Am heutigen Dienstag beginnen in Altona mit dem Kriegsheimkehrer-Drama „Draußen vor der Tür“ die dritten Hamburger Privattheatertage. Wichtige Impulse kommen oft von den kleinen Häusern und ihren Machern.
Hamburg. Sie arbeiten im und am Kleinen, oft auch im Verborgenen. Und das Private ist bei ihnen immer auch politisch. Ohne das vielschichtige Wirken der kleinen Hamburger Bühnen und den Idealismus ihrer Betreiber würden auch den Hamburger Privattheatern wichtige Impulse fehlen. Fast alle großen gehören vom 17. bis 29. Juni zu den Spielstätten der dritten Hamburger Privattheatertage. Die von Intendant Axel Schneider initiierte Leistungsschau zwölf ausgewählter bundesweiter Gastspiele wird am heutigen Dienstag (19.30 Uhr) in Altona vom Theater in der Altstadt Stuttgart mit dem Kriegsheimkehrer-Drama „Draußen vor der Tür“ eröffnet. Schneider hat als guter Gastgeber auch die meisten Macher der hiesigen kleinen Bühnen eingeladen – wenn sie denn überhaupt Zeit haben.
Beispiel Heiko Schlesselmann. Nur an zwei von 20 Vorstellungsabenden pro Monat ist er nicht auf dem Theaterschiff, seit er 2012 als Nachfolger seiner Eltern die Geschäftsführung des traditionsreichen Hamburger Kulturdampfers im Nikolaifleet übernahm. Sogar wenn Schlesselmann wichtige Termine hat, muss er sie früher beenden, weil er um 18 Uhr selbst die Abendkasse öffnet. „Kultur ist kein Spaziergang“, hat Schlesselmann festgestellt, es gebe in Hamburg eben ein riesiges Angebot.
Ein Alleinstellungsmerkmal für literarisches Kabarett und Kleinkunst wie unter dem Gründer Eberhard „Möbi“ Möbius hat das Schiff nicht mehr. Umso mehr setzt Schlesselmann auf den persönlichen Kontakt. „Theater lebt davon, dass man den Gast abholt“, meint der Geschäffsführer. „Morgens bestellt er bei uns die Karten, abends geleiten wir ihn dann an den Platz.“ Und für die Gastkünstler kauft er vormittags sogar nach Wunsch ein, schmiert ihnen Brote und stellt einen frischen Obstkorb hin. Für die Probenarbeit der Ensemble-Mitglieder kann Schlesselmann jedoch nichts zahlen.
Ähnlich verhält es sich auf den meisten der anderen kleinen privaten Bühnen, etwa im MuT!-Theater. An der Eimsbütteler Amandastraße unweit der Schanze hat Mahmut Canbay das Theater mit 80 Plätzen im Jahr 2005 in einem Mietshaus gegründet. Canbay, der von sich lachend sagt „Ich bin Hamburger und geprüfter Deutscher“, setzt auf ein interkulturelles Konzept. Manchmal überrascht den seit 25 Jahren hier lebenden Theatermacher mit kurdischen, türkischen und armenischen Wurzeln der Zuschauerandrang. Als der beim Gastspiel von „Fast Faust“, einem absurden Stück nach Goethes Tragödie, größer war als erwartet, klingelte Canbay verzweifelt im Nachbarhaus. „Gut, dass eine nette Nachbarrin da war“, erzählt er. „Sie kam zum ersten Mal ins Theater und hat mir gleich an der Kasse geholfen.“ Außer um die Einnahmen musste sich Canbay noch um die Künstlerbetreuung und die Bar kümmern.
Er hat nur eine halbe Stelle als Intendant, normalerweise einen Techniker und Künstlerbetreuer, der bei ihm ein Freiwilliges Soziales Jahr leistet, und einen Pressemann auf 450-Euro-Basis sowie zehn freie Schauspieler. „Wir geben alles für das Theater“, sagt Canbay. Er will mit seinem multikulturellen Theater Brücken bauen und immer auch deutsches Publikum ansprechen. Mit nur 25.000 Euro institutioneller Förderung pro Spielzeít von der Kulturbehörde und Geld von Stiftungen versucht der studierte Theaterpädagoge, das MuT!-Theater auf Basis eines Drei-Säulen-Modells zu betreiben: Eigenproduktionen, Gastspiele Projekte mit Kindern und Jugendlichen.
Letztgenannte kann das kleine Hoftheater derzeit nicht bieten. Das 120-Plätze-Haus hat sich seit dem Umzug 2006 von Wandsbek nach Horn jedoch zum beliebten Quartierstheater im Hamburger Osten entwickelt. „Für uns hat sich damit ein Lebenstraum erfüllt, das Finanzielle ist zweitrangig“, sagt Claudia Isbarn. Mit Schauspielkollegin Petra Behrsing führt sie das Haus auf Basis zweier Mini-Jobs. Mit 15.000 Euro institutioneller Förderung ist das Hoftheater Schlusslicht unter den Kleinen. Dank sieben Neuinszenierungen – Renner war zuletzt die Krimikomödie „Arsen und Spitzenhäubchen“ –, Musicals, Kabarett und einem Märchen haben es Isbarn und Behrsing dennoch geschafft, etwaige Hemmschwellen abzubauen. Ihr Motto „Wo Theater Spaß macht!“ goutieren jährlich 12.000 Besucher bei 81 Prozent Auslastung.
„Ich kann vom Theater leben, aber wir müssen regelmäßig kämpfen“, sagt Ulrike von Kieseritzky. Seit 1997 bereits managt sie das Monsun Theater in Ottensen. Seitdem hat sich das Monsun – bei Stücken für Erwachsene nur für 79 Plätze ausgelegt – zur Vorzeigebühne unter den kleinen hiesigen Privattheatern entwickelt. Vier Rolf-Mares-Preise in den vergangenen Jahren zeugen davon. Mit „Am Anfang der letzten Nacht“ habe sich ein weiteres zeitgenössissches Stück der Regisseurin Nina Pichler und der Autorin Nino Haratischwili gut verkauft, sagt v. Kieseritzky.
Mehr als 200 Veranstaltungen bietet das Monsun pro Spielzeit. „Das größte Problem ist, dass wir keinen festen Techniker bezahlen können“, meint die Leiterin. Sie sei zwar gewiefter geworden, was das Erschließen von Geldquellen wie etwa bei Stiftungen angeht. „Aber ohne Idealismus geht es auch heute noch nicht“, sagt die Grande Dame der kleinen Bühnen. „Sieben Tage und Nächte pro Woche“ sei sie für ihr Haus unterwegs. Für die Eröffnung oder die Gala der Privattheatertage will v. Kieseritzky sich indes Zeit nehmen. Kontaktpflege ist ja auch Teil der Arbeit.
Hamburger Privattheatertage Di 17.–So 29.6., in sechs Häusern, Karten unter der Abendblatt-Tickethotline T. 30 30 98 98; Programm im Internet: www.privattheatertage.de