Der als Schauspieler und Sprecher bekannte Otto Sander ist am Donnerstag im Alter von 72 Jahren in Berlin gestorben. Er galt als einer der großen Darstellers des deutschsprachigen Theaters.
Otto Sander war kein Star im üblichen Sinne. Aber fast jeder kannte den Schauspieler: die rötlichen Haare, das etwas verknitterte Gesicht, die rauchige Stimme. Mehr als 40 Jahre war er als Künstler präsent, im Theater, im Film, im Fernsehen. Lange Zeit war er an der Berliner Schaubühne, arbeitete mit Wim Wenders, spielte in der „Blechtrommel“ und in „Das Boot“. Im Fernsehen sah man ihn im „Tatort“ und im „Polizeiruf 110“, man hörte ihn in Hörspielen und bei Lesungen. Am Donnerstag ist Sander im Alter von 72 Jahren gestorben.
Geboren wurde Otto Sander in Hannover, am 30. Juni 1941. Seine Beziehung zum Theater begann 1962 während der Studentenzeit in München. Dort studierte er nicht nur Germanistik und Theaterwissenschaften, er nahm auch Schauspielunterricht und trat auf der Studentenbühne und im politischen Kabarett „Rationaltheater“ auf. Ab 1965 hatte er ein Engagement an den Düsseldorfer Kammerspielen, schnell folgten Heidelberg und die Freie Volksbühne Berlin. In diesen Jahren drehte Sander auch seine ersten Filme. 1971 gehörte er zu den Gründungsmitgliedern der Berliner Schaubühne.
Will man Otto Sander auf ein Genre festlegen, dann war er wohl Komiker, ein melancholischer, leiser, manchmal aber auch anarchistischer oder verzweifelter Komiker. In einem Interview bekannte er sich zu den Marx-Brothers, zu Curt Bois und Samuel Beckett als Vorbilder. „Sie haben diese Art von Anarchie betrieben. Und ich tue es auch – stellvertretend – auf der Bühne und im Film.“
Er hat aber immer wieder auch Texte gelesen oder Rollen übernommen, die das Bild des Komikers infrage stellen. Er sprach nicht nur Ringelnatz, der ihm mit seinem kargen norddeutschen Humor besonders lag, sondern auch das „Gilgamesch“-Epos. Er spielte neben Komödien des französischen Lustspieldichters Eugène Labiche oder sogar dem „Weißen Rössl am Wolfgangsee“ Figuren von Botho Strauß und den Tod im „Jedermann“. Berührungsängste kannte Otto Sander nicht, weder zum Boulevard noch zur Tragödie.
Sander hatte einen Zug zur Komik
Otto Sander lebte in einer bemerkenswerten Familie. Er war mit der Schauspielerin Monika Hansen verheiratet, die zwei Kinder aus ihrer ersten Ehe mit Rolf Becker hat: Meret und Ben Becker, inzwischen längst selbst bekannte Schauspieler. Der „Ziehvater“ Otto trat mit beiden und mit seiner Frau öfter gemeinsam auf. Sein wichtigster Partner auf der Bühne und im Film aber war Bruno Ganz – wenn man so will: ein Wahlbruder fürs Leben.
Im Ensemble der Schaubühne haben sich beide wunderbar ergänzt, Sander mit dem Zug zur Komik, Ganz mit der Neigung zu sanftem Pathos. Ihre intensivste Partnerschaft erlebten sie in den zwei märchenhaften Berlin-Filmen von Wim Wenders. Sie spielten die Engel Damiel (Ganz) und Cassiel (Sander), die unerkannt durch Berlin schweifen und voll Mitgefühl das Leben der Menschen beobachten, ohne sich einmischen zu können.
In „Der Himmel über Berlin“ (1987) verwandelt sich Damiel schließlich aus Liebe zu einer jungen Frau in einen Menschen. Im zweiten Film „In weiter Ferne, so nah!“ (1993) im nun wiedervereinten Berlin wird auch Cassiel zum Menschen. Er erlebt aber nicht nur die Freude, sondern auch die Angst, die das Leben der Sterblichen bestimmt. Cassiel ist eine der schönsten Rollen, die Otto Sander gespielt hat. Der Komiker als Charakterdarsteller.
Sander und Ganz haben 1981/82 zusammen auch den Film „Gedächtnis – Ein Film für Curt Bois und Bernhard Minetti“ gedreht. Sie gehen mit ihren Lieblingsschauspielern spazieren und reden über das Leben und die Kunst. Ein leichter Film, dem man nicht anmerkt, dass Bois, der Emigrant, und Minetti, der unter den Nationalsozialisten Karriere machte, sich nicht vor der Kamera treffen wollten.
In den vergangenen Jahren spielte Sander großartige, anrührende, aber unsentimentale Altersrollen. In Bochum war er in Thomas Bernhards Stück „Der Ignorant und der Wahnsinnige“ der blinde Vater. In Berlin spielte er 2007 Becketts „Das letzte Band“ fast wie eine Bilanz des eigenen Lebens, mal zornig, aber meist sehr still. Und im Kino hatte er in Bernd Böhlichs Altenkomödie „Bis zum Horizont, dann links!“ als Kidnapper, der doch nur die Freiheit will, im vergangen Jahr noch einmal einen ganz großen Auftritt.