Das NDR Sinfonieorchester kombiniert in der nächsten Saison Modernes mit Klassikern und hat mit der Geigerin Lisa Batiashvili erstmals eine Residenzkünstlerin.

Hamburg. Drei Jahre nach seinem Amtsantritt beim NDR Sinfonieorchester und drei Jahre vor der geplanten Eröffnung der Elbphilharmonie sind die öffentlich-rechtlichen Musiker und ihr Chefdirigent Thomas Hengelbrock offenbar nach wie vor in einem Zustand überlanger Flitterwochen. Klangkörperchefin Andrea Zietzschmann, seit letztem Herbst im Amt, schwärmt von der „Aufbruchstimmung“ und von den programmatischen Perspektiven, die das neue Konzerthaus bietet. Die nächste Spielzeit soll diesen Weg dorthin weiter weisen und ebnen, mit einer Mischung, die bei aller Konstanz auch einige neue Akzente setzt.

Einer der interessantesten stammt aus Georgien und weicht sympathisch stark vom Virtuosinnen-Klischee ab: Die Geigerin Lisa Batiashvili wird die erste Residenzkünstlerin (ein Amt, das sie zeitgleich auch beim New York Philharmonic übernimmt), immerhin drei Hamburger Konzertkonzepte passten noch in Batiashvilis vollen Terminkalender: das Brahms-Konzert, dirigiert von NY-Phil-Chef Alan Gilbert, als Pflichtstück am Johannes-Brahms-Platz, mit ihrem Mann, dem Oboisten François Leleux, die Uraufführung eines eigens bestellten Doppelkonzerts von Thierry Escaich, Kammermusik als anregendes Projekt mit Gleichgesinnten aus dem Orchester.

In der nächsten Spielzeit widmet sich Hengelbrock stärker Zeitgenössischem

Doch auch Hengelbrock selbst hat einiges auf seiner Chef-Agenda. Den Publikumsrenner „Opening Night“, diesmal eine „Italienische Nacht“, bestückt er mit einer selbst kombinierten Arienmischung unter anderem für die Sopranistin Nuria Rial, die im Barock ansetzt und im Verismo endet. Weil viele beim Namen Hengelbrock nach wie vor an Spezialistentum im Bereich der Alten Musik denken, widmet er sich jetzt stärker dem Zeitgenössischen. 2003 vollendete Jan Müller-Wieland nach Texten aus dem Buch Hiob das Melodram „König der Nacht“, die Premiere der sinfonischen Großfassung mit Klaus Maria Brandauer als Sprecher wird Teil von Hengelbrocks Pultarbeits-Pensum sein. Ebenso Jörg Widmanns „Dunkle Saiten“ für Cello, zwei Frauenstimmen und Orchester, dem als anziehender Gegensatz-Klassiker Beethovens Fünfte folgt. Und beim „Lux Aeterna“-Festival im Frühjahr 2015 kombiniert er Gubaidulinas Violinkonzert (Solistin: Patricia Kopatchinskaja) mit Mahlers Vierter. Daneben steht ein Dreifach-B: Bach mit einer Orchestersuite, das Berg-Violinkonzert und Beethovens Siebte.

Auf der Gästeliste stehen neben bewährten Kräften wie den Ü80-Dirigenten Michael Gielen, Herbert Blomstedt (Bruckners Achte) und dem Duo Christoph Eschenbach / Tzimon Barto auch der neue Erste Gastdirigent Krzysztof Urbanski, die Pianistinnen Yuja Wang und Gabriela Montero oder der Cellist Truls Mørk. NDR-Debütant mit 92 Jahren ist die Kammermusik-Legende Menahem Pressler, als Solist bei einem Mozart-Klavierkonzert unter der Leitung von Semyon Bychkov. Der Geiger Nikolaj Znaider, mittlerweile auch als Dirigent tätig, ist in dieser Funktion eine weitere Premiere. Das beliebte Genre der Filmkonzerte auf Kampnagel wird nicht mit einem Klassiker, sondern dem oscarprämierten 2011er-Stummfilm „The Artist“ bestückt. Auf neue, jüngere Hörer zielt das „Game Music Live“-Konzert ab, das Computerspiele-Soundtracks bietet. Genregrenzenüberschreitend wird auch die Zusammenarbeit von NDR-Orchester und -Bigband bei einem Varèse/Zappa-Projekt mit dem interessanten Titel „Aerobics in Bondage“, das Varèses „Déserts“ für Bläser, Percussion, Klavier und Tonband entdecken lässt.

Auswärtsspiele finden unter anderem beim „Prager Frühling“ statt, das Eröffnungskonzert sogar, als erstes deutsches Orchester, mit Smetanas „Mein Vaterland“. Auch Säle in Japan, China und Südkorea haben den NDR für Tournee-Termine gebucht. Kleiner Wermutstropfen für die örtliche Kundschaft: Nach drei Jahren werden die Preise erhöht – für Einzelkarten um jeweils zehn Prozent, bei Abo-Angeboten fällt der Anstieg flacher aus.