Er arbeitete mit Udo Lindenberg und Annett Louisan. Nun hat Martin Gallop mit „Most Beautiful Song“ eine feine Songwriterplatte vorgelegt. Am Freitag spielt der Deutsch-Kanadier im Indra.

Hamburg. Mittlerweile, da reise er nicht mehr so viel, erzählt Martin Gallop und fährt sich durchs graubärtige Gesicht. Zwar lodert er noch, dieser Drang nach Freiheit, hin zu den Flugzeugen und Zügen und Booten, die es nicht zu verpassen gilt. Doch, so besingt er es im Song „Missing Trains“, die Sehnsucht nach dem „Du“, nach einem anderen Menschen, sei doch größer. Es ist genau diese Reife, durchzogen von Intimität und zugleich Weite, die das neue Soloalbum des Musikers zu einem kleinen großen Werk macht. 14 Lieder im besten amerikanischen Singer-Songwriter-Geist sind auf „Most Beautiful Song“ zu finden, getragen von Gallops eindringlicher Stimme und reduzierten wie komplexen Akustik-Arrangements. Eine Platte, auf der die Traurigkeit warm wie ein Feuer knistert.

Gallop kann formidabel Geschichten erzählen. Denn er hat selbst welche erlebt. 1962 im kanadischen Toronto geboren, begann er bereits als Kind, seinen Herzschmerz an der Gitarre zu vertonen, und bereiste mit 20 seine Heimat als Straßenmusiker. Unterwegs traf er einen Mann aus dem niedersächsischen Oldenburg, den er als spirituellen Führer zu erkennen glaubte. Doch als Gallop ihm nach Deutschland folgte, erzählte der Guru ihm weniger von Erleuchtung, vielmehr aber vom eigenen Liebeskummer. Derart ernüchtert, verliebte sich Gallop flugs selbst und blieb. Er unterrichtete Englisch und musizierte „eher hobbymäßig“, wie er sagt.

Wenn Gallop von all dem erzählt, nach wie vor mit sattem Akzent, dann heftet er sich die Stationen seines Lebens nicht wie Weltenbummler-Orden ans Revers. Vielmehr blickt er mit einer gewissen Gelassenheit auf die Orte und Zustände, in die er sich treiben ließ. So auch nach Hamburg.

Mitte der Nuller-Jahren wurde der Hamburger Musikverlag Peermusic im Internet auf Gallop aufmerksam. Ein Engagement, das den Deutsch-Kanadier zum spät berufenen Profimusiker machte. Er schrieb für und musizierte mit Udo Lindenberg, Till Brönner und Annett Louisan. Nach wie vor bezeichnet er Hamburg als „seine zweite Heimat“. Berlin wiederum, wo Gallop nun lebt, ist für ihn kreativer Rückzugsort.

In einem Studio an der Spree hat er sein Album allein sowie mit Band eingespielt und zudem selbst produziert. Und wer aufmerksam lauscht, kann auf „Most Beautiful Song“ das Rauschen der S-Bahn hören. Ebenso das Knarren von Holz und das Knacken einer Vinylplatte. Effekte, die die neue Ebenen erschließen. Und die beabsichtigt sind. Es sind Versuche, das leicht diffuse klangliche Flair alter Plattenaufnahmen zu reproduzieren. „Wenn man Songs, etwa von Billie Holiday, mit der Technik von heute aufnehmen würde, mit dieser Klarheit, dann würde das nicht annähernd so magisch wirken“, sagt Gallop.

Die Nummer, die die Aura des Damals am intensivsten einfängt, ist „Little Blue Store“. Eine poetisch verdichtete Kindheitserinnerung mit Tante-Emma-Laden und Raufereien. Und dann sind da noch die Songs, die sich mit dem Liedermachen an sich befassen. Etwa das geheimnisvolle „Acting Like Jack“, in dem der Künstler nachts einsam vor sich hin tippt und sich an Jack Nicholson in „The Shining“ erinnert fühlt. Die Kunst des Songschreibens ist nichts, was Gallop romantisiert. „Mir ist klar geworden, dass Schreiben ein bisschen so ist wie ins Fitnessstudio gehen. Wenn ich das nicht viel praktiziere, kommt auch nichts“, erklärt Gallop.

Dieser Tage ist der Musiker wieder mal unterwegs. Als Support für Teitur, ein Liedermacher von den Färöern. Lässt sie sich denn jemals herstellen, die Balance zwischen Freiheitsliebe und Zurruhekommen? „Für uns alle ist das immer nur ein kurzer Zustand“, sagt Martin Gallop. Mit seiner Musik jedenfalls ist im Augenblick alles im Lot.

Martin Gallop mit Benjamin und Teitur Fr 25.10., 20 Uhr, Indra (S Reeperbahn), Große Freiheit 64, Tickets ab 18,30 (Vvk.); www.thebandgallop.com