Hamburger Theater haben für Kinder einen besonderen Spielplan. Von „Bei den wilden Kerlen“ bis „Hänsel und Gretel“ – die Tipps für die Vorweihnachtszeit in der Stadt.

Hamburg. Den ersten Besuch eines Weihnachtsmärchens vergisst man nie. So wie den ersten Kuss. Der zunächst ungewohnte Kontakt mit der kraftvollen Illusionsmaschine Theater kann, wenn es gut läuft, zu einer lebenslangen Liebe führen. Und so lassen sich die Hamburger Theater, vom Stadttheater über die Privattheater bis zu den freien Gruppen auch in diesem Jahr eine Menge einfallen, um junge Zuschauer mit besonders aufregenden, poetischen, fantasievollen und musikalischen Inszenierungen zu fesseln. Dabei geht es schon lange nicht mehr nur um die klassischen Weihnachtsmärchenerzählungen für die ganz Kleinen, auch moderne Klassiker der Kinderbuchliteratur, Mythen und Legenden gelangen in den Spielplan.

Bei den wilden Kerlen

Dave Eggers interpretierte Maurice Sendaks Kinderbuchklassiker „Wo die wilden Kerle wohnen“ vor einigen Jahren neu. Er nannte seinen Roman „Bei den wilden Kerlen“ (2. bis 26.12., Kinder ab 6 Jahren, T. 32 81 44 44), und so heißt jetzt auch die erfolgreiche Bühnenadaption des Stoffes im Thalia Theater von Regisseurin Christina Rast mit Livemusik der Hamburger Band Kante. Der wilde Max, gespielt von Pascal Houdus, bekommt Stubenarrest und träumt sich in seinem Zimmer in eine Fabelwelt – im Reich der Fantasie, das so nur den Kindern offen steht. Er muss in dieser anarchischen Sphäre mit Monstern klarkommen und anderen nicht immer so lustigen Wesen, ist aber selbst König über alle. Besser geht's ja eigentlich nicht! Wird er wieder heim wollen in die wirkliche Welt? Und lernt er etwas fürs Leben? Muss er das eigentlich? Ein flauschig-abenteuerliches Vergnügen.

Eine Weihnachtsgeschichte - Scrooge

Auf dem Gebiet der Familienmusicals ist Christian Berg ein Dauerbrenner. In der Komödie Winterhuder Fährhaus inszeniert und präsentiert der Produzent, Autor und Schauspieler in diesem Jahr zum ersten Mal seine Version von „Eine Weihnachtsgeschichte“ (bis 28.12., Kinder ab 4 Jahren, T. 48 06 80 80) nach der Vorlage von Charles Dickens. Die Rolle des geizigen Weihnachtshassers Ebe-

nezer Scrooge spielt Berg selbst. An Heiligabend erscheint Scrooge in London der Geist seines gestorbenen Geschäftspartners Jakob Marley, der ihm rät, sein Leben zu ändern. In der Heiligen Nacht sollen drei weitere Geister folgen – und bei Scrooge einiges auslösen. Die Musik für das neue Stück hat eigens der frühere Fernsehmoderator (Kinder-Quiz „1,2 oder 3“) und Schlagersänger Michael Schanze komponiert.

Der kleine Muck

Wenn das Theater zu etwas gut ist, dann zum Lernen fürs eigene Leben. Deswegen ist die Geschichte, die das Altonaer Theater zeigt, auch eine so gute Lektion für das Wachsen durch Herausforderungen. Wilhelm Hauffs „Der kleine Muck“ (26.11. bis 12.1.2015, Kinder ab 5 Jahren, T. 39 90 58 70) ist ein Märchen, das einen wahren, sehr philosophischen Kern hat: Erzählt wird die Geschichte eines Außenseiters, der anders ist, anders aussieht, sich anders verhält. Entsprechend groß sind die Schwierigkeiten, in die der kleine Muck gerät, mit seinen Zauberpantoffeln und seinem Stock, der ihn zum nächstversteckten Schatz führt. Äußerlichkeiten können täuschen, lehrt dieser Klassiker, am Ende zählen die inneren Werte.

Als der Weihnachtsmann vom Himmel fiel

Ist der Zauber, den die Vorweihnachtszeit früher einmal hatte, eigentlich noch zu retten in der allgemeinen Konsumschlacht? 20 Jahre ist es jetzt her, dass die Erfolgsautorin Cornelia Funke ihr Buch „Als der Weihnachtsmann vom Himmel fiel“ geschrieben hat. Ein löblicher Versuch, die leisen Töne vor dem Zeitalter der medialen Dauerüberflutung wiederzufinden. In den Hamburger Kammerspielen ist die Uraufführung der Bühnenversion nun in der Regie von Frauke Thielecke zu sehen (bis 21.12., Kinder ab 8 Jahren, T. 413 34 40). Die echten Wünsche der Kinder zu erahnen, damit hat der Stoff viel zu tun. Nur der wirkliche Weihnachtsmann Niklas Julebukk kann das. Unterstützt von dem Kobold Fliegenbart und dem Engel Matilda kämpft er gegen die totale Kommerzialisierung des Festes der Liebe. Aber sein Feind Waldemar Wichteltod hat ihn mit seiner Nussknackerarmee in den Hintergrund gedrängt. Die Kinder Ben und Charlotte haben Julebukk aber entdeckt, weil er in seinem Wohnwagen in der Nebelstraße gelandet ist, in der auch sie wohnen. Als sie sich mit ihm anfreunden, beginnt ein echtes Weihnachts-Abenteuer.

Der kleine Störtebeker

Klaus Störtebeker, der sagenumwobene Pirat, der im späten Mittelalter die Hanse aufmischte, verlor der Überlieferung nach 1401 auf dem Grasbrook im Hamburger Hafen seinen Kopf durch den Henker. Wie er zum Freibeuter wurde und woher er kam, ist ungeklärt. Ein Umstand, den sich das Schmidt Theater in seinem neuen Familienmusical „Der kleine Störtebeker“ (bis 4.1.2015, ab 6 Jahre, T. 31 77 88 99) zu Eigen gemacht hat. Im mit viel Fantasie, Tempo und Witz bereits uraufgeführten neuen Familienmusical von Autor Heiko Wohlgemuth, Komponist Martin Lingnau und Regisseurin Carolin Spieß überzeugen sieben Darsteller und verkörpern sogar Türen, Wände und Bilder. Benjamin Zobrys – auch Choreograf des Stücks – reift als Titelheld vom Waisenjungen Nikolaus zum jungen Klaus. In einer Doppelrolle besonders lustig ist Mario Saccoccio als Smutje Grobhard und Stimme der Schiffsratte „Justin“. Für Groß und Klein gibt’s im Song „Wi Snack Platt“ auch noch Nachhilfe im Niederdeutschen.

König Artus

Der junge Artus hat es nicht leicht. Sein Stiefvater zieht den eigenen Sohn vor, ihm bleibt nur der Abwasch. Da hilft nur eines, fliehen. Noch weiß Artus nicht, dass er vom Druiden Merlin auserkoren wurde, ein in einem Fels festgezaubertes Schwert herauszuziehen und der lang ersehnte, nächste König Englands zu werden. Markus Bothe serviert „König Artus“ (bis 27.12., Kinder ab 8 Jahren, T. 24 87 13) am Schauspielhaus als großes Ritterspektakel, mit Geist, Humor und einer wunderbaren Würdigung von Anderssein und Ritterlichkeit, dazu einem herrlich bösen Gothic-Duo in Gestalt der Fee Morgane und ihres Sohnes Mordred. Furios gespielt und toll ausgestattet, auch weil Merlin Artus und Guinivere auf dem Weg zur Ritterwürde in allerlei Tiergestalten verwandelt. Hier zählen eher die Wortduelle als die Schwertkämpfe.

Pinocchio

Carlo Collodis hölzerne Fantasiefigur ist bereits mehr als 130 Jahre alt und dennoch fester Bestandteil im Repertoire heutiger Kinderzimmer. Auch das St. Pauli Theater legt es nun neu auf, das Märchen um den Jungen, dem beim Lügen die Nase wächst: „Pinocchio“ (28.11. bis 23.12., ab 4 Jahren, T. 47110666). Die Schauspieler Siine Behrens, Florian Hacke, Cornelius Henne und Martin Wolf lassen die Geschichte vom Schnitzmeister Geppetto lebendig werden. Dessen Marionette wandelt sich in ein Kind aus Fleisch und Blut, das zwischen Abenteuerlust und dem Versuch, brav zu sein, schwankt. Gespannt sein dürfen Zuschauer auf Bühne und Kostüme des Duos Georg&Paul und auf die Musik von Akkordeonspezialist Jakob Neubauer.

Der Zauberer von Oz

Ein Mädchen und ihr Hund, die vom Sturm aus dem grauen Kansas in ein fernes, verzaubertes Land gewirbelt werden, in dem Dorothy über sich selbst hinauswachsen kann, ein feiger Löwe, eine dumme Vogelscheuche und ein Blechmann ohne Herz – das allein dürften genug Zutaten für einen anregenden Bühnenhit sein. Aber in „Der Zauberer von Oz“ (bis 15.12., Kinder ab 7 Jahren, T. 24 87 13) begegnet man auf der gefährlichen Reise zur Smaragdstadt auch Munchkins, guten und bösen Hexen und man lernt, dass der Weg das Ziel ist. Was Regisseurin Barbara Bürk und ihr Ensemble aus Lyman Frank Baums amerikanischen Kinderbuchklassiker im Jungen Schauspielhaus gemacht haben, verzaubert wirklich alle Zuschauer und nicht nur die ab sieben Jahren, für die das Stück gedacht ist. Mit viel Charme, Fantasie und Spieleinsatz werden hier temperamentvoll alle Sinne angeregt.

Schneeweißchen und Rosenrot

Zwei Mädchen und ein Bär. Auf diese Formel lässt sich das wundervolle Märchen „Schneeweißchen und Rosenrot“ (bis 23.12., Kinder ab 4 Jahren, Karten T. 22 70 14 20) der Brüder Grimm bringen, das Hartmut Uhlemann am Ernst Deutsch Theater herausbringt. Das stille, häusliche Schneeweißchen und das aufgeweckte Rosenrot leben mit der braven Mutter direkt neben einem Abgrund. Hier bekommen sie Besuch von einem Bären, der auf der Flucht vor einem bösen Zwerg bei ihnen überwintert. Im Frühjahr macht er sich davon und die Mädchen treffen im Wald auf einen Zwerg, den sie aus misslichen Lagen befreien und der ihnen dafür keinerlei Dank entgegenbringt. Die moralisierenden Rot-Weiß-Kontraste sind stark ausgeprägt, ebenso die Naturmetaphorik und die Psychologie des Erwachsenwerdens. Am Ende lockt auch in dem beliebten Schwestern-Märchen eine Doppelhochzeit.

Der gestiefelte Kater

Ein sprechender Vierbeiner, ein verarmter Müllerssohn, ein kranker König und eine Prinzessin im heiratsfähigen Alter gehören zum Märchen „Der gestiefelte Kater“ (bis 23.12., Kinder ab 4 Jahren, T. 35 08 03 21). Für die Bühne des Ohnsorg-Theaters hat Manfred Hinrichs eine der berühmtesten Geschichten der Brüder Grimm neu bearbeitet. Der Schauplatz ist jetzt Irland, und so legt der Kater in seinem neuen Schuhwerk einen flotten Riverdance hin. Irisch-kämpferisch auch die Musik, in der Regisseurin Sandra Keck das Thema Freiheit aufgreift. Schließlich geht es auch um ungerechte Erbfolge und um Standesdünkel – kann ein Müller eine Prinzessin ehelichen? Gespielt wird übrigens auf Hochdeutsch.

Das Märchen vom Schwanensee

Wer „Schwanensee“ hört, der denkt an Paraden entzückender, in weiße Tutus gewandeter Balletttänzerinnen, die sich in der Anmut des Schwanseins üben. Er denkt an die unglückliche, in einen Schwan verzauberte Prinzessin Odette, den bösen Zauberer Rotbart und dessen Tochter Odile. Und er denkt an Peter Tschaikowsky, denn im kollektiven Bewusstsein ist „Schwanensee“ ein Ballett, das zu seiner Musik entstand. Nun nimmt sich das Theater für Kinder des Stoffes an, keine Show für kleine Ballettratten soll es werden, deshalb, heißt das Stück „Das Märchen von Schwanensee“ (bis 25.1.2015, Kinder ab 5 Jahren, T. 38 25 38). Geschrieben von Barbara Hass, Regie und Choreografie besorgt Birgit Scherzer, die musikalische Leitung hat Tjaard Kirsch.

Hänsel und Gretel

Die Kinder des Besenbinders, genannt „Hänsel und Gretel“ (8.12. bis 19.12., Kinder ab 8 Jahren, Karten T. 35 68 68) gehen häufig hungrig ins Bett und haben dennoch nur Albernheiten im Kopf. Als die Mutter sie zum Beerenpflücken in den Wald schickt, verlaufen sie sich prompt. In den Eltern wächst die Sorge. Können die Eltern Hänsel und Gretel vor der Knusperhexe Rosina Leckermaul retten? Peter Beauvais’ Inszenierung von Engelbert Humperdincks Märchenvertonung (1893) nach den Brüdern Grimm ist in der Hamburgischen Staatsoper seit Jahren ein vorweihnachtlicher Evergreen. Inklusive Zauberwald, Lebkuchenhaus, einer Besen reitenden Hexe und 14 Engeln. Zur romantischen Musik Humperdincks gibt es zum besseren Verständnis deutsche Übertexte zum Mitlesen.