Mit der englischen Version ihrer Action-Comedy „Küss langsam“ gastieren die Hamburger Schauspieler Jennifer und Michael Ehnert im April erstmals in New York. Ab Montag spielen sie noch mal Lustspielhaus.
Hamburg. Manche Spaziergänger in Othmarschen guckten schon verschreckt. Ein Paar, das auf den ersten Blick doch so harmonisch wirkt, wirft sich Kraftausdrücke an den Kopf und streitet sich lautstark im Park am Beselerplatz. Jennifer und Michael Ehnert lassen derzeit keine Gelegenheit und keinen Ort aus, um für ein ungewöhnliches Projekt zu proben – auf Englisch. Denn was „Rocky“, das Hamburger Erfolgsmusical aus dem Operettenhaus, kann, wagen sie mit kleinen, theatralischen und innovativen Mitteln auch.
Die Ehnerts wollen New York erobern – mit ihrem Action-Comedy-Stück „Küss langsam“ Die Idee hatte das Hamburger Schauspieler-Paar schon vor eineinhalb Jahren, in diesem April wird es ernst. „Das ist schon extrem anstrengend. Tagsüber proben wir auf Englisch, abends spielen wir dann das Gleiche noch mal auf Deutsch“, sagt Michael Ehnert. Der Schauspieler, Kabarettist, Autor und Regisseur, auf dessen Visitenkarte vor Jahren selbstironisch der Zusatz „Großmaul“ prangte, ist im Zuge der Arbeiten für die US-Premiere fast kleinlaut geworden.
Während der in Mümmelmannsberg aufgewachsene Michael, bekannt geworden als kabarettistischer Straßenkämpfer neben dem heutigen „Caveman“ Kristian Bader im Bader-Ehnert-Kommando (BEK), den Englisch-Unterricht im Gymnasium als Teenager nur sporadisch besucht hatte, lebte Jennifer Ehnert mit einer Unterbrechung insgesamt sieben Jahre in New York und spricht englisch perfekt mit amerikanischem Akzent. Er pendelte einst für Auftritte und Kurzauftritte zwischen Kulturpalast Billstedt, dem Stadtteilkulturzentrum Lola in Bergedorf und der „Schmidt Mitternachtsshow“ auf St. Pauli, sie studierte Schauspiel bei Lee Strasberg und schlug sich nebenbei als eine der ersten Amateur-Boxerinnen im Madison Square Garden durch.
„Als ich mit Michael das Stück zum ersten Mal gespielt hab, war das für mich ein großes Wagnis“, erinnert sich Jennifer Ehnert daran, als „Küss langsam“ in der Regie Martin Blaus 2011 im Altonaer Theater Premiere hatte. Auf einer leeren Bühne, aber mit ganz viel deutschem Text. Ihr Gatte hatte gleich 2005 nach seiner erfolgreichen Zeit im BEK für sein erstes, autobiografisch überhöhtes Soloprogramm „Mein Leben“ den Deutschen Kabarettpreis und den Prix Pantheon bekommen – nur der Auftakt einer Trilogie mit seiner ganz eigenen Mischung aus Kabarett, Comedy, Theater und Film. Jetzt indes ist es genau umgekehrt: Im Alter von 46 Jahren muss Michael in der fremden Sprache erst mal auf Augenhöhe mit seiner Partnerin kommen. Eine doppelte Herausforderung, nachdem beide das Stück mehr als 200-mal im gesamten deutschsprachigen Raum aufgeführt haben.
Angesichts des großen Erfolgs hätten sie noch drei Jahre so weitermachen und dann „Küss langsam 2“ produzieren können, meint Michael Ehnert. „Das wollten wir aber nicht, denn unter Kunst verstehen wir, Grenzen auszuloten, zu gucken, was geht – und vor allem niemals den leichtesten Weg zu gehen.“ Stattdessen erzählen sie bald den New Yorkern in ihrer amüsanten Tour de Force, wie es bei einem Paar zugeht, das wenige Stunden vor dem Scheidungstermin steht und sich zofft. Wie gehabt als Rosenkrieg, der teilweise in eine Filmhandlung eingebettet ist und auch in der Elbphilharmonie spielt.
New Yorker Freunde haben ihnen drei Spieltermine und gleich zwei Auftrittsorte vermittelt: am 22. und 25. April im Players Club, einer kleinen Bühne am Gramercy Park in Manhattan, sowie zusätzlich im Harvard Club. Michael Ehnert: „Das ist ein exklusiver Club von 200 Mitgliedern und ein Szenetreff für Schauspieler.“ Zu den Mitgliedern zählt auch Oscar-Gewinner Kevin Spacey („Die üblichen Verdächtigen“, „American Beauty“). Zusätzlicher Reiz: Das Fest im Harvard Club am 23. April wird mit dem 450 Geburtstag William Shakespeares verbunden, zu dem auch Frank Langella erwartet wird. Er verkörperte Richard Nixon im Theater und im Oscar-prämierten Film „Frost/Nixon“. Weil Ehnert vor vier Jahren in der gefeierten Hamburger Kammerspiele-Produktion „Frost/Nixon“ an der Seite Volker Lechtenbrinks den britischen Talkmaster David Frost gab (Jennifer Ehnert spielte die Journalistin Caroline Cushing), dürfte auch mit Langella für Gesprächsstoff gesorgt sein.
Bisher sind die Ehnerts in New York No-Names. Dank „Kissin impossible“ soll sich das ändern. Zumal die Hamburger Schauspieler ihr Abenteuer in einem Film dokumentieren. Über die Crowdfunding-Platform startnext.de haben sie rechtzeitig 12.900 Euro an Spenden eingeworben, damit Regisseur und Kameramann Ole Zapatka sowie Tonmann Karsten Böttcher sie begleiten können. Arbeitstitel: „Kissin the Apple“.
Jennifer Ehnert hat derweil 100 Seiten Textfassung ins Englische übersetzt. „Für eine große Broadway-Produktion ist unser Stück sicher zu klein“, sagt die 41-Jährige, aber für den Off-Broadway sei es durchaus denkbar. Statt auf Deutsch mit dem Satz „Echte Männer tragen keine kurzen Hosen, du Bubi“ geht sie ihren Partner jetzt verbal etwas härter an: „Real men don’t wear shorts, you pint sized midget“, heißt es.
Ob Michael Ehnert seine „Kampfelfe“ wie von ihr übersetzt als „Sugarsoldier“ anbrüllt, ist – nach der Derniere auf Deutsch diese Woche im Lustspielhaus – am 17. April bei einer englischen Preview im Theater an der Marschnerstraße zu hören. Schon tags darauf machen die Ehnerts den Abflug. New York wartet.
„Küss langsam“ Mo 7.–Do 10.4., jew. 20 Uhr, Lustspielhaus, Ludolfstr. 53, Karten unter T. 55 56 55 56; www.almahoppe.de
„Kissin impossible“ Do 17.4., 20 Uhr, Hamburg Players, Marschnerstr. 46, Eintritt 15,-