Viel Sonne und wenig Schatten – 75.000 Fans wirbelten beim 25. Wacken Open Air viel Staub auf

Wacken Kaum hat es angefangen, ist es auch schon wieder vorbei, das Wacken Open Air. Das war schon immer so, und auch die Jubiläumsausgabe des Festivals machte da keine Ausnahme. Und das, obwohl Wacken inzwischen in Wirklichkeit weit länger dauert als von Donnerstag bis Sonnabend. Wer nicht spätestens am extrem frühen Mittwoch anreist, muss mit Zeltplätzen in der hinterletzten Ecke des 220 Hektar großen Geländes vorliebnehmen. Und wer sich wirklich ganz bis zum Schluss, bis zur Verabschiedung in der tiefen Sonnabendnacht, vor den Bühnen herumtreibt, der ist am Sonntagmorgen noch längst nicht wieder fahrtüchtig. Die Frühaufsteher stehen derweil im Stau auf dem Weg nach Süddeutschland, nach Österreich, Slowenien oder zum Flughafen Hamburg, um noch weiter weg nach Hause zu fliegen.

Trotzdem scheint die Zeit zwischen True Metal Bühne und Bullhead Circus wie in einem einzigen Gemenge aus Akkorden und hymnischen Gesängen zu vergehen: Gerade noch hatten Skyline am Donnerstag Wacken 2014 offiziell eröffnet, schon versucht Ex-Pantera-Drummer Vinnie Paul mit seiner Band Hellyeah an die großen alten Tage des Groove Metal anzuschließen. Huch, Hellyeah, ist schon Freitag? Bis Motörhead auftreten, gibt es aber noch genug zu sehen. Die Thüringer Wüstlinge Heaven Shall Burn werfen der Meute nach dem typischen „Das Boot“-Intro eine Schaufel Staub um die Ohren. Viele im Publikum haben sich Halstuch oder Notfallkoffer-Mundschutz umgebunden, das Bier schmeckt sandig, die Sonne brennt, die Fans rennen um die Mischpulttürme. Klassischer, aber nicht viel leiser ist es bei den finnischen Cello-Derwischen Apocalyptica, die im Wortsinn die Ouvertüre für die Headliner spielen. Motörhead und Slayer.

Motörhead-Lemmy geht es ein Jahr nach dem krankheitsbedingt kurzen Wacken-Auftritt 2013 gut genug, um schlechte Laune zu haben. 70 Minuten wird gerock’n’rollt, aber sowohl Band als auch Anhänger hat man schon lauter erlebt. Aber: Die Legende lebt, nuschelt und raunzt noch. Auch wenn es ihr vor der Bühne zu leise ist.

Der Sonnabend beginnt standesgemäß mit einer Stimme, die nach Gurgeln mit Kieselsteinen und Glasscherben, nach Jahrzehnten durchzechter Nächte und einer komplett weggerauchten Tabakplantage klingt. Nur gehört die keinem Hünen mit Vollbart, sondern einer blauhaarigen, zierlichen Frau. Alissa White-Gluz hat bei der Death-Metal-Band Arch Enemy die Rolle der Frontfrau von Angela Gossow übernommen. Und auch wenn einige Fans noch etwas mit der Neuen fremdeln: An Stimmgewalt haben die Schweden durch den Wechsel in keiner Weise verloren. Zwei Bühnen weiter beseelt Tommy Victor mit seiner Band Prong derweil die 90er-Nostalgiker: „Snap Your Fingers, Snap Your Neck“ hat zwar inzwischen 20 Jahre auf dem Buckel, die Reste der zu kurzen Nacht kann man sich damit trotzdem ganz prächtig aus dem Gehörgang pusten lassen.

Und was Prong nicht erledigt, das besorgt Devin Townsend mit seinen krachenden, aber melodischen Mini-Epen wie „Kingdom“ und „Grace“. „Never fear love“, ruft der kanadische Soundtüftler in den Abendhimmel und fordert alle Fans auf, sich zu umarmen. Zarte Mädchen herzen schwere Brocken, Hunderte drücken sich ganz fest. Nicht das spektakulärste Bild des Wacken Open Airs, aber sicher das Schönste. Und ein weiterer Beweis für die Friedlichkeit dieser Massenzusammenkunft. Von der zeigten sich auch die Ordnungshüter erfreut, man habe „deutlich weniger“ Straftaten aufgenommen als in den Vorjahren, um genau zu sein 215 bis Freitagabend. Davon 155 Diebstähle aus Zelten. Ein Ärgernis für den Einzelnen, gemessen an der Menge der Menschen beruhigend wenig. Dass einzelner Ärger auch zu großflächiger Verstimmung führen kann, bewies Megadeth. Ausgerechnet beim ersten Auftritt der Amerikaner in Wacken gab es massive technische Probleme, das Konzert klang so, wie Frontmann Dave Mustaine aus der Wäsche schaute: ziemlich übel.

Kaum ist es vorbei, hat es schon wieder angefangen, das Wacken Open Air. Für die Fans, die sich die Sonntagnacht vor dem Computer um die Ohren schlagen, um sich Karten für das nächste Jahr, für Savatage, Powerwolf, In Flames, Sabaton und Running Wild zu sichern. Denn am 30. Juli 2015 heißt es wieder: Freu dich, du bist in Wacken!