbe hat seine Islam-Sammlung völlig neu konzipiert und erweitert. An diesem Sonntag wird sie eröffnet.

Bildliche Darstellungen sind grundsätzlich verboten, die kulturellen Leistungen anderer Religionen werden missachtet oder gar zerstört und jede Sinnlichkeit muss von vornherein unterdrückt werden. Wer gegen diese rigiden Regeln verstößt, wird kurzerhand umgebracht.

Dass dieses Bild der islamischen Kultur zurzeit vorherrscht, liegt nicht nur an der Unkenntnis westlicher Beobachter, sondern ist natürlich auch den Nachrichten über unfassbare Kulturzerstörungen geschuldet, die uns seit einigen Jahren aus Teilen der islamischen Welt erreichen. Wenn das Museum für Kunst und Gewerbe (MKG) vor diesem Hintergrund seine Abteilung islamischer Kunst völlig neu einrichtet, ist es nicht damit getan, eine in mehr als 100 Jahren zusammengetragene Sammlung von Architekturteilen, Fliesen, Keramiken, Teppichen, Stoffen und Metallgefäßen ästhetisch ansprechend und kunstgeschichtlich sachgerecht in Vitrinen zu präsentieren.

Ähnlich wie zuvor bereits in Abteilungen Buddhismus, Christentum und Judentum geht es Museumsdirektorin Sabine Schulze und ihrem Team neben der Neueinrichtung zugleich um eine Neuausrichtung, die den Islam einerseits als Weltreligion erklärt, zugleich aber seine enorme geografische, historische, soziale und politische Vielfalt darstellt.

Das vielleicht Wichtigste, was der Besucher der thematisch gegliederten und partiell eher minimalistisch gestalteten Ausstellungsräume mit insgesamt mehr als 270 Exponaten mitnimmt, ist die Tatsache, dass es eine einheitliche islamische Kunst gar nicht gibt, sondern eine faszinierende Vielfalt von unterschiedlichen Traditionen und Ausprägungen, die in einer Region entstanden sind, die von Spanien bis Indien und von Nordafrika bis Zentralasien reicht.

„Unsere europäische Gegenwart würde anders aussehen, wenn wir nicht auf die Jahrhunderte währende Begegnung mit der islamischen Welt zurückblicken könnten, die immer auch eine Kultur des Austauschs gewesen ist“, sagt Sabine Schulte, die sich bewusst dafür entschieden hat, die Ausstellungsfläche der Abteilung auf etwa 400 Quadratmeter zu verdoppeln. Neu ist aber auch, dass neben der historischen Perspektive zum ersten Mal ein Blick auf die aktuelle Kunstszene islamischer Länder eröffnet wird, zurzeit zum Beispiel mit dem Animationsfilm „Simorgh“ des Iraners Meghad Asadi Lari und den Comics der libanesischen Zeichnerin Zeina Abirached, die vom bedrückenden Alltag während des Bürgerkriegs erzählen.

Doch wenngleich es sowohl in der aktuellen, partiell durchaus auch westlich geprägten Szene, als auch in der traditionellen Kunst durchaus Bilder gibt, und sogar die bildliche Darstellung des Propheten zeitweise gebräuchlich war, sind Bilder weit weniger wichtig als die Schrift, das Ornament und letztlich die Abstraktion. „Aus religiösen Gründen haben sich die Künstler darauf konzentriert, weniger bildnerische Werke, sondern vor allem Gegenstände zu schaffen“, sagt Kuratorin Nora von Achenbach, die zugleich auf ein Paradoxon aufmerksam macht: „Obwohl die Religion das Kunstschaffen ganz wesentlich bestimmt, gibt es – anders als etwa im Judentum oder im Christentum – keine religiösen Bildinhalte. Außer dem Koran existieren auch keine Objekte, die ausschließlich dem rituellen Gebrauch dienen. Und meistens waren auch weltliche Fürsten oder Herrscher die Auftraggeber der Kunstwerke.“ Oft sind die Objekte zudem in ihrer Nutzung nicht festgelegt, so kann etwa ein Teppich zur Verrichtung des Gebets oder auch als alltäglicher Teil der Wohnungsausstattung genutzt werden.

„Wissenschaft und Islam“, „Vielfalt und Wechselwirkungen“, „Die Darstellung des Göttlichen“, „Herrschaft und Design“, aber auch die Erzähltraditionen sind Themen der Ausstellung, die immer wieder unerwartete Perspektiven eröffnet. So zeigen etwa Trinkgefäße aus Persien, dass in der höfischen Luxuskultur ungeachtet des religiösen Alkoholverbotes der Weingenuss durchaus geschätzt wurde. „Rechtliche Norm und gelebte Praxis konnten mitunter schon auseinanderklaffen, ohne dass das zu größeren Konflikten geführt hätte. Letztlich musste der Einzelne sein Tun vor Gott verantworten und im Jüngsten Gericht wurde abgerechnet“, sagt der Islamwissenschaftler Roberto Pera, der an der Konzeption der Ausstellung mitgearbeitet hat.

Dass es im Lauf der Zeit unterschiedliche Auffassungen über die bildliche Darstellung von Lebewesen gab, die übrigens vom Koran selbst keineswegs verboten wird, zeigen in der Ausstellung Keramikfliesen von Märtyrerschreinen aus dem 14. Jahrhundert mit der Darstellung des mythischen Vogels Simurgh. Offenbar in späterer Zeit wurde dessen Kopf auf jeder einzelnen Fliese abgeschlagen, um die Darstellung eines lebendigen Wesens auszumerzen.

„Radikale Gruppen hat es in der Geschichte immer wieder gegeben, aber es handelte sich bei ihnen immer um Minderheiten“, sagt Roberto Pera, und fügt hinzu: „Die Zerstörung von nichtislamischen Kunstwerken, wie das zum Beispiel mit den Buddhastatuen im afghanischen Bamyan oder zuletzt in den Museen im vom IS besetzten Mossul geschehen ist, widerspricht einer 1200-jährigen Tradition, in der Vielfalt akzeptiert und Toleranz geübt wurde.“

Das belegen gleich im ersten Raum zahlreiche Objekte aus der Frühzeit des Islam, der Mitte des siebenten Jahrhunderts im Orient zwar den Sieg über die Antike errang und Syrien, Palästina und das Zweistromland unter seine Kontrolle brachte, zugleich aber die Kulturtechniken und Traditionen der bezwungenen Völker achtete und sie sich zunutze machte. So zeigen etwa kostbare Glasgefäße aus Syrien, wie islamische Künstler die vorhandenen Formen und Herstellungstechniken aufgegriffen und erst im Lauf der Zeit verändert und weiterentwickelt haben.

Neueinrichtung Sammlung Islamische Kunst. Museum für Kunst und Gewerbe. Steintordamm. Ab 12. April. Di – So 10.00 – 18.00, Do bis 21.00 geöffnet. Infos auch zum umfangreichen Begleitprogramm unter www.mkg-hamburg.de