In Elmshorn duellierten sich Vivica Genaux und Simone Kermes – natürlich nur gesanglich. Nachdem die beiden sich ausgezofft hatten, kochte die Stimmung im Reitstall auf Popkonzerttemperatur.

Elmshorn. Das SHMF hat seinen Besuchern im Laufe der Jahre ja schon so einige Überraschungen beschert. Aber zwei Opernsängerinnen, die mit Boxhandschuhen aufeinander losgehen? Das gab’s noch nicht.

Ja, Sie haben richtig gelesen. In der Elmshorner Reithalle wurde geboxt und auch ein wenig nachgetreten. Und zwar nicht wegen der stickig-schwülen, von Pferdedunst geschwängerten Luft, sondern im Dienste der Kunst: Die kleine Kampfeinlage war Teil einer Hommage an den historischen Zickenzoff zwischen Francesca Cuzzoni und Faustina Bordoni. Die beiden konkurrierenden Diven – so sagt die Legende jedenfalls – hätten sich anno 1727 in London auf der Bühne vor lauter Neid und Eifersucht geprügelt „wie die Fischweiber“. Skandal!!

Perfekter Stoff für barocken Klatsch und Tratsch. Und eine dankbare Vorlage für das Konzertprogramm „Rival Queens“, mit dem die Sopranistin Simone Kermes und ihre Mezzokollegin Vivica Genaux derzeit auf Tour sind. Unterstützt vom sehr wendigen Barockorchester Cappella Gabetta, lieferten sich die beiden Stars ein kurzweiliges Stimmenscharmützel und feuerten abwechselnd ihre Koloratursalven ins Publikum. Den Zündstoff lieferten weniger bekannte Arien aus Opern von Komponisten wie Händel, Hasse, Porpora und Bononcini.

Zunächst lag Vivica Genaux klar in Führung. Die alaskische Mezzosopranistin – eine hinreißend schöne Frau übrigens – betörte mit ihrem edlen Timbre, berührte in der Liebesklage „Vorreste o mie pupille“ von Attilio Ariosti mit feinen Piano-Farben und beeindruckte durch ihre souveräne Technik – auch wenn die bebende Unterlippe in den virtuosen Passagen etwas putzig aussah. Bei Simone Kermes wirkten die Koloraturen dagegen anfangs noch ziemlich gehetzt, einige Spitzentöne klangen leicht gequiekt – weil sie in ihrem hitzigen Temperament mehr wollte, als die Stimme konnte. Erst nach der Pause holte Kermes auf: Mit der Arie „Villanella nube estiva“ von Geminiano Giacomelli fand sie mehr Ruhe und zauberte auch einige wunderbar zart gehauchte Töne.

Dank ihrer sehr speziellen, von einer urwüchsigen Sinnlichkeit befeuerten Bühnenpräsenz hatte sie das Publikum ohnehin auf ihrer Seite. Keine Frage: Wenn Kermes mit mit ihrer rotblonden Lockenpracht im Takt wippt und dazu rhythmisch mit den Armen zuckt, kommt Leben in die Bude.

Nachdem die beiden sich ausgezofft und mit einem Duett schließlich doch noch versöhnt hatten, kochte die Stimmung im Reitstall auf Popkonzerttemperatur. Diese Einladung nahmen die Sängerinnen dankend an und beamten das Konzert bei den Zugaben in eine andere Welt: mit einem kurzen ABBA-Potpourri von „Gimme! (A Man After Midnight)“ bis „SOS“.

Doch, doch. Auch das haben Sie richtig gelesen. Ein ABBA-Best-of in prähistorischer Aufführungspraxis! Mit zwei Operndiven und groovendem Barockorchester. Krass. Ein fetter Stilbruch, na klar. Aber auch eine Mordsgaudi. Wie das ganze Konzert.