Im Münster-„Tatort“ ist sie die Assistentin von Professor Boerne, in der neuen ZDF-Vorabendserie spielt Christine Urspruch jetzt die Hauptrolle. Viel mehr Klischee auf einem Haufen geht nicht.
Wenn eine Krankenhausserie, in der die 1,32 m große Christine Urspruch die Hauptrolle spielt, „Dr. Klein“ heißt, kann einem Übles schwanen, was die Kalauerdichte angeht. Zumal, wenn in den weiteren Rollen ein schwuler Chefarzt, ein dunkelhäutiger Assistenzarzt, eine hübsche, blonde und etwas einfältige Krankenschwester und ein miesepetriger, misogyner, machohafter Kollege auftauchen. Viel mehr Klischee auf einem Haufen geht nicht.
Und dazu ist auch noch Rosenmontag. Durch die Stuttgarter Rosenstein-Kinderklinik, an der Valerie Klein (Christine Urspruch) ihre Stelle als leitende Oberärztin antreten soll, wuseln kostümierte Kinder, Pfleger, Ärzte. Und ein kleiner Geist mit Maske. Wo Dr. Klein sei, wollen einige der neuen Kollegen wissen. Und Bernd Lang (Simon Licht) redet sich schon einmal in Rage: „In dieser Klinik wird man nur etwas, wenn man einer Randgruppe angehört. Mit einer Frau als Chefin hat man nur Scherereien.“ Und da weiß er noch nicht einmal, dass seine neue Vorgesetzte zu allem Überfluss auch noch kleinwüchsig ist. Das geht ihm erst nach der gemeinsamen OP auf, die natürlich in einer Meinungsverschiedenheit gipfelt. Lang gegen Klein, allein die Namenswahl – ein Brüller. Man muss kaum erwähnen, dass Klein einen putzigen Fiat fährt, während der Kollege im monströsen SUV auftaucht.
Die bunte Stereotypen-Tüte hat anscheinend nicht nur Methode, sondern auch einen pädagogischen Auftrag, der recht einfach gestrickt ist: Während die irgendwie vom nebulösen Standard divergierenden Rollen – sei es aufgrund von Körpergröße, -umfang, sexueller Orientierung oder dem Teint – durchweg positiv erscheinen, bleiben für Schwester Nanny Abel (Nora Huetz) und den bei der Beförderung übergangenen Lang nur die unschönen, die intoleranten Seiten. Lang, eine Art müder Abklatsch des Vorzeige-Sprücheklopfers Dr. Cox aus der US-Serie „Scrubs“, ist dermaßen frauenfeindlich, unsensibel und karrieregeil, dass es schmerzt. Und der Rolle gewordene Blondinenwitz Abel muss als bloße Stichwortgeberin für die Bonmots der anderen herhalten.
Valerie Klein brilliert derweil als kompetente Ärztin. Als offensiv mit Anfeindungen umgehende, patente Frau, die durch kaum etwas aus der Ruhe zu bringen ist. Der aufstrebende Assistenzarzt Müller (Michael Klammer) übertrumpft Lang bei der Diagnose, wohlwollend betrachtet von Chefarzt Eisner (Miroslav Nemec). Ein lebensbedrohlich verletztes Kuckuckskind auf dem OP-Tisch und Familie Klein beim Umzug von der Metropole Frankfurt ins vergleichsweise beschauliche Stuttgart komplettieren das Exposé der neuen Serie. Denn Kleins Vater – der ehemalige Chefarzt der Klinik, Dr. Wagner (Karl Kranzkowski) – ist an Demenz erkrankt. Also zieht Klein samt Ehe- und Hausmann Holger (Arnd Klawitter) und den beiden Kindern zum vom Schicksal Gebeutelten, um ihrer überforderten Schwester Carolin (Elisabeth von Koch) bei der Pflege des alternden Patriarchen beizustehen.
Übertreibung veranschaulicht zwar, und das Anliegen von Produktionsfirma und Sender, Andersartigkeit als normalen, positiven Teil des Alltags darzustellen, ist ehrenwert. Doch gefällt sich die Serie zumindest in den ersten Folgen zu sehr in ihrer Neuinterpretation der heilen Welt, in der anders automatisch gut und altbekannt stets schlecht ist. Grautöne sucht man vergeblich.
Potenzial darf man „Dr. Klein“ dennoch zugestehen: Bekommen die Charaktere mehr Tiefe, definieren sie sich im weiteren Verlauf der Handlung weniger über ihre mehr oder minder augenscheinlichen Unterschiedlichkeiten; darf Dr. Klein auch einmal biestig sein und erhält Dr. Lang zwischendurch die Chance, eine gute Tat zu tun, wer weiß: Dann könnte „Dr. Klein“ glatt sehenswert werden. Aber nur, wenn das ZDF neben des allzu plakativen Gutmenschentums auch gleich die salbungsvollen Voice-over-Texte abschafft, in denen Klein in Poesiealbum-Manier über die „Rollen, die man im Leben spielt“ schwadroniert und über das Dasein als Wechselbad zwischen Drama und Komödie.
„Dr. Klein“ Fr 19.25 Uhr, ZDF