Man würde diesen Figuren nicht unbedingt den Schlüssel zum eigenen Wochenendhaus überlassen. Aber Sympathie empfindet der Leser nichtsdestotrotz für sie — für den vaterlos aufgewachsenen Brancura, die gerissene Schönheit des Viertels, Valdirene, und Sodré, einen Weißen portugiesischer Herkunft. Sie alle taumeln durch Rios Rotlichtviertel, trinken, zoffen und berauschen sich und machen das ein oder andere krumme Geschäft.
„Seit der Samba Samba ist“ heißt der zweite Roman des Anthropologen und Soziologen Paulo Lins, der mit „Die Stadt Gottes“ die brasilianische Literaturszene erschütterte. Spätestens mit der Verfilmung im Jahre 2002 von Fernando Meirelles („City of God“) ist die authentische Erzählung über die Gewalt in Rios Armenviertel Millionen von Zuschauern präsent. Der neue Roman, an dem der Autor 15 Jahre gearbeitet hat, kommt weniger drastisch und brutal daher als das Vorgängerwerk; ungeschönt geht es auch hier zu. Neben einzelnen Figurenschicksalen konzentriert sich Lins auf die Entstehung des Sambas im Geist von Rios Rotlichtviertel. Alles fließt mit ein in die Musik, Brancuras Liebeskummer, die Kampftechnik schwarzer Gauner, Cachaça-Trunkenheit. Es ist ein wildes Stück Literatur, mit einem eigenen, verfeinerten Rhythmus.
Paulo Lins „Seit der Samba Samba ist“, Droemer Knaur Verlag, 352 Seiten, 19,99 Euro