Der Borderline-Kommissar Faber ermittelt im rechten Milieu. Im Dortmunder „Tatort“ ist die Stimmung auch in dieser Folge gereizt.

Der Drehbuchschreiber Jürgen Werner muss großen Spaß haben beim Verfassen von „Tatort“-Dialogen, seit Ende 2012 hat er fünfmal die Dortmunder Abteilung der Krimiserie mit seinen Plots beliefert. In der Technik, Lokalkolorit durch Sprache zu schaffen, ist der Mann ziemlich gut – vorausgesetzt, die Menschen im Ruhrgebiet haben wirklich die Neigung, unbequeme Wahrheiten grundsätzlich in bildliche Vergleiche zu übersetzen. Im Dortmunder Polizeirevier sind sowohl sachdienliche Hinweise zum äußeren Erscheinungsbild („So’n Blick macht Merkel-Backen“) als auch Klärungen persönlicher Verhältnisse („Sie mögen mich wie ’nen Hundehaufen, in den Sie reingetreten sind“) sprachlich, nun ja: ambitioniert.

Unter anderem das hat das junge Dortmunder Team innerhalb kurzer Zeit zu einer der beliebtesten Ermittlergemeinschaften im „Tatort“ gemacht. Der Borderline-Bulle Peter Faber (gut wie immer: Jörg Hartmann), die toughe und notgeile Kommissarin Martina Bönisch (Anna Schudt), das inzwischen getrennte Kollegenpärchen Daniel Kossik (Stefan Konarske) und Nora Dalay (Aylin Tezel) – alles nuanciert gezeichnete Figuren.

Die Stimmung im Revier ist auch in dieser Folge gereizt (das kennt man von den Drama-Queens aus Dortmund), namentlich Faber kann grundsätzlich nicht normal kommunizieren – zur Freude des Zuschauers, denn Fabers Pöbeleien sind ja immer ganz herrlich. Der Typ ist unberechenbar.

In den bisherigen vier Folgen durfte man dieses Psychowrack staunend dabei beobachten, wie es den Mörder seiner Familie dann endlich mal zur Strecke brachte, aber ein Neustart nach dieser Katharsis ist die Episode „Hydra“ nicht wirklich. Faber wirkt immer noch ziemlich angestrengt, aber wenigstens weniger soziopathisch. Etwas.

Seine Ermittlungsmethoden sind weiter unkonventionell. Nachdem der Kopf der Dortmunder Neonazi-Szene ermordet wurde, rückt zunächst die Leiterin einer Beratungsstelle gegen rechte Gewalt ins Visier der Kommissare. Das wäre natürlich zu einfach, weshalb der Fall recht schnell eine ganz andere Richtung nimmt.

Die miteinander vernetzten tätowierten Hooligan-Nazis auf der einen und die sich bürgerlich gebenden Rechtsextremen auf der anderen Seite sind bald nur noch Staffage, sie taugen für knackige Szenen, in denen Faber kaltblütig seine halbtürkische Kollegin Dalay als Köder einsetzt.

Dalay wird später von den Rechten angegriffen, ihr Ex-Freund Kossik muss derweil erkennen, dass sein Bruder (Robert Stadlober) zur Nazi-Clique gehört – die persönliche Verwicklung ist im Dortmunder „Tatort“ also weiterhin der Twist, der die Handlung vorantreibt. Und das macht aus dieser emotional vibrierenden Ermittlertruppe einen unruhigen Haufen, für dessen private Schieflagen man sich genauso interessiert wie für den Fortgang des Falls.

Der fußt auf einer Mixtur von Problemen, mit denen Dortmund im Speziellen und die Verbrechensbekämpfung im Allgemeinen schon lange zu tun haben: einer nicht unerheblichen Neonazi-Szene und schwierigen Versuchen, diese zu unterwandern. Das V-Mann-Programm der Strafverfolgungsbehörden sieht sich nicht erst seit dem NSU-Debakel in ein trübes Licht gerückt, in „Hydra“ nun greifen die „Tatort“-Macher das umstrittene Spiel mit den geheimen Informanten auf.

Auch die Probleme, die Borussia Dortmund mit den rechtsgerichteten Teilen seiner Kundschaft hat, werden in dieser Folge thematisiert, wobei der Handlungsstrang mit Kossiks Bruder, der nicht nur den BVB, sondern auch eine Frau aus der Szene liebt, fast schon des Guten zu viel ist: Die Gründe, warum er sich mit den Nazis einlässt, bleiben etwas unterbelichtet („Bei Stress auf der Südtribüne kann man sich auf die verlassen“) – oder ist es vielleicht in Wirklichkeit halt einfach so, dass die Hinwendung zur handfesten Rechten einer erschreckend trivialen Handlungsmotivation folgt?

Ressentiments finden sich auch unter Polizisten, die im Verlauf der Vermittlungen auf migrantische Straßengangster, auf eine Jüdin und auf ihre eigene Vergangenheit treffen, aber nirgendwo wirkt der braune Sumpf gruseliger als bei der schwangeren Witwe des Ober-Nazis. Sie arbeitet als Kindergärtnerin und sieht ganz harmlos aus. Aber das gilt ja auch für Beate Zschäpe.

„Tatort: Hydra“ Sonntag, 20.15 Uhr, ARD