Fatih Akin bekam im Rahmen des Filmfest Hamburg, den Douglas-Sirk-Preis verliehen und stellte im Cinemaxx sein bewegendes Historien-Epos „The Cut“ vor. Das Filmfest geht noch bis zum 4. Oktober.
Hamburg. Natürlich platzte das Cinemaxx 1 wieder aus allen Nähten. Wann immer es eine Filmpremiere von Fatih Akin in Hamburg zu feiern gilt, müssen neben allen anderen Unverzichtbaren im Publikum auch die „500 engsten Freunde“ des Regisseurs aus Altona mit dabei sein. Das sei schon bei „Kurz und schmerzlos“ so gewesen, Akins erstem Spielfilm, scherzte Albert Wiederspiel vor der Aufführung von Akins armenischem Historien-Epos im Weltkinoformat „The Cut“, das am Sonnabend seine Deutschlandpremiere auf dem Filmfest feierte. Doch an diesem Abend ging es nicht einfach nur um den ganz normalen Wahnsinn einer weiteren Akin-Filmpremiere, sondern auch noch um die Verleihung des Douglas-Sirk-Preises an ihn.
Die Auszeichnung, dessen Träger der Filmfest-Chef jeweils allein bestimmt, versteht sich ausdrücklich nicht als Würdigung eines Lebenswerks. Dass es dazu noch viel zu früh sei, schließlich ist Akin erst 41 Jahre alt, darauf verwies neben Wiederspiel auch Kultursenatorin Barbara Kisseler, die als gewohnt kluge und pointierte, allerdings diesmal auch überraschend diplomatische Rednerin auftrat. Sie sprach anstelle des ursprünglich als Laudator vorgesehenen Filmregisseurs Emir Kusturica, der wegen eines nicht näher bezeichneten Unfalls abgesagt hatte.
Auch Akin selbst, so ausdauernd und froh er auf der Cinemaxx-Bühne die Preis-Statue im Blitzlichtgewitter der Fotografenschar in alle Richtungen reckte, schien die Auszeichnung fast etwas unheimlich zu sein. „Die glauben doch hoffentlich nicht, jetzt kommt nichts mehr“, habe er zuerst gedacht, als er von der Ehrung erfuhr.
Kisseler würdigte den Regisseur als „aufmerksamen Wanderer zwischen den Kulturen“. Sie rühmte sein Vermögen, den Deutschen die Türkei nahezubringen, aber auch den Türken Deutschland – und sie für bislang vernachlässigte Themen zu sensibilisieren, etwa Ökologie („Müll im Garten Eden“).
Mit „The Cut“ schneidet Akin ein in der Türkei noch ungleich heikleres Thema an, den 1915 vollzogenen Genozid an Armeniern, dessen bloße Existenz die offizielle türkische Politik beinahe 100 Jahre lang geleugnet hat.
Eine im April vom ehemaligen türkischen Ministerpräsidenten und jetzigen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan geäußerte Bekundung seines „Beileids“ für die Enkel der armenischen Opfer deutete Kisseler in ihrer Rede sehr wohlwollend; als sei dies das erste, zarte Signal einer Anerkennung möglicherweise begangenen Unrechts. Und Akin lobte sie dafür, dass er genau das nicht täte, was Erdogan auch nicht will: nämlich „die Ereignisse von 1915 als einen Vorwand für eine Anfeindung gegenüber der Türkei zu benutzen“.
Zu den gefühlt drei Dutzend Mitwirkenden, die Akin nach der Vorführung unter dem Jubel des Publikums auf die Bühne folgten (Akin: „Ein Bruchteil derer, die überall auf der Welt an dem Film mitgearbeitet haben“), gehörte neben der marokkanischen Sängerin und Schauspielerin Hindi Zahra, die zu Beginn sehr schön zwei Lieder aus dem Film vorgetragen hatte, auch eine Frau, die die historische Dokumentation zu Akins Film besorgte. Tatsächlich ist „The Cut“ bei aller Grausamkeit, die er dem Zuschauer manchmal auch sehr drastisch vor Augen führt, kein polemischer, die Fronten verhärtender Film. Sein Zuschnitt ist von epochenübergreifendem, geradezu biblischen Ausmaß. Überwältigend in den Bildern, beschreibt „The Cut“ eine der großen Tragödien der Geschichte in einer Region der Welt, die auch jetzt wieder mit Krieg, Flucht und Elend geschlagen ist.
Die individuelle Tragödie eines an ALS Erkrankten Spätdreißigers erzählt der Film „Hin und weg“ von Christian Zübert („Dreiviertelmond“), der am Freitag für großen Andrang im Cinemaxx 8 sorgte. Die beiden „sexiest men alive“ des deutschen Films, die Schauspieler Florian David Fitz und Jürgen Vogel, verwandelten nach dem großen Beifall des sichtlich bewegten Publikums die Chance zum Fragenstellen in eine Art Stand-up-Comedy-Show.
„French Women“ mit Isabelle Adjani, Vanessa Paradis und Laetitia Casta, der am Sonnabend im Passage lief, hat gute Chancen auf den Publikumspreis. In Frankreich sahen im ersten Monat 1,3 Millionen die Komödie über Frauen jenseits der 30. „French Women“ ist das „Sex in The City“ aus Paris. Mindestens.