Ein letztes Mal sind Dominic Raacke und Boris Aljinovic als Kommissare zu sehen. Ab 2015 gibt es ein neues Team im Hauptstadt-Tatort. In „Großer schwarzer Vogel“ geht es um ein Briefbomben-Unglück.
13 Jahre, 30 Folgen, und nun ist Schluss mit Ritter und Stark: Sonntag läuft der letzte „Tatort“ mit dem groß gewachsenen und dem weniger groß gewachsenen Ermittler, die zusammen am Ende zu riesiger Form aufliefen. Das fand zumindest die „Tatort“-Gemeinde, die beiden im Jahr 2013 gesendeten Berlin-Episoden sehr gute Noten gab.
Der RBB entschied im Herbst trotzdem, dass in der Hauptstadt jetzt Schluss sein soll für die von Dominic Raacke und Boris Aljinovic gespielten ungleichen Kommissare. Wenn in Leipzig die Belegschaft wechselt oder ganz neu installiert wird wie in Weimar und Erfurt, mag auch Berlin nicht zurückstehen – im Osten stehen die Zeichen dieser Tage auf Veränderung.
Der zuletzt leidgeprüfte Till Ritter (Raacke) zeigt ja auch enorme Abnutzungserscheinungen. In der Abschiedsfolge „Großer schwarzer Vogel“ ist von seinen Schlafproblemen die Rede, dem über die Jahre als lässigem Großstadtcowboy etablierten mittelalten Mann geht langsam die Luft aus. Berlin schlaucht. Und so darf Ritter auch eine Folge früher als Felix Stark (Aljinovic) aussteigen. In der Realität war es so, dass Raacke nach der RBB-Entscheidung überhaupt keinen „Tatort“ mehr drehen wollte – der klare Schnitt, Aus, Ende. Obwohl Raacke die Entscheidung des RBB laut eigenem Bekunden gut fand. Den allerletzten Fall muss Stark also alleine lösen, erst ab 2015 gibt es den Stabswechsel.
In „Großer schwarzer Vogel“ pfeifen beide zusammen noch einmal zusammen aus den letzten Loch, als sie einen Verdächtigen auf der Großbaustelle stellen wollen. Er läuft ihnen davon, seiner Strafe entgeht er am Ende aber nicht – eine gute, alte „Tatort“-Gewohnheit. Die Folge ist eine von denen, die Spannung gemächlich aufbauen und subtil in Szene setzen, die zunächst beinah penetrant unaufgeregt sind bis auf die Produktion der obligatorischen Leiche am Anfang; am Ende erfährt sie eine dramatische Zuspitzung und lässt beinah keinen der Beteiligten unschuldig zurück. Im Mittelpunkt steht der Radio-Moderator Nico Lohmann (Florian Panzner), der in einer spätabendlichen Sendung den Kummerkastenonkel gibt. Beliebt macht er sich damit nicht immer. Zum Beispiel, wenn sich der Ehemann einer Anruferin in der Ehre gekränkst sieht. Es kann durchaus passieren, dass so einer Lohmann die Windschutzscheibe einschlägt.
Ein Kriminalfall wird erst dann draus, als eine Briefbombe im Hausflur Lohmanns hoch geht. Der Sohn der Putzfrau erschreckt sich so sehr, dass er die Treppe hinunterstürzt: Hirnblutung, Exitus. Für Ritter und Stark geht es nun darum, das Umfeld des Moderators zu durchleuchten. Dort stößt man auf Geschichten und Menschen, die sich zu einer schicksalhaften Begebenheit zusammensetzen, die vor allem mit dem undurchsichtigen Lohmann selbst zu tun hat. Früher war er Schwimmer, dann bremste seine vom hyperehrgeizigen Vater (Hans Uwe Bauer) befeuerte Karriere ein verhängnisvoller Autounfall aus. Nach dem Anschlag ist der Psycho-Talker, der selbst die größte Leiche im Keller hat, verdächtig aufgewühlt – schon klar, dass man sich als Ermittler die Frage unbedingt stellen muss, wer damals eigentlich wirklich Unfallverursacher war.
In dem kamen eine junge Frau und deren Tochter zu Tode: Der Witwer (Peter Schneider) ist ein seelisches Wrack und treibt rachsüchtig durch den Tag. Die Exfreundin Lohmanns (Julia Koschitz) hängt ziemlich eindeutig noch an diesem, der mit seiner neuen Partnerin ein Kind erwartet. Was sich hinter dem tragischen Ableben des unschuldigen Jungen verbirgt, sind also persönliche Verwicklungen und private Katastrophen. Die Motivlage – unterlegt mit dem Bild der Krähe, das mehrere Male auftaucht – verdichtet sich in einer Weise, die nicht jedem schlüssig erscheinen muss, aber dem Duo Raacke und Aljinovic gibt der Fall Gelegenheit, ein letztes Mal seinen Unique Selling Point auszuspielen, der gar nicht so leicht zu benennen ist: Er lässt sich am ehesten mit der Sensibilität Starks beschreiben, der der unsanftere Ritter letztlich immer folgt – weil sein Kern ganz weich ist.
Schwer zu sagen, ob einem das Berliner Gespann in Zukunft fehlen wird. Veränderung ist selten etwas Schlechtes. Wird sich in Zukunft der Himmel über Berlin halt über anderen Gesetzeshütern aufspannen, dieser Himmel, den in „Großer schwarzer Vogel“ übrigens der im Hintergrund singende Düsterbarde Nick Cave in Töne übersetzt.
„Tatort: Großer schwarzer Vogel“ 9.2., 20.15 Uhr, ARD