Die Hamburger Schauspieler Jennifer und Michael Ehnert wagten mit ihrer Action-Comedy „Küss langsam“ den Sprung nach New York. Mit „Kissin’ Impossible“ locken weitere Gastspiele in der US-Metropole und in Indien.

Hamburg. „Rocky“ hat den großen Schlag schon gelandet. Das jüngst mit einem Tony Award ausgezeichnete Musical aus dem Hamburger Operettenhaus läuft am New Yorker Broadway. Auch das bundesweit tourende Hamburger Ehe- und Künstlerpaar Michael, 46, und Jennifer Ehnert, 42, hat sich in diesem Frühjahr zu einem schauspielerischen Abenteuer-Trip aufgemacht: Es hat seinen komischen und actionreichen Beziehungskampf „Küss langsam“ ins Englische („Kissin’ Impossible“) übersetzt, um erstmals in New York spielen zu können. Und nach ihrer Rückkehr bahnt sich an, dass die Ehnerts ihr hierzulande viel gelobtes Action-Comedy-Stück künftig zweisprachig geben werden – womöglich sogar in Indien. Das Deutsche Theater in München hat die beiden Schauspieler für Ende März 2015 nach dem deutschen erstmals auch für ein englisches Gastspiel engagiert. Ebenso haben die Ehnerts eine weitere Einladung nach New York erhalten, wie sie im Abendblatt-Interview erzählen.

Hamburger Abendblatt: Michael, Jennifer, haben Sie Ihren Trip nach New York zu irgendeiner Phase mal bereut?

Michael Ehnert: Nein, keine Sekunde. Es war in jeder Hinsicht eine gigantische Erfahrung: spannend, lustig, horizonterweiternd ...

Jennifer Ehnert: .... nur nicht besonders lukrativ (lacht). Aber es war ja klar, dass wir in drei Vorstellungen nicht die ganzen Produktionskosten für Flüge und Hotel wieder einspielen würden.

Michael: Darum ging's aber auch gar nicht. Sondern darum, die schauspielerische Komfortzone zu verlassen. In einer fremden Sprache und in einer fremden Umgebung zu arbeiten, ohne zu wissen, wie das Ganze ausgeht. Abenteuer eben! Neue Türen aufmachen. Sich neuen Herausforderungen stellen.

Sie haben sich die Auftrittsorte für „Kissin’ Imposible“ in New York selbst besorgt. Wie war die Atmosphäre?

Jennifer: Wir haben genau genommen bei null angefangen. Über ein Jahr haben wir gebraucht, die drei Vorstellungen im Players Club und im Harvard Club zu organisieren. Und so viele Freunde habe ich dort nun auch nicht, dass wir damit drei Vorstellungen hätten füllen können. Es war also wichtig, das auch andere New Yorker zu uns kommen. Und das war nicht ganz so einfach. Ohne großen Werbeetat in einer Acht-Millionen-Stadt ...

Michael: Aber unser Freund Jonathan Davis vom Harvard Club hat kräftig die Werbetrommel gerührt. Hat uns eingeladen zu einem Event zu Shakespeares 450. Geburtstag und uns den geladenen Gästen empfohlen. Wir haben dort Harvey Keitel getroffen und Frank Langella, der in „Frost/Nixon“ den Präsidenten spielte. Da Jennifer und ich das Stück in den Hamburger Kammerspielen ja auch gespielt haben, hatten wir gleich ein Gesprächsthema.

Hatten Sie beim New Yorker Publikum anfängliche Skepsis verspürt? Ist es zurückhaltender als das deutsche Theaterpublikum?

Jennifer: Überhaupt nicht. Im Gegenteil, es gibt ein riesiges Interesse an Input aus Europa. Und es ist auch erstaunlich, wie viele Leute sich Deutschland familiär verbunden fühlen. Irgendwie hat jeder einen Großonkel oder Urgroßvater aus Deutschland. Sowohl der Players Club als auch der Harvard Club sind aber natürlich sehr gediegene Spielorte. Holztäfelungen, Ölgemälde, Ledersessel – keine Comedybühnen, wo man als Zuschauer auf die Stühle steigt. Aber ausgiebig gelacht wurde trotzdem. Vor allem gab es aber anschließend wirklich euphorische Rückmeldungen. Im Gästebuch unserer Website und in direkten Gesprächen.

Michael: Dass das Thema „Beziehungskampf“ in New York genauso daueraktuell ist wie in Hamburg war ja anzunehmen. Aber dass man die ganze Erzählstruktur des Stückes und vor allem auch die zahlreichen Deutschlandbezüge begreift und so honoriert, das konnten wir natürlich nicht vorher wissen. Jennifer hat als Übersetzerin eben auch einen echt guten Job gemacht.

Jennifer, Sie kannten New York ja schon von Ihrer Ausbildung am Lee-Strasberg-Institut. Wie sind dort die Arbeitsbedingungen für Schauspieler und die Situation kleiner Theater im Vergleich zu Hamburg?

Jennifer: Die Theaterstruktur ist natürlich eine völlig andere. Es gibt keine staatlichen Subventionen, man hat dort insofern noch mehr zu kämpfen. Die Theater im Allgemeinen, aber eben auch die Schauspieler im Einzelnen. Allerdings führt das auch zu einem anderen Spirit. Jeder weiß um die Härten der Branche, und man hat schon den Eindruck, dass einem als Künstler mehr Wertschätzung entgegengebracht wird. Die Branche scheint dort viel durchlässiger zu sein. Da kann es schon mal sein, dass man nur kleine Rollen in kleinen Theatern spielt und dann aber doch von Woody Allen zum Casting eingeladen wird.

Michael: Gerade in Hamburg scheint es dagegen ja eher wenig Bewegung zu geben. Viele Künstler wandern ab nach Berlin, weil es dort etwas mehr Bereitschaft gibt, Schauspieler auch mal in einem anderen Blickwinkel zu sehen. Und in New York hat man schon den Eindruck, dass es ein viel geringeres Schubladendenken gibt. ‚Du bist kein Native Speaker? Du kommst aus Deutschland? Na und? Zeig mir, was du machst, was du kannst!‘ Allein das zählt.

Jennifer: So etwas fordert dich ungemein, beflügelt aber eben auch.

Michael: Gleichzeitig gibt es in den USA viel stärkere Gewerkschaften.

Jennifer: Wenn man da als Schauspieler einmal drin ist, muss man sich keine Gedanken machen über faire Arbeitsbedingungen und Lohn. Davon können wir als deutsche Schauspieler nur träumen. Aber zum Glück gibt's jetzt auch hier eine Actors Union, den BFFS. Die steht zwar erst am Anfang, legt sich aber mächtig ins Zeug.

Wird es ein weiteres Gastspiel in New York geben?

Michael: Wir haben ja nach wie vor kein Theater und keine Produktionsgesellschaft hinter uns, die uns den Weg nach New York ebnen. Insofern wird es ein Risiko bleiben. Trotzdem planen wir schon jetzt fürs Frühjahr 2015 ein erneutes und dann deutlich längeres Gastspiel in New York. Lorcan Otway vom Theatre 80 hat unsere Vorstellung im Harvard Club gesehen und uns eingeladen, für ein zweiwöchiges Gastspiel im Februar und März wiederzukommen in sein sehr schönes 200-Plätze-Theater im East Village.

Jennifer: Um das organisiert und vor allem aber auch um das Haus gefüllt zu bekommen, brauchen wir einen PR-Agenten vor Ort. Wenn also jemand unter den Abendblatt-Lesern da Kontakte hat ... (lacht).

Michael: Übrigens sind wir von einem indischen Veranstalter auch zu einer Tournee nach Indien eingeladen worden. Verrückt, oder?

Verrückt ist auch, dass Sie für Ihre Dokumentation „Kissin’ The Apple zuvor per Crowdfunding 12.900 Euro gesammelt haben und ihr New-York-Abenteuer somit in einem Film festhalten konnten. Gibt es ihn auch irgendwann zu sehen? Und wie zeigen Sie sich Ihren Spendern gegenüber erkenntlich?

Jennifer: Was wir in diesen zwei Wochen in New York erlebt haben, war wirklich abenteuerlich. Insofern sind wir sehr froh, dass wir die Filmemacher Ole Zapatka und Karsten Böttcher dabeihatten, die alles immer und in jeder Situation dokumentiert haben. Als Schauspiel-Duo aus Hamburg wäre der NDR der ideale Sender für diese Doku.

Michael: Ole hat versucht, aus 90 Stunden Filmmaterial die aufregendsten 90 Minuten herauszusuchen. Und wir arbeiten derweil unsere Dankeschönliste ab. Unsere Startnext-Supporter bekommen für ihre Spenden an uns unterschiedliche Geschenke. Sechs Leute haben ein vegetarisches Vier-Gänge-Menü chez Ehnert gewählt, die werden wir bekochen. Und drei Supporter haben sogar ganze Vorstellungen gekauft. Bei denen spielen wir jetzt als Dankeschön „Küss langsam“ im Wohnzimmer.

Jennifer: Oder in der Küche. Je nachdem, wo die sich sonst so streiten.