Eine Ausstellung in der Kunsthalle widmet sich der romantischen Arabeske als Gestaltungsprinzip. Zu Besichtigen gibt es Werke von Künstlern wie Philipp Otto Runge, Moritz von Schwind und Adolph Menzel.

Hamburg. Für die Klassizisten war die Wiederentdeckung von Herculaneum ein schwerer Schock. Fassungslos mussten die Künstler und Kunsttheoretiker, die eben noch gegen die ornamentalen Wucherungen des Rokoko gewettert hatten, in den nach und nach ausgegrabenen Ruinen der im Jahr 79 verschütteten Stadt feststellen, dass es mit der „edlen Einfalt und stillen Größe“ der Antike in Wahrheit gar nicht so weit her war. Denn an den Wänden der eins prunkvollen Villen der Unglücksstadt am Golf von Neapel kamen farbige Wandbilder zum Vorschein, die mit einer Fülle von höchst merkwürdigem und manchmal geradezu ausuferndem Zierrat, mit Ornamenten und Arabesken versehen waren.

Und dann war es mit der klassizistischen Kargheit auch bald vorbei, denn in der Romantik erlebte die Arabeske nicht nur als Dekorationselement ein Comeback, Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts wurde die verschlungene ornamentale Form auf eine bislang völlig neue Art zum Bedeutungsträger. Diese Entwicklung ist Thema der Ausstellung „Verwandlung der Welt. Die romantische Arabeske“, die die Kunsthalle vom heutigen Freitag an im Hamburger Gang zeigt.

Dichterfürst Goethe betrachtete das alles mit recht gemischten Gefühlen

Aber die Ranken, bei denen es sich meist um stilisierte florale Linien handelt, haben nicht nur antike Ursprünge. Der ziemlich weit gefasste Begriff Arabeske verweist auf den islamischen Ursprung einer Variante, die über das maurische Spanien Einzug nach Europa hielt. Und für die Romantiker, die nur allzu gern ins Mittelalter zurückblickten, wurden auch die Randzeichnungen von Albrecht Dürer vorbildhaft, mit denen dieser Anfang des 16. Jahrhunderts das Gebetbuch Maximilians I. versehen hatte. Und für Goethe, der das alles mit gemischten Gefühlen betrachtete, handelt es sich auch bei den Ornamenten, mit denen Raffael die vatikanischen Loggien geschmückt hatte, letztlich um Arabesken. Raffael wiederum hatte sich von den „Grotesken“ inspirieren lassen, die man im ausgegrabenen Domus Aurea, dem „Goldenen Haus“ des römischen Kaisers Nero, entdeckt hatte.

Der Dichterfürst aus Weimar gab übrigens noch 1789 zu Protokoll, dass man das alles als nette Dekoration zu betrachten habe, als eine Art heiteren und allgemein gefälligen Wandschmuck. Die Romantiker wollten damit aber deutlich mehr anfangen, ihnen diente die Arabeske als Mittel, die nüchterne Welt zu beseelen, zu verwandeln und zu verzaubern. „Die Welt muss romantisiert werden“, hatte Novalis gefordert, was bei Dichtern, Musikern und Malern auf furchtbaren Boden fiel.

Das alles zeigt die Kunsthalle mit interessanten Beispielen, bevor sie einen ihrer „Hausgötter“ ins Zentrum stellt: Philipp Otto Runge. Wie kein Maler vor ihm, hat der Miterfinder der Romantik die Arabeske als Gestaltungselement und Bedeutungsträger in seine Bildkompositionen integriert. Dabei schuf er ein vielschichtiges und mit vielfältiger Bedeutung aufgeladenes Gesamtkunstwerk, das immer wieder zwischen Bild und Ornament, Gegenstand und abstrakter Form vermittelt und das alles in einer völlig neuartigen Komposition vereint. Zu den Höhenpunkten der von Jonas Beyer kuratierten Ausstellung gehören die Runge-Bilder „Die Lehrstunde der Nachtigall“ aus den Jahren 1804/05 sowie „Der Kleine Morgen“ (1808), die die klassische Trennung zwischen Bild und Rahmen sprengen: Die Arabesken des Rahmens, die aus ornamentalen, floralen und figürlichen Formen bestehen, werden ganz unmittelbar zum eigentlichen Bildinhalt in Beziehung gesetzt. Hier geht es um viel mehr als um Dekoration, denn Runge begreift die Arabeske, nach einer Formulierung des Kulturphilosophen Friedrich Schlegel, als „älteste und ursprünglichste Form der menschlichen Fantasie“ und nutzt sie zur künstlerischen Formulierung eines kosmologischen Weltentwurfs.

Es ging allerdings auch weniger anspruchsvoll, wie die Verwendung der Arabeske auf Bucheinbänden, in der Gebrauchsgrafik bis hin zur Umrahmung von Dokumenten und Urkunden zeigt. Wie die Ausstellung, die zuvor bereits im Frankfurter Goethe-Museum zu sehen war, mit Werken von Moritz von Schwind bis Adolph Menzel zeigt, behielt die Arabeske als Gestaltungsprinzip auch lange nach Runge noch große Bedeutung.

Verwandlung der Welt. Die romantische Arabeske. Hamburger Kunsthalle, Hamburger Gang, Glockengießerwall, bis 15.6., Di–Do 10.00–18.00, Do bis 21.00; www.hamburger-kunsthalle.de