Das mit dem Max-Brauer-Preis ausgezeichnete transnationale Kunstprojekt Hajusom feiert an diesem Wochenende auf Kampnagel sein 15. Jubiläum – mit Musik, einer Gala, Rauminstallation und Buchpräsentation.
Hamburg. An der Feldstraße 66, im sogenannten Medienbunker, hinter den eineinhalb Meter dicken Wänden, verbirgt sich so einiges an Kunst und Kultur. Das Hamburger Konservatorium und die Formation Weisser Rausch etwa, seit Kurzem auch das Ensemble Resonanz mit seinem Resonanzraum als neuem Veranstaltungsort für Klassik und Clubkultur sowie der Bunker-Club Uebel & Gefährlich.
Seit 13 Jahren probt hier, etwas versteckt im zweiten Stock, eine Gruppe, deren Name manchen noch immer fremd erscheint, die aber längst auch zum Hamburger Kulturleben gehört: Hajusom. Seit diesem Jahr, rechzeitig zum 15. Jubiläum, ist die Gruppe – ein eingetragener Verein – nicht mehr nur Unter-, sondern Hauptmieter.
Ella Huck und Dorothea Reinicke sitzen in ihrem Büro. Über ihnen baumeln Puppen aus früheren Produktionen. Die beiden sind Initiatorinnen und bis heute künstlerische Leiterinnen.
Vor dem Büro ist ein Aufenthaltsraum mit Esstisch, vom Flur geht die kleine Küche von Koch Arman Marzak ab, auf dem Weg zum Treppenhaus liegt der neue große Probenraum: „Der wird jetzt öfter mal zu klein“, sagt Ella Huck. So viele Performer kommen zweimal die Woche nachmittags. Und im Briefkasten liegt reichlich Post.
Die hat sich noch angehäuft, seit Hajusom den Max-Brauer-Preis 2014 der Alfred-Toepfer-Stiftung erhalten hat. Die Auszeichnung ist mit 20.000 Euro dotiert und ehrt Akteure, die das kulturelle, wissenschaftliche oder geistige Leben der Stadt prägen. Die Ehrung fand in der Staatsoper statt. Die künstlerische Heimat des Hamburger Performance-Kollektivs ist jedoch Kampnagel. In der Kulturfabrik findet an diesem Wochenende auch das Jubiläumsfestival statt. Es soll die Bandbreite der 1999 von Huck, Reinicke und Katharina Oberlik gegründete Gruppe zeigen. Sie arbeitet – in Zeiten, da negative Schlagzeilen und teils diffuse Ängste in Deutschland aufkommen, umso wichtiger – auch mit jugendlichen, meist unbegleiteten Flüchtlingen. Bisher bundesweit einzigartig.
„Wir haben immer einen kollektiven Arbeitsansatz verfolgt und Texte gemeinsam mit dem Ensemble entwickelt, nie in einer Regie von außen“, sag Ella Huck. „Uns war es von Anfang an wichtig, mit den Performerinnen und Performern auf Augenhöhe zu agieren“, ergänzt Dorothea Reinicke. So war es schon bei ihrem ersten Projekt, das noch im Schlachthof auf St. Pauli zur Erstaufführung kam. Die jungen Flüchtlingen Hatice, Jusef und Omid, die am ersten Stück maßgeblich mitbeteiligt waren, gaben zunächst dem Projekt, dann auch der Gruppe mit den ersten Buchstaben ihrer Vornamen die bis heute gültige Bezeichnung Hajusom.
Seitdem haben sich die Produktionen stetig professionalisiert, auch wenn die Performer selten als Theaterschaffende arbeiten. „Hajusom in Bollyland“ etwa wurde mit dem Innovationspreis 2011 des Fonds Soziokultur ausgezeichnet. Im Stück untersucht das Ensemble mithilfe von Musik, nachgestellten Filmszenen, eigenen Geschichten und Bollywood-Choreografien, ob die Fähigkeit des Mitfühlens ein Mittel zur Transformation der Welt sein kann.
Die intensive Probenarbeit ist im Feldstraßenbunker gleichberechtigt mit der soziokulturellen. „Hajusom ist ein transnationales Kunstprojekt“, sagt Ella Huck. Es mit alljährlich neu einstudierten Stücken am Leben zu erhalten war oft sehr schwierig. „Wir überdauern die zeitlich begrenzten Töpfe und Förderpraktiken“, sagt Huck mit ironischem Unterton. Dorothea Reinicke: „Wir kämpfen seit 15 Jahren dafür, unsere Kontinuität auch finanziell abzusichern, was erst seit 2010 gelingt.“ Dass Kampnagel mit Intendantin Amelie Deuflhard bis heute der Hauptproduktionspartner ist, wissen die Macherinnen zu schätzen. Ella Huck sagt auch: „Wir verstehen uns als Plattform.“
Die wurde von Menschen aus allen Teilen der Welt genutzt, aus Europa, Afrika, Asien. Der Kroate Nikola Duric, Gastdramaturg von Hajusom und Mitglied der Theatergruppe Showcase Beat Le Mot, hat es in seinem Beitrag zum Jubiläumsbuch „Masters of Paradise“ so ausgedrückt: „Hajusom ist auch keine Gruppe, sondern vielmehr eine Familie mit wechselnden Verwandten.“
Diese, aber auch Gäste, können sich auf Kampnagel etwa die „Roadmap Addis Abeba – Hamburg – Connakry – Kabul“ anschauen. Eine begehbare Rauminstallation. „Migration ist der Normalfall menschlicher Existenz“, sagt Ella Huck. „Wir passen in keine Schublade und machen Theater für alle“, erläutert Reinicke. Der reifste Performer, der heute zur Familie gehört, ist Anfang 50, die jüngsten sind 15 Jahre alt. Im Verein Hajusom sind heute mit den „Starlights“ und den „Neuen Sternen“ zwei Nachwuchsgruppen aktiv. Nicht nur das spricht dafür, dass Hajusom weiter kulturell um sich greifen wird.
Davon will sich an diesem Sonnabend auch Hamburgs Kultursenatorin Barbara Kisseler überzeugen. Bei der Gala steht das „Dinner for All“ an. Auf der Bühne wird dann Bananenbier im Schlauchboot gebraut und ein großes Essen vorbereitet. Auch Flüchtlinge sollen daran teilhaben.
„If we ruled the World – 15 Jahre Hajusom“ Sa 29.11., ab 16 Uhr, So 30.11., 17 Uhr, Kampnagel,, Restkarten zu 15,-/8,- (erm.) unter T. 27 09 49 49 ; www.kampnagel.de, www.hajusom.de