In Wilhelmsburg stand Bjarne Mädel für die vierte Staffel der TV-Kultserie „Tatortreiniger“ vor der Kamera. Am Set beweisen der Schauspieler und seine Kollege den Humor, der auch in der Fiktion zum Tragen kommt.

Hamburg. Neulich, in Wilhelmsburg. Die Eckkneipe Neuhöfer Quelle sieht etwas anders aus als sonst. Die Fenster sind abgedunkelt, sie ist zu einer schmuddeligen Kiez-Kneipe umgebaut worden. Hier wird eine der neuen Folgen für den „Tatortreiniger“ gedreht.

Die TV-Serie um den knuffigen Gebäudereiniger Heiko Schott, den alle nur „Schotti“ nennen, ist einst als Experiment gestartet, hat sich aber längst zum Publikumshit entwickelt. Sogar die Kinos sind voll, wenn einige Folgen um den Mann mit dem professionellen Putzfimmel, wie beim Filmfest Hamburg, vorab gezeigt werden. Zurzeit entsteht die vierte Staffel.

„Ob alt, ob jung – ob arm, ob reich, im Van der Horst sind alle gleich.“ Das Motto des künstlichen Kiez-Ladens hängt über dem Tresen. Den Innenraum umzudekorieren muss ein Fest für die Ausstatter gewesen sein. Hunderte von Bierdeckeln kleben an einer Wand, daneben ein großes Bild von Hans Albers mit Hafenmotiven.

Unter den vielen Kneipen-Requisiten ist auch ein ausgestopfter Papagei – eine Anspielung an den „dead parrot sketch“ von Monty Python? Auf dem Tresen stehen Flachmänner neben einem Buddelschiff. Am Spiegel klemmen Autogrammkarten: Mike Krüger, Muhammad Ali, Jopi Heesters, Sascha Hehn, Uwe Seeler, Nicole, Dagmar Berghoff und Christoph Maria Herbst als Stromberg.

Regisseur Arne Feldhusen inszenierte auch Stromberg

Stromberg? Ein bisschen Eigenwerbung muss erlaubt sein, denn Regisseur Arne Feldhusen inszeniert nicht nur den „Tatortreiniger“, sondern war in dieser Eigenschaft auch für die gleichnamige TV-Serie und den Kinofilm tätig. Auch da stand Bjarne Mädel vor seiner Kamera – als Sachbearbeiter und Mobbingopfer Ernie.

Hier sitzt er nun mit halb heruntergekrempeltem Overall an einem der Kneipentische, ihm gegenüber Viviane De Muynck, die Benthe spielt, eine lebenserfahrene Frau. Die Belgierin, Mitglied der bekannten Needcompany, ist eine profilierte Theaterschauspielerin. In Hamburg inszenierte sie am Schauspielhaus die „Vagina Monologe“. Mit dabei ist auch Hendrik Arnst als Kuddel. Schotti und Benthe trinken Kaffee aus Tassen, die man nur schwer auf dem Flohmarkt an den Mann bringen könnte, und genehmigen sich dazu einen Film-Cognac. Ihr Gespräch dreht sich um die Liebe mit ihren Licht-, vor allem aber ihren Schattenseiten.

„Hattest du schon mal einen Orgasmus?“, fragt Benthe. „Doch“, antwortet Schotti nach reiflicher Überlegung. Sie reden über einen Heiratsschwindler, auf den sie beinahe reingefallen wäre. Sie hat nichts gegen käufliche Liebe. „Geld hat mich noch nie enttäuscht. Liebe heißt doch auch nichts anderes als Tauschgeschäfte zu machen.“ Schotti sieht das romantischer.

2011 entstanden die ersten Folgen

Aus der Eisteeflasche wird „Cognac“ nachgefüllt. „Ja, doch“, antwortet Schotti wieder auf die Orgasmusfrage mit viel Sinn für Timing. Feldhusen grinst, die beiden sind ein eingespieltes Team. Neben dem Tisch der beiden erstreckt sich eine große Kunstblutlache – Schottis eigentliche Aufgabe. Aber bei dieser Serie kommt es nicht so sehr auf den Todesfall als vielmehr auf die Abschweifungen an.

Als 2011 die ersten Folgen entstanden, musste das Team noch mächtig Gas geben. In nur zwei Drehtagen haben sie damals eine 26-minütige Folge abgedreht. Drei Jahre und einen Grimme-Preis später beträgt ihr Pensum nur noch sechs Minuten pro Tag, sie können häufiger mal etwas wiederholen. „Wir müssen uns immer noch beeilen.

Das ist also kein Luxus, aber eine ganz erhebliche Verbesserung“, sagt Mädel, der zurzeit dienstags als ständig hungriger Polizist Dietmar in der Krimigroteske „Mord mit Aussicht“ gute Quoten einfährt. In der Rolle überzeugt er mit „Fatsuit, Vollbart, fiesem Pony“, wie er das beschrieben hat. Beim „Tatortreiniger“ sind es Overall, Gummihandschuhe und Bonsai-Zopf.

Mädel triezt und lobt seine Kollegen

Mittagspause. Wir sitzen auf einem Parkplatz auf Biergarten-Holzbänken, De Muynck in Hörweite daneben. Ein großer Spaß, sagen Regisseur und Hauptdarsteller, sei es immer, die Schauspieler für die Gastauftritte auszusuchen. „Bei dieser Folge nicht“, sagt Feldhusen. De Muynck hört auf zu essen und sieht ihn an. „Für diese Folge wollten wir jemand ganz Tolles, aber dann hat das Geld nicht gereicht und wir mussten Viviane nehmen“, legt Mädel nach, um dann auch noch zu erklären: „Wir haben die Folge schon einmal verschoben, weil wir auf Viviane gewartet haben.

Mit Matthias Brandt haben wir das auch so gemacht, und es hat sich gelohnt. Bei Matthias zumindest.“ De Muynck hat den Braten längst gerochen und lacht mit. Mädel mag sie nun auch nicht noch weiter triezen und lobt: „Sie ist eine einzigartige Persönlichkeit und ganz tolle Schauspielerin. Ich bin froh und stolz, dass ich mit diesen Leuten spielen darf. Das ist echt ein Fest.“

Das soll noch länger gefeiert werden, Feldhusen hat noch einiges vor. „Bei ‚Stromberg‘ wären die Fans schnell pikierter, wenn man vieles anders macht. Wir versuchen diesmal, die Leute etwas anders zu erziehen, dass sie jedes Mal ein ganz neues Universum erwarten können. Wir können noch viel experimenteller werden.“ Es ist eine Folge geplant, in der ausschließlich in Versen gesprochen wird.

Obwohl viele Folgen gedreht worden sind, ist das Privatleben Schottis noch relativ unbekannt, ein geschickter Schachzug. „Man weiß eben nicht schon alles über diesen Typen“, freut sich Mädel. „Die Hauptrolle sind immer die anderen. Ich bin eher der Spiegel, über den das erzählt werden kann.“

Der NDR zeigt den „Tatortreiniger“ ab dem 3. Dezember jeweils mittwochs in Doppelfolgen