Im Zweiten Weltkrieg versuchten die Monuments Men, geraubte Bilder und Skulpturen zu bergen. Der Amerikaner Robert Edsel hat ihre Geschichte erforscht und George Clooney bei den Dreharbeiten beraten.
Es war eine ungewöhnliche Meinungsverschiedenheit. Londons exzentrischer Bürgermeister Boris Johnson hat vor wenigen Tagen George Clooney mit Adolf Hitler verglichen. Nazi-Vergleiche sind immer noch ein sicherer Weg, um Aufmerksamkeit in den Medien zu erzielen. Was war passiert? Es ging um Beutekunst. Der US-Schauspieler und Regisseur hatte nach der Berlinale in der britischen Hauptstadt Station gemacht, um seinen Film „Monuments Men“ zu bewerben. Darin geht es um eine Gruppe von Männern, die gegen Ende des Zweiten Weltkriegs den Truppen folgten, um von den Nazis geraubte Kunstschätze zu retten. Und bei der Pressekonferenz stellte Clooney eine Forderung, die Johnson gar nicht passte.
Es ging um die Elgin Marbles. Das sind Teile des antiken griechischen Parthenon-Tempels, die Lord Elgin 1901 aus der Ruine schlagen und nach England transportieren ließ. Dort sind sie heute im British Museum zu sehen. Clooney wurde befragt, ob man diese Kunstschätze nicht den Griechen zurückgeben sollte. Er bejahte das ebenso wie seine Schauspieler Matt Damon und Bill Murray. Auch die Mehrheit der befragten Briten hatte sich schon einmal ähnlich geäußert. Das British Museum hat sich bisher aber stets geweigert, die Elgin Marbles zurückzugeben. Und ein selbstbewusster britischer Bürgermeister lässt sich natürlich nicht von so einem Hollywood-Schönling sagen, was er mit einem seiner beliebtesten Museums-Exponate machen soll. Zurückgeben – an die Griechen? Was Clooney da wolle sei wie eine „Hitler-Agenda für Londons Kunstschätze“, polterte Johnson.
Clooney reagierte auf den Vergleich übrigens ähnlich souverän wie in seiner Werbung für ein Kaffeesystem. Er outete sich als Fan des Bürgermeisters und sagte, die Worte seien zu übertrieben und wohl mit „ein paar Whiskys heruntergespült“ worden. Natürlich bedeutete dieser Pseudo-Eklat zusätzliche Werbung für den Film, den Clooney mittlerweile sogar im Weißen Haus zeigen durfte. Dass das Thema Beutekunst bis heute heikel bleibt, beweist auch der Fall von Cornelius Gurlitt und seiner umstrittenen Kunstsammlung.
Die Geschichte der „Monuments Men“ basiert auf Tatsachen. Der Film erzählt von sieben älteren Museumsdirektoren, Künstlern, Architekten, Kuratoren und Kunsthistorikern, die in den Zweiten Weltkrieg zogen, um von den Nazis gestohlene Kunstwerke zu retten und den rechtmäßigen Besitzern zurückzugeben. Eine lebensgefährliche Aufgabe, denn oft passten die Wünsche der Kunstbewahrer und die der Militärs nicht zusammen. Bekannt gemacht hat den lange unentdeckten Aspekt des Kriegsgeschehens der Amerikaner Robert M. Edsel. Er war ein gut verdienender Manager im Ölgeschäft, bevor er nach Italien ging, um Kunstgeschichte zu studieren. Irgendwann stand er auf dem Ponte Vecchio in Florenz und fragte sich, warum die deutschen Soldaten bei ihrem Rückzug aus der Stadt die historische Brücke nicht zerstört hatten. Er begann, sich für das Überleben von Kunstwerken in Kriegszeiten zu interessieren. Dabei kam er der Kunstschutzorganisation Monuments, Fine Arts & Archives Section (MFA&A) auf die Spur. Deren Mitglieder, Edsel nennt sie „Kunsthistoriker in Uniform“, sind die Monuments Men. Er schildert sie als moderne Schatzjäger, die inmitten der Zerstörung bewahren wollen: Architektur, Baudenkmäler, Bibliotheken, Archive und die Sammlungen von Museen.
17 Jahre lang hat sich Edsel mittlerweile mit diesen Monuments Men beschäftigt und drei Bücher über sie veröffentlicht. Wichtig war, dass die Familien ihm Zugang zu den Briefen der Männer und Frauen gewährten, damit er ihre Motivation darstellen konnte. Clooney und sein Co-Autor Grant Heslov haben sich bei der Verfilmung eine ganze Reihe von Freiheiten genommen. Sie haben die Handlung des 560 Seiten langen Buchs natürlich raffen müssen, um es in zwei Stunden erzählen zu können. Sie haben aber auch Schauplätze verändert und den Männern aus dramaturgischen Gründen andere Charaktereigenschaften angedichtet. Deshalb haben sie allen Charakteren im Film fiktive Namen bekommen – mit Ausnahmen von Hitler, Göring und Rosenberg.
Edsel sieht den Film ambivalent. „Ich wünschte mir, Clooney und Grant hätten an manchen Stellen andere Entscheidungen getroffen. Aber das ist ihr Film, ihre Leinwand.“ Andererseits weiß er: „Kein Buch kann weltweit so eine große Reichweite erzielen wie ein Film. Und das ist eine sehr visuelle Geschichte.“ Und eine mit einer besonderen Moral. „Wenn es diese Männer nicht gegeben hätte, die sich für den Erhalt der Kunst eingesetzt haben, wäre die Welt weniger wert“, sagt der Autor. In seiner populärwissenschaftlichen Schilderung kommt die US-Army ziemlich gut weg. Im Film begegnen die Monuments Men in einer Szene ihren sowjetischen Gegenparts. Die „Trophäen-Brigade“ der Osteuropäer ist aber nur auf Beute aus. Stellt sich da der Westen über den Osten? Edsel verneint. „Ich habe darauf bestanden, dass in dieser Szene die Dialogzeile von Matt Damon erhalten bleibt. Er sagt: ‚Ja, es gibt diese Brigaden. Aber in Russland sind auch 25 Millionen Menschen gestorben.‘“ Der Amerikaner ist kein Mann mit einer einseitigen Sicht der Dinge. Er nimmt die sowjetischen Soldaten nicht nur in Schutz, aber er will auch die Versöhnung. „Es gab keine rechtliche Grundlage für die Russen, um Kunstwerke zu rauben. Stalin war ein unsympathischer Bösewicht, deshalb fällt es heute leicht, auf den Russen herumzuhacken.“
Seine Forschungsergebnisse haben Edsel zu einem nachdenklichen Zeitgenossen gemacht, auch wenn es um seine eigene Nation geht. Kritisch blickt er besonders auf den Irak-Krieg. „Enorm wütend“ sei er geworden, als er von der Plünderung des irakischen Nationalmuseums in Bagdad im Jahr 2003 erfahren habe. Er findet für das Verhalten der Armee, die das Museum nicht schützte, klare Worte. „Ich empfand es als Schande, dass wir in den 60 Jahren nach Kriegende alles schon wieder vergessen hatten. Es waren nicht so sehr die Soldaten, es war ein Fehler der militärischen Führung. Im Zweiten Weltkrieg hat es funktioniert. Da haben Präsident Roosevelt und General Eisenhower die entsprechenden Befehle ausgegeben. Im Irak-Krieg gab es das nicht. Da kann man sich hinterher als Verteidigungsminister auch nicht hinstellen und sagen: ‚Im Krieg passieren schlimme Ding, Leute plündern.‘ Das stimmt zwar, es so zu sagen ist aber respektlos, gleichgültig und ignorant.“
Der Film endet damit, dass die Monuments Men viele der versteckten Kunstwerke wieder aufspüren können. Aber das Ende des Films ist nicht das Ende der Kunstschützer. Die Kunsthistorikerin Tanja Bernsau hat gerade über die Monuments Men promoviert und herausgefunden, dass ein wichtiger Teil der Geschichte erst bei Kriegsende beginnt. Im Gebäude des heutigen Landesmuseums Wiesbaden wurde eine Sammelstelle für die Fundstücke eingerichtet. Darunter waren auch die Nofretete, „Der Mann mit dem Goldhelm“ und der Welfenschatz. Die Besatzer veranstalteten mehrere Ausstellungen mit den Kunstwerken. Im November 1945 kam dann ein Telegramm von General Clay, der Captain Walter Farmer, den Leiter der Sammelstelle, aufforderte, er möge 200 Gemälde auswählen und in die USA senden, „da ihre sichere Unterbringung in Deutschland nicht gewährleistet sei“.
Die Kunstschützer witterten Beutekunst-Absichten und protestierten mit dem „Wiesbadener Manifest“. In dem heißt es: „Wir möchten darauf hinweisen, dass unseres Wissens keine historische Kränkung so langlebig ist und so viel gerechtfertigte Verbitterung hervorruft wie das aus welchem Grund auch immer erfolgende Wegnehmen des Teils eines kulturellen Erbes einer Nation.“ Der Abtransport konnte zwar nicht verhindert werden, aber nach einer Ausstellungstournee durch die USA gaben die Amerikaner die Bilder zurück. Auf Clooneys Film ist Bernsau gespannt, sie befürchtet aber, er könnte für ihren Geschmack zu patriotisch ausgefallen sein. An ihrer Sympathie für den Hauptdarsteller ändert das aber nichts. „Grundsätzlich finde ich Clooney großartig“, schwärmt sie. Das hätte Boris Johnson auch nicht schöner sagen können.
Robert M. Edsel, Bret Witter. „Monuments Men. Die Jagd nach Hitlers Raubkunst.“ Heyne, 559 S., 9,99 €„
Monuments Men – Ungewöhnliche Helden“ läuft im Cinemaxx Dammtor und Harburg, Elbe, Hansa-Filmstudio, Passage, Savoy (OF), UCIs Mundsburg, Othmarschen-Park und Wandsbek