Vor zwölf Jahren kam das Ensemble Resonanz nach Hamburg. In dieser Zeit hat es sein Profil als Spitzenensemble für alte wie neue Musik gleichermaßen geschärft. Die 18 Musiker tragen den Ruf der Stadt auf Tourneen und Festivalauftritten weit in die Welt hinaus. Jetzt hat das Ensemble endlich ein Domizil in Hamburg gefunden, in dem es all seine Aktivitäten unter einem Dach bündeln kann

Hamburg Die Nachricht selbst ist kurz und die beste des bisherigen Hamburger Musikjahrs 2014: Das Ensemble Resonanz hat im Bunker Feldstraße in den ehemaligen Räumen von PPS eine neue, dauerhafte Bleibe gefunden. Nach langen Verhandlungen unterzeichnete Tobias Rempe, Geschäftsführer des Kammerorchesters, Anfang Januar einen Mietvertrag bis 31. Dezember 2023 mit der Option auf weitere zehn Jahre. Die Fläche, die die Resonanzler dort künftig bespielen werden, umfasst insgesamt 650 Quadratmeter. Damit hat die Suche der Musiker nach einem geeigneten zentralen Ort in der Stadt für Proben, kleine Konzerte, Lager und Verwaltung ein Ende gefunden. Die Eröffnung ihres naheliegend auf den Namen „resonanzraum“ getauften neuen Domizils soll im Herbst 2014 sein.

In diesen Tagen beginnt der Umbau. In einer Ecke stapeln sich Berge quadratischer Matten mit dunklem Nadelfilz, die auf den brutal schweren Bodenplatten lagen, unter denen der Vormieter die Versorgungsleitungen zum Verschwinden brachte. Wenn diese Bodenplatten, die auf etwa 30 Zentimeter hohen Stelzen ruhen, rausgewuchtet sind, gewinnt der lichte Raum noch etwas an Höhe. Ansonsten ist die Fläche derzeit leer. Nur eine bis auf den Grund ausgetrunkene Whiskyflasche nebst ihrem Pappkarton steht einsam auf einem Verbandskasten an der Wand. Letztes Überbleibsel einer kleinen Einweihungsparty, die sich die Musiker Ende März in ihrem Rohbau gönnten.

Sie haben wirklich Grund zum Feiern. Die lange Zeit des Lebens als willkommene Gäste der Stadt, nur leider ohne angemessene Herberge, ist vorbei. Vor zwölf Jahren, im Frühjahr 2002, hatte Benedikt Stampa sie als Ensemble in Residence in die Laeiszhalle geholt. Aber einen Proberaum auf Dauer konnte er den Musikern nicht bieten. Jahrelang vagabundierten sie geduldig von Provisorium zu Provisorium. Nirgends durften sie sichtbare Spuren ihres Wirkens hinterlassen, bis sie 2011 im vierten Stock des Kulturhauses 73 am Schulterblatt einen Probensaal gefunden hatten. Weiter unten im selben Gebäude installierten sie ihre Reihe „Urban String“ mit einem spannenden Angebot zwischen Kammermusik und Clubkultur. Und fanden heraus, dass sie von ihrem Stadtgefühl her genau dort hingehören. Denn obschon mittlerweile sogar zum Residenzensemble der Elbphilharmonie gekürt: Richtig wohl fühlen sich die Musiker auf der Schanze. Gleich nebenan, auf St. Pauli, im 1942 nach Plänen Albert Speers errichteten größten Hochbunker Europas, gegenüber dem Fußballstadion, von einem Fenster aus sogar in Blickweite ihres Residenzorts Elbphilharmonie, finden sie nun ihr wirkliches Zuhause.

Ein Team aus Architekten, Akustikplanern und Fachleuten für technische Gebäudeausrüstung arbeitet eng mit den Musikern zusammen, um die geplante Vielfachnutzung bestmöglich vorzubereiten. Gut die Hälfte der Fläche, etwa 350 Quadratmeter, wird zum Proben- und Konzertraum für bis zu 300 Leute. Mehrere meterhohe, in ihrer Achse drehbare Flügeltüren mit einer ästhetisch wie akustisch ausgeklügelten Bespannung trennen oder verbinden den Saal je nach Bedarf mit geräumigen Nebengelassen, die als Stimmzimmer, Lounge und Dramaturgieraum genutzt werden sollen.

Von diesem zentralen Bereich geht es über eine Verbindungstür in den Turm, um dessen Treppenhaus herum sich gut 100 Quadratmeter weitere Fläche falten. Dort sollen zehn Arbeitsplätze entstehen, von denen aus die vielfältigen Aktivitäten des Ensembles administrativ gesteuert werden.

Wie gründlich verankert das Ensemble Resonanz mittlerweile im Bewusstsein von Politik und Gesellschaft ist, zeigt das Zusammenwirken potenter privater Geldgeber mit der Kulturbehörde bei der Finanzierung des Umbaus. Dank über Jahre gewachsener Kontakte und des enorm positiven Images, das sie sich durch ihre künstlerischen Leistungen erworben haben, brachten die Resonanzler zehn Mäzene in einem „Gründerboard“ zusammen. Die gaben 200.000 Euro, dieselbe Summe legte die Kulturbehörde drauf.

„Damit ist ein großer Teil der Investitionssumme des Umbaus gedeckt“, sagt Tobias Rempe. Er hebt hervor, in welchem Ausmaß insbesondere Kultursenatorin Barbara Kisseler „schnell und unkompliziert“ beim Ebnen von Wegen und der Beseitigung von manchem Hindernis geholfen habe. Schon beim ersten Objekt, auf das die Musiker ein Auge geworfen hatten, dem soeben im Schanzenviertel fertiggestellten „Eifflerwerk“ der Stadterneuerungs- und Entwicklungsgesellschaft (steg), erfuhren sie viel Unterstützung aus der Kulturbehörde, mussten das Projekt aber nach dem Gutachten eines Schwingungstechnikers aufgeben. Die Bahn rattert zu nahe vorbei, als dass dort gedeihliches Musizieren möglich gewesen wäre.

„Mit dem ‚resonanzraum‘ schenkt das Ensemble Resonanz der Musikstadt Hamburg ein einzigartiges Projekt: Klassische Musik wird in einer jungen und urbanen Szene salonfähig und auf höchstem künstlerischen Niveau mit pulsierendem Leben gefüllt“, frohlockt Barbara Kisseler. Jörg Bittel, Mäzen aus dem „Gründerboard“, rechnet auf tatkräftige Unterstützung weiterer Geldgeber: „Mit der Idee des ,resonanzraums‘ wird die Welt der klassischen Musik auf eine ziemlich konsequente und furchtlose Art und Weise in die Stadt und zu neuem Publikum hin geöffnet“, sagt er. „Dass dieser Anstoß gerade vom zukünftigen Ensemble in Residence der Elbphilharmonie kommt, finde ich toll. Das kann die Musikstadt Hamburg gut gebrauchen – genauso gut wie das Ensemble weitere Unterstützer dieses großartigen Vorhabens.“

Ende Oktober steht als „belastbarer Termin“ für die Eröffnung im Raum. Die Musiker hoffen auf ein zügiges Genehmigungsverfahren der Baubehörde, denn ein paar architektonische Eingriffe in die auf Ewigkeit angelegten, von meterdickem Beton umschlossenen Räume müssen schon noch sein, damit bald bis zu 270 sitzende Hörer hier Musik erleben können wie nirgends sonst in der Stadt. Das Ensemble Resonanz will sein Bunkerzuhause auch anderen Veranstaltern als Konzertort anbieten und lädt selbst ab Herbst im Monatsrhythmus zur „Urban String“-Reihe.

Bleibt nur zu hoffen, dass auch die institutionelle Förderung des Vorzeige-Ensembles, dessen Musiker zwischen 3. Januar und 1. März dieses Jahres jeden einzelnen Tag probend, konzertierend oder konzertreisend in der Welt unterwegs waren, zügig jenes Niveau erreicht, von dem aus dann auch die Selbstausbeutung ein Ende haben wird.