Manche Exponate machen ratlos. Das Teil einer Guillotine zählt dazu. Es ist in der Abteilung 20. Jahrhundert im Hamburg Museum zu sehen
Hamburg. In der im Jahr 2001 eröffneten Abteilung zum 20. Jahrhundert des Hamburg Museums befindet sich ein Ausstellungsstück, das kaum einen Betrachter unberührt lassen wird. Dabei handelt es sich um das Fallbeil der Hamburger Guillotine, mit der in der Zeit des Nationalsozialismus fast 400 Menschen hingerichtet wurden. Nachdem vor einigen Tagen im Bayerischen Nationalmuseum jene Guillotine identifiziert werden konnte, mit der sehr wahrscheinlich die Widerständler Hans und Sophie Scholl sowie Christoph Probst am 22. Februar 1943 hingerichtet wurden, gibt es eine heftige Diskussion über die museale Präsentation eines solchen Tötungsinstruments. Verletzt man die Würde der Ermordeten, wenn die Guillotine ausgestellt wird? Oder ist es gerade wichtig, dieses Relikt einer menschenverachtenden Geschichte in einem würdigen Rahmen und bei gleichzeitiger Darstellung der historischen Vorgänge zu zeigen?
Während es zu dieser Frage aktuell in München sehr unterschiedliche Meinungen gibt, hat die Präsentation in Hamburg seit 2000 zu keiner Auseinandersetzung geführt. Das mag vor allem an der zurückhaltenden und pietätvollen Art der Ausstellung liegen. „Wir haben uns bewusst dafür entschieden, nicht die gesamte Guillotine zu zeigen, sondern nur das Fallbeil“, sagt der fürs 20. Jahrhundert zuständige Kurator Ortwin Pelc, der diese Frage im Vorfeld der Ausstellung intensiv mit einem Historiker-Beirat diskutiert hatte.
Seit mehr als zwölf Jahren ist in dem Ausstellungsbereich zur NS-Zeit in einer in die Wand eingelassenen Vitrine das Tötungsinstrument zu sehen. Dazu liest man die folgende Schrifttafel: „Fallbeil der Hamburg Guillotine, 1938. Von 1933 bis 1936 wurde in Hamburg mit dem Handbeil gerichtet. Danach kam eine Guillotine zum Einsatz, auf der fast 400 Menschen starben.“ Daneben sieht man in einer weiteren Vitrine vor weißem Hintergrund die Totenmasken der beiden ehemaligen kommunistischen Bürgerschaftsabgeordneten Etkar André und Fiete Schulze, die noch mit dem Handbeil hingerichtet wurden. In Hamburg wurden von den Hingerichteten grundsätzlich Totenmasken abgenommen. Anhand der Physiognomie meinte man, Rückschlüsse auf den „verbrecherischen Charakter“ des Hingerichteten ziehen zu können.
„Das sind erschreckende, aber authentische Exponate, die innerhalb unseres Ausstellungsbereichs zum Nationalsozialismus einen wichtigen Platz einnehmen“, sagt Ortwin Pelc. Bedenken oder gar Proteste von Besuchern habe es bisher nicht gegeben, sagt der Kurator der Dauerausstellung, in der Alltag und Lebenswirklichkeit während 1933 und 1945 auf vielfältige Weise thematisiert werden.
Reichsstatthalter Karl Kaufmann hielt die Guillotine für undeutsch
Dass die Hamburger Hinrichtungspraxis ein besonders erschreckendes Geschichtskapitel ist, belegt eine im Auftrag der Landeszentrale für politische Bildung 1998 veröffentlichte Studie der Historiker Andreas Seeger und Fritz Treichel. Während in der Zeit der Weimarer Republik in Hamburg Todesurteile weder ausgesprochen, noch vollstreckt wurden, änderte sich das unmittelbar nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten. Für die erste Hinrichtung, die im August 1933 stattfand, reaktivierte man die bereits 1850 gebaute Guillotine, die sich heute auch im Bestand des Hamburg Museums befindet, aber nicht gezeigt wird. Doch das änderte sich, als Reichsstatthalter Karl Kaufmann im Januar 1934 ein Gesetz über die Vollziehung der Todesstrafe erließ. „Das Gesetz bestand lediglich aus einem Artikel, der besagte, dass die Todesstrafe bei Enthauptungen mit dem Handbeil zu vollstrecken sei. Das Fallbeil wurde abgeschafft, weil die Guillotine als Erbstück der Französischen Revolution und Hinterlassenschaft der napoleonischen Herrschaft galt“, schreiben Seeger und Treichel. Vor der Hamburger Bürgerschaft begründete Justizsenator Rothenberger das Gesetz mit dem „deutschen Rechtsempfinden“, dem die Vollstreckung der Todesstrafe durch das Beil entspreche. Eingang in die Literatur fand diese Praxis durch den Roman „Das Beil von Wandsbek“, den der kommunistische Schriftsteller Arnold Zweig 1943 im Exil in Haifa veröffentlicht hat.
1936 legte das Reichsjustizministerium fest, dass Hinrichtungen in Deutschland fortan in elf dafür ausgewählten Strafvollzugsanstalten grundsätzlich mit dem Fallbeil durchzuführen seien, womit Kaufmanns Gesetz ungültig wurde. Da die aus dem 19. Jahrhundert stammende Guillotine zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gebrauchsfähig war, erhielt das Hamburger Untersuchungsgefängnis am Holstenglacis 1938 ein neues in Berlin-Tegel hergestelltes Fallbeil, mit dem die NS-Justiz bis 1945 Hinrichtungen vornahm. „Doch selbst nach dem Krieg stand die Guillotine nicht still. Die britische Besatzungsmacht ließ vom 14. Dezember 1945 bis zum 9. Mai 1949 18 Männer unter anderem wegen Mord, Waffenbesitz, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit guillotinieren“, heißt es in der Studie der beiden Historiker. Später kam das Fallbeil in das öffentlich nicht zugängliche Hamburger Kriminalmuseum und wurde schließlich vom Museum für Hamburgische Geschichte übernommen. „Wenn wir die glanzvollen und schönen Seiten der Hamburger Geschichte zeigen, ist es ebenso unsere Aufgabe, die dunklen Kapitel angemessen darzustellen“, sagt Ortwin Pelc, und fügt hinzu. „Ein so belastetes Objekt wie die Guillotine muss selbstverständlich pietätvoll und mit Respekt präsentiert werden. Trotzdem stellt es uns auf Dauer vor eine große Herausforderung.“
Hamburg Museum Abteilung 20. Jahrhundert, Holstenwall 24, Di–So 10–17, So 10–18 Uhr. Infos www.hamburgmuseum.de