Zwei Filme auf Arte beschäftigen sich mit der Atomkraft und ihren Folgen: ein deutscher Thriller und eine französische Komödie.

Ach, die Völkerfreundschaft. Keine einfache Sache. Am Anfang halfen bei Deutschen und Franzosen Städtepartnerschaften und das europäische Gemeinschaftsprojekt. Dann kam das interkulturelle Medienunternehmen Arte und belieferte von Straßburg aus Bildungsbürger dies- und jenseits des Rheins mit anspruchsvoller Fernsehunterhaltung, die in vielen Ländern dieser Welt, besonders gerne aber auch in Deutschland und Frankreich produziert wird. Wer Arte schaut, ist frankophil. Und mag vielleicht sogar das, was Germanen für gutes Fernsehen halten.

Im Falle einer neuen Programmschiene, die den schönen Namen „Tandem“ trägt, hat das längst etablierte Dauerprojekt – seit 1992 ist Arte mittlerweile auf Sendung – nun den bilateralen Spiegeleffekt zum Ausgangspunkt zweier Spielfilme gemacht. Sie beschäftigen sich mit einem Thema, das denkbar griffig die Unterschiede der zwei wichtigsten europäischen Länder auf den Punkt bringt: der Atomenergie nämlich. Die wollen wir Deutschen, wie man spätestens seit Fukushima weiß, abschaffen, während unsere Nachbarn auf Kernkraftwerke schwören. Ausgehend von dieser zugespitzten Prämisse entwickelten zwei Teams von Produzenten, Autoren und Regisseuren zwei sehr unterschiedliche Filme – die jetzt an zwei aufeinanderfolgenden Abenden auf Arte laufen.

Und was die jeweilige kreative Umsetzung angeht, hätte das Unterfangen nicht hingebungsvoller Erwartungshaltungen übererfüllen können: Der deutsche Beitrag „Tag der Wahrheit“, der von einem zu allem bereiten (in diesem Fall: der Kernschmelze) AKW-Gegner handelt, ist eine Art Action-„Tatort“ mit bitterernster Handlung, ein Endspiel um die Zukunft der Menschheit in düsteren Farben. Das französische Gegenüber „Das gespaltene Dorf“ ist im deutlichen Unterschied dazu ein beinah niedliches Lustspiel, ein Komödchen um ein Provinzkaff, in dem ein Atomendlager errichtet werden soll. Im Original heißt das leichte Werk, das man „charmant“ zu nennen gerne bereit ist, übrigens „Mon cher petit village“, „Mein liebes kleines Dorf“ also. Allein dieser ungleich harmlosere Titel offenbart sehr freiwillig den durchaus ungezwungeneren Umgang der Franzosen mit der Angelegenheit.

Man würde sich nicht wundern, wenn einem hier gleich der manische Monsieur Claude oder eine seiner schönen Töchter über den Weg liefe, vielleicht auch die zauberhafte Amélie – es ist aber nur Katja Riemann, die streng und idealistisch und sehr grundsätzlich als deutschstämmige Bürgermeisterin Anna auftritt. Sie will verhindern, dass der Pariser Ingenieur Antoine Degas (Laurent Stocker) im Auftrag der Nation ihren idyllischen Flecken mit radioaktiven Abfällen verseucht.

Natürlich sind nicht wenige der Dorfbewohner bereit, ihre Heimat zu verkaufen. Die finanzielle Überredungskunst der Atom-Agenten ist schließlich enorm. Und die aufklärerische Absicht der gesamten Chose mitunter etwas zu deutlich: In den mal amüsanten, mal bemüht amüsanten Dialogen wird das Für und Wider der Atomenergie beharrlich vorbuchstabiert. Was das Didaktische angeht, holt „Das gespaltene Dorf“ den Zuschauer mit seinen Mega-Fernsehern und Riesenkühlschränken, mit seinen iPhones und stets griffbereiten Laptops also vor der eigenen Haustür ab.

Wobei angenommen wird, dass grundsätzlich alle „boches“ in der kritischen Hinterfragung der eigenen Lebensumstände weiter sind als man selbst – es ist die Zugezogene, die grünes Bewusstsein nach Frankreich bringt. Dafür muss sie sich dann als „Verrückte“ schimpfen lassen – und außerdem als eine, die sich gegen den Fortschritt stellt. In der Wahl der Mittel ist diese von Riemann resolut verkörperte Anna nicht zimperlich. Sie schreckt im Verein mit der Glaubensschwester – einer reinen Französin! – auch nicht vor einer großen Fälschung zurück. In der komischen Szenerie eines gefaketen atomaren Stollens blitzt dann auch schon die angeblich drohende Bio-Diktatur hervor – der moralische Totalitarismus der Gutmenschen.

Wie das Gute zum Bösen werden kann, führt der Thriller „Tag der Wahrheit“ auf gewalttätige Weise vor. David Kollwein (Florian Lukas), ehemaliger Mitarbeiter des Kernkraftwerks Fessenheim, verschafft sich Zugang zum Kontrollzentrum der im französisch-deutschen Grenzbereich stehenden Anlage. Seine Tochter starb einst nach einem atomaren Zwischenfall an Leukämie; ein Zwischenfall, der vertuscht wurde. Im Dienste der Wahrheit über die Verlogenheit der Atomindustrie erpresst der eiskalt zu Werke gehende Kollwein die AKW-Betreiber und den französischen Staat. Seine Macht ist gewaltig, weil er mit ein paar Handgriffen eine Kernschmelze auslösen und Mitteleuropa unbewohnbar machen kann.

Ob man sich wirklich so leicht Zugang zu einem AKW verschaffen kann? Und selbst wenn nicht: Als Schocktherapie wirkt der Film, der auf seine Weise genau so parteiisch ist wie „Das gespaltene Dorf“, ganz gut: Wir leben alle im Angesicht der Katastrophe. Muss nur ein Verrückter kommen...

So hart der deutsche Krimi am Ende ist, so unfreiwillig komisch ist sein bilinguales Kuddelmuddel: Hier unterhalten sich gerne auch mal Franzosen auf Deutsch mit starkem französischem Akzent. Klingt immer gut, hätte man der größeren Logik wegen aber auch mit Untertiteln lösen können. So oder so ist das atomare Unbehagen letztlich vielleicht doch grenzenlos – der aktuellen französischen Politik zum Trotz.

„Tag der Wahrheit“, heute, 20.15 Uhr, Arte (und am 14.1. in der ARD)

„Das gespaltene Dorf“, morgen, 20.15 Uhr, Arte (und am 21.1. in der ARD)