Das Archäologische Museum zeigt vom 7. Mai an einen spektakulären Münzfund – es ist der größte, der jemals in Hamburg zutage gefördert wurde.
Hamburg. Der Ausstellungstitel ist ein wenig irreführend, denn „Napoleons Silberschatz“ klingt zwar gut, legt aber natürlich den Schluss nahe, hier gehe es um die Kleinodien des französischen Kaisers. Obwohl das eindeutig nicht der Fall ist, erzählt die Ausstellung, die das Archäologische Museum Hamburg am 7. Mai eröffnet, eine überaus spannende Geschichte, in der es um große europäische Ereignisse und archäologische Entdeckungen, um die Hamburger Geschichte zu Beginn des 19. Jahrhunderts und um ein Geheimnis geht, das sich wahrscheinlich niemals lüften lässt, das unsere Fantasie aber gerade deshalb beflügelt.
Im Mittelpunkt stehen 8795 Silbermünzen, die jemand vermutlich 1814 in großer Eile vergraben hat, ohne jemals wieder in ihren Besitz zu gelangen.
Das letzte Kapitel dieses Schatzdramas ereignet sich am 19. April 1993, als Mitarbeiter des Kampfmittelräumdienstes der Hamburger Baubehörde ein Grundstück in der Hafensiedlung im Norden von Kirchdorf untersuchen. Eigentlich suchen sie einen Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg, doch als die Metalldetektoren anschlagen, fördern sie keine englische Fliegerbombe zutage, sondern die Reste eines Holzeimers, in dem sich schwere Klumpen befinden, die in Tücher gewickelt sind.
Zunächst wissen die Finder nicht, womit sie es hier zu tun haben. Beim Bergen fallen schließlich einige lose Teile heraus, die sich als Silbermünzen erweisen. Sofort verständigt der Kampfmittelräumdienst das Museum für Hamburgische Geschichte, dessen Numismatiker die Kollegen von der Bodendenkmalpflege am damaligen Helms-Museum einschaltet. Als die Experten den inzwischen in zwei Plastikeimer abgefüllten Fund und später auch die Fundstelle inspizieren, ist ihnen schnell klar, dass es sich um eine ganz außerordentliche Entdeckung handelt. „Wir haben es eindeutig mit dem größten Münzfund zu tun, der jemals in Hamburg zutage gefördert wurde“, sagt Rainer-Maria Weiss, der Direktor des Archäologischen Museums.
Etwa 24 Kilogramm wiegen die knapp 9000 Münzen, die man zunächst kaum erkennen kann, da sie völlig verschmutzt und korrodiert sind. So dauert es fast zwei Jahrzehnte, bis die Experten die Münzen restauriert und wissenschaftlich ausgewertet haben. Nach und nach können die Museumsmitarbeiter zumindest die Rahmenbedingungen klären, die wohl vor ziemlich genau zwei Jahrhunderten dazu geführt haben, dass der Schatz offenbar auf einem offenen Feld vergraben wurde.
Und hier setzt die Ausstellung an, die nicht nur die interessantesten Münzen so präsentiert, dass die Besucher sowohl deren Vorder- als auch Rückseite betrachten können, sondern mit Dioramen, Bildern und Dokumenten die „Franzosenzeit“ lebendig macht, nämlich die von 1806 bis 1814 währende Besetzung Hamburgs und dessen Umlands durch napoleonische Truppen. „Eine Münze kann in einer Ausstellung spannend sein, auch zwei oder fünf besondere Geldstücke schauen sich die Besucher vielleicht noch gern an, nicht aber knapp 8000“, sagt Rainer-Maria Weiss und fügt hinzu: „Deshalb mussten wir den Schatz sozusagen zum Sprechen bringen und alle Anhaltspunkte aufzeigen, die aussagekräftig sind.“
Taler, Schillinge oder Pfennige
Zunächst fällt auf, dass es sich überwiegend um Kleingeld handelt. Es sind Taler, Schillinge oder Pfennige, die ab 1689 in Hamburg, Dänemark, Mecklenburg, aber auch in Celle, Hannover, Clausthal oder Berlin geprägt worden sind. „Da es sich überwiegend um kleine Münzen handelt, kann man davon ausgehen, dass wir es hier mit Wechselgeld zu tun haben“, sagt Ausstellungskurator Michael Merkel. Der ursprüngliche Besitzer könnte also zum Beispiel einer jener Händler gewesen sein, die den Wilhelmsburger Bauern Milch abgekauft haben, um sie später auf Hamburger Märkten anzubieten. Vielleicht aber auch ein Müller, der damals über Brau- und Schankrechte verfügte und sich sein Bier in kleiner Münze bezahlen ließ. Oder doch eher ein Deserteur aus der französischen Armee, der die Regimentskasse mitgenommen hatte, sie aber kurzzeitig verstecken musste, um nicht entdeckt und überführt zu werden? Das alles bleibt natürlich pure Spekulation; als relativ sicher gilt lediglich die Annahme, dass hier jemand innerhalb von kurzer Zeit sein Eigentum in Sicherheit bringen wollte.
Die Franzosenzeit war für Hamburg recht ambivalent. Einerseits litt die Wirtschaft unter der Kontinentalsperre, die den Handel mit englischen Waren verbot. Andererseits vollzog sich unter französischer Herrschaft eine erhebliche Modernisierung von Verwaltung und Gesetzgebung. Im Frühjahr 1813 schien alles vorbei zu sein. Russische Truppen marschierten in Hamburg ein, und die Franzosen zogen sich zurück. Aber die Hamburger jubelten zu früh, denn schon nach wenigen Wochen kehrten die Franzosen zurück und zahlten es den aus ihrer Sicht illoyalen Hamburgern kräftig heim. Auch die Veddel, Harburg und Wilhelmsburg waren nun von den Kämpfen betroffen.
Da es oft zu Plünderungen kam, war Besitz natürlich gefährdet. Die versteckten Münzen hatten einen Kaufwert von etwa 618 Talern. Das ist kein riesiger Schatz, aber immerhin ein ansehnliches Vermögen. Ausstellungskurator Michael Merkel vergleicht den Wert ungefähr mit dem, was man heute im Hamburger Umland für eine Doppelhaushälfte bezahlen müsste. Jedenfalls wird der Verlust den Besitzer hart getroffen haben. Ob er damals fliehen musste oder ums Leben kam: Historisch lässt sich das nicht klären. Aber dafür bietet die Ausstellung literarische Antworten in Form von fiktiven Kurzgeschichten, die im Katalog abgedruckt und in der Ausstellung in Hörstationen zu erleben sind. Die Krimiautoren Alexandra Guggenheim, Jürgen Ehlers und Helga Beyersdörfer haben das Geheimnis auf ihre Weise gelöst. Ihre Geschichten erzählen zwar nicht, wie es war, aber – mit viel Gespür für Spannung und historisches Kolorit – wie es gewesen sein könnte.
Napoleons Silberschatz. Archäologisches Museum Hamburg. Museumsplatz 2, 21073 Hamburg, 7.5.–14.9., Di–So 10.00–17.00, Führungen So 15.00–16.00 (3 Euro zzgl. zum Museumseintritt). Am 23. Mai, 19.00, gibt es das literarisch-musikalische Programm „Franzosenzeit“. Der Eintritt ist frei, Anmeldung unter T. 428 71 24 97 erforderlich.