Was die neue Klangkörpermanagerin Andrea Zietzschmann für die kommende Musikstadt Hamburg plant. Geplant sind auch Live-Streams der Konzerte.

Hamburg Bis vor Kurzem saß sie in einem kleinen Übergangsbüro. Doch seit dem 1. November ist Andrea Zietzschmann, Nachfolgerin von Rolf Beck, als Klangkörpermanagerin für NDR Sinfonieorchester, Chor, Bigband sowie die Radiophilharmonie Hannover verantwortlich. Dreieinhalb Jahre vor dem derzeit geplanten Eröffnungstermin der Elbphilharmonie kein ganz unwichtiger Job.

Abendblatt: Sie haben auch in Hamburg studiert, waren zuletzt Musikchefin beim Hessischen Rundfunk und kehren nach 17 Jahren zurück. Wie hat sich die Musiklandschaft für Sie verändert, hat sie sich verändert?


Andrea Zietzschmann: Noch sondiere ich und schaue mir sehr viel an, aber ich habe bisher den Eindruck, dass sich nicht so viel verändert hat ...



... Das ist aber nicht schön ...

Zietzschmann: ... was das Publikum angeht. Die Publikumsentwicklung wird eine große Herausforderung sein. Bei der Dichte des Angebots hat sich einiges getan, aber es ist noch Luft nach oben.

Was wollen Sie anders machen als Ihr Vorgänger Rolf Beck?

Zietzschmann: Chefdirigent Thomas Hengelbrock ist schon bestens mit dem Sinfonieorchester eingeführt. Die hervorragende Akzeptanz seiner Konzerte geht ein wenig zulasten der anderen, ich denke darüber nach, wie wir das Gesamtangebot noch attraktiver gestalten. Vor Hengelbrock war das Orchester programmatisch eher konservativ aufgestellt. Er hat das Programmprofil mit ungewöhnlichen Konzepten aufgebrochen, das gefällt mir sehr. Ein wichtiger Punkt ist die internationale Profilierung, da ist zu wenig passiert. Man spricht im Ausland immer noch von der Ära Günter Wand, und der Erfolg hier hat sich national und international noch nicht intensiv genug vermittelt. Ich möchte das Sinfonieorchester, neben den regelmäßigen CD-Produktionen, auch multimedial aufstellen wie etwa durch Live-Streamings der Konzerte und einen eigenen YouTube-Channel. Die Reihe „das neue werk“ wird leider viel zu wenig wahrgenommen. Ich würde gerne Helmut Lachenmann wieder nach Hamburg holen. Sofia Gubaidulina lebt vor den Toren der Stadt, auch das wäre ein schöner Anker. Für den Chor planen wir, wie beim Orchester praktiziert, eine Nachwuchsakademie. Und in programmatischer Hinsicht: Natürlich habe ich mich mit der Musikgeschichte der Stadt beschäftigt. Mich würde ein Telemann-Schwerpunkt reizen, auch Hasse finde ich interessant. Um Brahms’ Bedeutung kontinuierlich Sichtbarkeit zu verschaffen, könnte man sich auch zusammentun.

Welche neuen Namen könnte es demnächst im Sortiment geben?

Zietzschmann: Momentan spreche ich mit sehr vielen Dirigenten. Das „Podium der Jungen“ ist noch keine Plattform für Nachwuchsdirigenten, das würde ich gerne ändern. Mit dem Sinfonieorchester haben wir kaum Möglichkeiten, junge Dirigenten einzuladen, und die „Dudamels“ dieser Zeit muss man früh an das Orchester binden.

Und wer steht noch auf der Wunschliste?

Zietzschmann: Esa-Pekka Salonen wird 2015/16 wieder kommen. Mit Iván Fischer und Sakari Oramo bin ich in Gesprächen, auch mit Daniel Harding, der vor vielen Jahren hier war und sehr stark polarisiert hat. Und dann gibt es natürlich Dirigenten wie Yannick Nézet-Séguin und Andris Nelsons, die von allen intensiv umworben werden. Aber auch mit Paavo Järvi, Daniele Gatti und Lorin Maazel möchte ich Projekte realisieren.

Auch mehrjährige Residenzen?

Zietzschmann: Ja, genau, ich denke stärker über programmmotivierte Residenzen nach. Das Orchester hat zum Beispiel eine beeindruckende Bruckner-Tradition.

Mit Bruckner grätschen Sie aber direkt ins Repertoire-Revier von Philharmoniker-Chefin Simone Young.

Zietzschmann: Frau Young ist ja nicht mehr so lange GMD in Hamburg, und jedes Orchester hat den Wunsch, Bruckner zu spielen – übrigens möchte auch unser Publikum bei der Tradition des Orchesters gerade auch dieses Repertoire in unseren Konzerten erleben.

Wie stellen Sie die Weichen für die Zusammenarbeit mit dem Schleswig-Holstein Musik Festival? Der neue Intendant Christian Kuhnt, zuletzt „Pro Arte“-Chef, scheint ab 2014 mehr auf die Scholle zu sollen und weniger nach Hamburg.

Zietzschmann: Die Gespräche laufen derzeit. Er möchte die NDR-Klangkörper auch in Zukunft stark einbinden, was mich sehr freut. Die Eröffnungs- und Abschlusskonzerte werden weiter wir gestalten; was darüber hinausgeht, hängt davon ab, wie wir inhaltlich zusammenkommen. Auch der NDR-Chor wird prominent vertreten sein.

Es gibt Städte, in denen das Musikleben friedfertiger ist. Hauen und Sticheln hinter den Kulissen hat hier Tradition.

Zietzschmann: Ich hoffe sehr, dass man in Zukunft kooperiert, nur so kann man viel erreichen. Die Vorzeichen stehen jedenfalls gut.

Demnächst wird das Programm des neuen Musikfests im Mai/Juni 2014 präsentiert, auf dessen Leitung Youngs Nachfolger Kent Nagano mehr als nur einen begehrlichen Blick geworfen haben soll.

Zietzschmann: Die NDR-Haltung ist ganz klar: Wir wollen so viel wie möglich in das neue Musikfest einbringen, nicht nur Projekte mit dem Sinfonieorchester, sondern auch mit unseren Reihen, dem Chor und der Bigband. Wir hoffen, dass sich auch Nagano für dieses Festival engagieren wird.

Er hat Hamburg aber nicht mit dem Vorsatz zugesagt, in der Musikstadt-Hierarchie ständig nur Zweiter hinter Hengelbrock und dem NDR sein zu müssen.

Zietzschmann: Konkurrenz belebt doch das Geschäft und fördert auch die Kreativität. Wir sind ja als Sinfonieorchester in der Stadt aufgestellt, und Nagano wird GMD an der Oper. Jeder wird seine Rolle für sich definieren, aber ich bin der Meinung, dass Hamburg, wie Berlin und München auch, zwei ambitionierte Dirigenten bestens verkraftet.

Ab wann wird man Ihre Handschrift im NDR-Konzertspielplan erkennen?

Zietzschmann: In der Saison 2016/17. Die nächste ist schon komplett geplant, auch in der übernächsten ist schon sehr viel festgelegt.