Der französische Regisseur Pascal Rambert probt derzeit am Thalia. Er steht noch ganz unter dem Eindruck der Geschehnisse von Paris.

Hamburg. „Ich zittere immer noch“, sagt Pascal Rambert. Er streicht sich mit beiden Händen die Haare aus der Stirn, rutscht an die Sofakante und lässt sich zurück in die Kissen fallen. Stillhalten ist nicht sein Ding, ohnehin nicht, aber im Moment weniger denn je. „Es war eine harte Woche.“ Pascal Rambert ist Regisseur, er ist Weltbürger, Intellektueller, er arbeitet an Theatern und mit Menschen auf der ganzen Welt. Im Moment ist er wohl vor allem Franzose. Und als Pariser steht Rambert auch Tage nach den Morden noch erkennbar unter dem Eindruck dessen, was passiert ist. Hellwach und vollkommen übermüdet gleichermaßen. Geschockt, verwirrt, trotzig, traurig.

In Hamburg ist er am Montagabend eigentlich zu den Endproben für sein Stück gelandet: „Eine (mikro)ökonomische Weltgeschichte, getanzt“ hat Ende Januar bei den Lessingtagen am Thalia Theater Premiere. Statt einer Probe mit 40 beteiligten Hamburgern gab es zum Einstieg dann jedoch die große Hamburger Solidaritätsdemonstration, sie fand direkt vor dem Theater statt, es war Rambert wichtig, dabei zu sein. Für das Theater hat er eine Stellungnahme verfasst: „Unser Herz ist gebrochen. Aber wir haben keine Angst. Wir müssen leben. Wir müssen uns erheben. Wir müssen reden.“ Es klingt auch wie eine Selbstvergewisserung.

Rambert leitet eigenes Theater in Pariser Vorort

In Paris ist er, der dort in einem Vorort ein eigenes Theater leitet und selbst im Quartier Latin lebt, am Sonntag ebenfalls auf der Demonstration mitgelaufen, eine Selbstverständlichkeit und ein historischer Moment, der den Theatermacher beeindruckt und bewegt hat. Und der nachwirkt. „Fast zwei Millionen Schweigende. Das war ... wunderschön. Ich habe so etwas nie zuvor gesehen und nie zuvor gefühlt.“ Und doch zehrt das Schwanken zwischen Trauer und Entsetzen über die Attentate und dem starken Gefühl der „Je suis Charlie“-Gemeinschaft merklich an den Kräften. „Noch habe ich nicht geweint", sagt Rambert, „ich warte auf den Moment, an dem ich loslassen kann.“

Rambert hat sich dem Gegenwartstheater verschrieben. Er ist Teil der globalen Freien Szene, er macht politisches Theater in Paris, New York, Tokio, sein Konzept der „(Mikro)ökonomischen Weltgeschichte“, das nach Hamburg auch in Kairo erarbeitet werden soll, fußt jeweils auf den Geschichten der lokalen Mitwirkenden. Als Humanist, für den Glaube vor allem Glaube an das Theater bedeutet und der von seinen Reisen in die arabische Welt schwärmt, möchte Rambert „an einem besseren Verständnis dieser Welt“ mitwirken. Er muss selbst lachen, und doch klingt so ein Satz bei ihm nicht naiv, sondern sehr entschlossen. Eigentlich.

Mittlerweile hat sich Ratlosigkeit eingeschlichen. „In den letzten Tagen hatte ich das Gefühl, als Künstler nicht nützlich genug zu sein.“ Ein Zustand, der Rambert gar nicht liegt und dem er durch das gestenreiche Reden darüber direkt entgegentritt. Seine Skepsis bleibt. „Letzte Woche war der Beginn von etwas Furchtbarem“, glaubt er. Durch die Demonstrationen habe man zwar kurzzeitig das Gefühl, den Terror als Gesellschaft überwinden zu können. „Aber auch wenn ich keine Angst habe – ich fühle mich gerade sehr leer.“

Zweimal hat er Vorstellungen an seinem Pariser Theater, an dem derzeit die Schauspielerin Emmanuelle Béard („8 Frauen“) auf der Bühne steht, abgesagt: am Tag der Anschläge, weil sich keiner in der Lage fühlte, unter diesen Umständen eine reguläre Vorstellung zu spielen. Und am Tag der Pariser Demonstration, um mitlaufen zu können.

In Hamburg wird nun auch unter dem Eindruck der Geschehnisse geprobt. Die Beteiligten der „(Mikro)ökonomischen Weltgeschichte“ werden vermutlich dennoch einen Regisseur voller Energie und Leidenschaft vor sich stehen haben. Eigentlich nämlich, sagt Pascal Rambert und lächelt, sei er „eine optimistische Natur“. Er hebt die Schultern und atmet aus. „Es fällt mir nur gerade etwas schwerer als sonst.“