Die US-Schauspielerin spricht im Interview von ihrer schwierigen Rolle als Dunkle Fee in „Maleficent“, eigenen Regieplänen und von ihrer Arbeit für das Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen.

London. Nach vier Jahren Pause ist Angelina Jolie jetzt wieder auf der Leinwand zu sehen. In der Dornröschen-Geschichte „Maleficent“ spielt sie die Titelfigur, die die Königstochter mit einem Fluch belegt. Eine Figur, die in größtmöglichem Kontrast zu dem steht, wie die 38-Jährige sonst wahrgenommen wird: als eine Heldin unseres Zeitalters. Wir sprachen mit Angelina Jolie nach der Premiere von „Maleficent“ in London. Donnerstag kommt der Film in die Hamburger Kinos.

Hamburger Abendblatt: Angelina Jolie, wie kommt es, dass gerade Sie, die Sie als Hollywoods Heilige gelten, nun die dunkle Fee darstellen?

Angelina Jolie: Ich habe die böse Fee schon als kleines Mädchen geliebt, von allen Disneyfiguren war sie mir die liebste, auch wenn ich natürlich etwas Angst vor ihr hatte. Als Erwachsene hat mir besonders ihr schwarzer Humor gefallen. Sie genießt es sichtlich, böse zu sein. Wir erzählen auch ihre persönliche Vorgeschichte, die sie überhaupt zu der bösen Person werden ließ.

Kann eine Figur wie „Maleficent“ überhaupt einen Vorbildcharakter haben?

Jolie: Ich glaube, Elle Fanning, die die Königstocher spielt, wäre dazu besser geeignet! Was Maleficent als Identifikationsfigur ausmacht, ist, dass sie nicht als böser Mensch zur Welt kam. Sie wurde missbraucht, das machte sie zu einem anderen Menschen. Und das kennen wir ja alle, dass uns etwas völlig verändert und man sein Vertrauen in die Welt verliert. Dann zieht man Mauern um sich hoch und kultiviert dahinter seinen Zorn.

Welches waren in Ihrem Leben diese Momente der Enttäuschung, in denen Sie Mauern um sich gebaut haben?

Jolie: Die möchte ich lieber für mich behalten. Doch es gab einige, natürlich.

Ist eine überzeichnete Märchenfigur für Sie überhaupt eine Herausforderung?

Jolie: Die dunkle Fee ist sogar meine schwierigste Rolle, weil sie alles vereint, was menschlich ist, ohne menschlich zu sein. Denn: Wie kann ein Mensch ein kleines Baby bloß mit einem Fluch belegen? Dieser Trip war für mich schwieriger, als ich angenommen habe. Maleficent ist leicht verrückt, temperamentvoll, böse, sehr direkt und hat Sinn für Humor. An so eine Figur mit ihren Hörnern und anderen Absonderlichkeiten kannst du nicht halbherzig herangehen.

Es sieht auch eher so aus, als habe es Ihnen viel Spaß gemacht, diese Symbolfigur des Bösen zum Leben zu erwecken.

Jolie: Stimmt, unglaublich viel Spaß! Zuerst hatte ich Angst, dass wir es mit der ersten Verfilmung nicht aufnehmen können, weil die einfach perfekt war: cool, elegant, eindrucksvoll, mit einer sehr ausdrucksstarken Stimme. Ich bin ja keine Theaterschauspielerin, deswegen ist es mir schwergefallen, meine Stimme entsprechend klingen zu lassen. Also habe ich die bizarre und alberne Seite in mir zum Klingen gebracht.

Was für eine Rolle spielen Märchen in Ihrem Leben?

Jolie: Als Mädchen hatte ich damit nicht viel am Hut, mit den Disney-Prinzessinnen konnte ich mich gar nicht identifizieren. Was mir nicht gefällt, sind die krassen Schwarz-Weiß-Darstellungen zwischen Gut und Böse und das Happy End. Meine eigenen Kinder sind ganz vernarrt in die japanische Märchenserie „Tashi“. Ansonsten denke ich mir für sie Geschichten aus.

Wovon handeln denn die jolieschen Märchen?

Jolie: Sie sind ziemlich bizarr, und meine Kids kommen auch selbst als Figuren darin vor. Die Geschichten sollen eine Moral haben, das ist es, was ich an meine Kinder weitergeben möchte, wenn ich ihnen Geschichten erzähle – was ich übrigens jeden Abend tue!

Haben Sie die Hörnerfee abends an Ihrer Haustür stehen lassen? Oder haben Sie Ihre Familie zu Tode erschreckt?

Jolie: Das müssen Sie sie fragen! Ich finde ja, ich habe Maleficent gut abschütteln können und war überaus liebenswürdig zu ihnen. Gerade weil sie so ein Biest ist, konnte ich spielerisch an sie herangehen. Anders ist es, wenn ich eine tragische, dramatische Rolle spiele. Deren Gewicht nehme immer oft mit nach Hause. Hier bin ich eher in alberner Laune heimgekehrt. Und habe auf die Bitte der Kinder hin mit Maleficents Stimme weitergeredet. Das fanden sie zum Schreien komisch.

Ihre Tochter Vivienne spielt auch eine kleine Rolle als junge Königstochter. Haben Ihre Kinder schauspielerische Ambitionen?

Jolie: O Gott, ich hoffe nicht! Brad und ich haben unsere Kinder nie dazu ermutigt, in Filmen mitzuspielen, und werden das auch weiterhin nicht tun. Sie sollen in erster Linie glücklich sein und das tun, was sie wirklich wollen. Aber Vivienne brauchten wir tatsächlich, weil wir eine Fünfjährige suchten, die bei meinem Anblick nicht gleich zu Stein erstarrte oder zu weinen anfängt – wie alle gecasteten Kinder. Vivienne war die Einzige, die keine Angst vor mir hatte. Für uns als Eltern ist es aber auch ziemlich seltsam, unsere süße Kleine in einem Film zu sehen.

Wie schaffen Sie es, dass Ihre Kinder als höflich und wohlerzogen gelten und keine verrückten Hollywood-Gören werden?

Jolie: Wir leben ja nicht nur in Hollywood, sondern reisen mit ihnen in die unterschiedlichsten Teilen der Welt, auch zu meinen Uno-Reisen nehme ich sie gern mit. Sie sollen erfahren, dass es auch noch andere Welten gibt. Es soll ihnen bewusst sein, dass die Annehmlichkeiten unseres Lebens ein Privileg sind. Und wenn wir an andern Orten sind wie in Kambodscha, sollen sie sich auch ohne diese Privilegien genauso wohlfühlen.

Arbeiten Sie nur noch „nebenbei“ als Schauspielerin, seit Sie Regie führen und sich als Uno-Botschafterin engagieren?

Jolie: Ich habe mich aus der ersten Reihe zurückgezogen und bin wählerischer. Denn ich kann schon auf sehr viele schöne Projekte zurückschauen. Ich möchte in Zukunft öfter eigene Drehbücher schreiben und Regie führen – und mich natürlich für das Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen einsetzen. Vom 10. bis zum 13. Juni findet zum Beispiel in London die Konferenz zum Thema „Sexuelle Gewalt in Kriegsgebieten“ statt, auf der ich sprechen werde. Hoffentlich werden viele Leute kommen, die Veranstaltung ist ja öffentlich.

Ihr Name steht auf einer Liste der 100 einflussreichsten Menschen der Welt. Was bedeutet Ihnen das?

Jolie: Ich wette, ich stehe auch auf einigen merkwürdigen Listen! Ich glaube, das bezieht sich auf Brad und mich, und einige Entscheidungen, die wir mit unserer Arbeit als Philanthropen getroffen haben. Die Liebe zu Menschen ist ein wichtiger Aspekt unseres Lebens, und es ist uns wichtig, einige Ziele zu erreichen wie Erziehungsprogramme für Kinder in Kriegsgebieten.

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