Nach dem Film von Iain Softley feierte die deutsche Erstaufführung des Stücks im Altonaer Theater Premiere und wurde vom Publikum begeistert aufgenommen.
Hamburg. „Be-Bop-A-Lula ist alles, was ich habe“, sagt John Lennon (Eiko Keller). Sein Freund Stuart Sutcliffe (David Nádvornik) ist gerade gestorben, dessen Freundin Astrid (Uta Krüger) kann Lennon nicht trösten. Zu groß ist die Leere in ihm angesichts des Verlustes des Kumpels. Für einen kurzen Moment hat die harte Realität den Beatles-Gitarristen wieder eingeholt. Doch der Aufstieg seiner Band ist unaufhaltsam. Die Jahre der Entbehrungen liegen hinter Lennon und seinen Bandkollegen. Die Band hat einen Manager, sie nimmt ihre erste Langspielplatte auf, eine beispiellose Karriere wird folgen. „Backbeat“ beschreibt den dornigen Weg zu Ruhm und Erfolg und wie aus fünf Beatles die „Fab Four“ wurden. Nach dem Film von Iain Softley aus dem Jahr 1994 feierte die deutsche Erstaufführung im Altonaer Theater Premiere und wurde begeistert aufgenommen.
Regisseur Franz-Joseph Dieken hat – anders als im Film – die Liebesgeschichte zwischen Sutcliffe und der Hamburger Fotografin Astrid Kirchherr etwas zurückgenommen und dafür die Genese der Band mehr in den Mittelpunkt gerückt. Die Geschichte der Beatles in ihren Hamburger Jahren 1960 und 1961 steht dabei stellvertretend für viele junge Bands, die unbedingt den Durchbruch wollen und dafür beengtes Wohnen in schäbigen Hotelzimmern, unzumutbare Arbeitsbedingungen, schlechte Bezahlung und pöbelndes Publikum in Kauf nehmen und sich mit Aufputschtabletten wach halten. Auf der Bühne stehen nur ein Schlagzeug, ein paar Gitarrenverstärker und Mikrofone, Symbol für das „Indra“, den „Cavern Club“ oder das „Top Ten“. Hier haben die Beatles gespielt. Geschickt überblendet Dieken manchen Szenenwechsel, indem er die Musiker auf der Bühne lässt, wenn die Geschichte von Sutcliffe und Kirchherr erzählt wird. Meistens werden die Szenen von Livemusik untermalt. So bekommt der Abend Tempo und einen nie abreißenden Erzählfluss.
Ein Glücksfall für diese Inszenierung sind die fünf jungen musizierenden Schauspieler. Sie spielen live und zeigen dabei eine unbändige Spielfreude. Es scheint, als sei hier während der Proben tatsächlich eine Band zusammengewachsen, die gemeinsam genauso durch dick und dünn gegangen ist wie die wirklichen Beatles. Zwar fliegen die Fetzen, wenn Paul McCartney (Delio Malär) sich über die mangelnde Spieltechnik von Sutcliffe aufregt und Schlagzeuger Pete Best (Yannik Meyer) bei jeder Bemerkung über den Mund gefahren wird. „Nein, Pete!“ wird zum Running Gag. Doch der Rock ’n’ Roll schweißt sie zusammen. Lennon kann seine Arroganz ausleben, der minderjährige George Harrison (Pedro Reichert) wird erwachsen und McCartney stürzt sich enthusiastisch ins Songwriting. Der junge Delio Malär ist überhaupt die Entdeckung des Abends. In einem Zwischenspiel gibt er zum Beispiel acht bis zehn verschiedene Variationen von „Twist & Shout“ zum Besten und wird dafür enthusiastisch gefeiert. Fast ein Dutzend Songs spielen die Altona-Beatles, darunter Rock-’n’-Roll-Kracher wie „Roadrunner“, „Please Mr. Postman“ „Johnny B. Goode“ und „Rock And Roll Music“.
Die fünf Beatles-Darsteller überzeugen nicht nur als Musiker, sondern auch als Schauspieler, weil sie den richtigen Ton finden und ihre Gags pointiert zu setzen wissen. Aber auch die anderen fünf Schauspieler, die verschiedene Rollen übernehmen müssen, tragen maßgeblich zum Erfolg dieses Abends bei. Einen besonders starken Eindruck hinterlässt dabei Joseph Reichelt. Wenn er sich als pöbelnder und betrunkener Clubgast aus Parkettreihe 4 durch die Zuschauer drängelt und dann aufs Podium springt, verdeutlicht er, wie wild die Zeiten damals auf dem Kiez waren und dass Beatmusik bei den Kneipengängern noch gar nicht so richtig angekommen war. Einen komischen Auftritt hat Reichelt auch als swingend-tänzelnder Bert Kaempfert in hellblauem Anzug und weißen Stiefeln. Kaempfert war der erste Produzent der Beatles, als sie mit Tony Sheridan die Single „My Bonnie“ aufnahmen.
Am Ende des fast dreistündigen Abends springt das Publikum von den Sitzen
Am Ende des fast dreistündigen Abends springt das Publikum von den Sitzen und überschüttet die Schauspieler mit nicht enden wollendem Beifall. Die Band revanchiert sich und reiht wie bei einem Konzert Zugabe an Zugabe. Mit „Backbeat“ ist Franz-Joseph Dieken und dem Altonaer Theater eine überragende Produktion gelungen, die so manche Beatles-Tourneetheater-Show in den Schatten stellt. Hamburg ist genau der richtige Ort für dieses Theater-Spektakel, weil dieser Aufbruch in der Popmusik von den 60er-Jahren bis heute nachwirkt. Das Theater in Altona hat zugegriffen und alles richtig gemacht. Mit diesem Stück ist ihm ein ganz großer Wurf gelungen.
„Backbeat – Die Beatles in Hamburg“ Altonaer Theater, weitere Vorstellungen bis 20.12.