Die öffentliche Schlammschlacht der Familien van der Vaart und Boulahrouz liefert alles, was Konsumenten durch künstlich erzeugte Spannungsbögen bei der Stange hält.
Hamburg. Und, was sind Sie? Team Sabia? Team Sylvie? Oder gehören Sie zur Gruppe derjenigen, die die öffentlich ausgetragene Schlammschlacht von Sylvie van der Vaart und Sabia Boulahrouz nicht mehr ertragen können und jede weitere darüber geschrieben Zeile und jedes darüber verlorene Wort als Verschwendung empfinden. Dann gehören Sie zu einer Minderheit, denn alle Medien und ihre Nutzer gieren offenbar nach neuen Nachrichten über den bizarren Streit.
Entkommen kann man dieser Seifenoper nur, wenn man konsequent wegschaltet. Das ist bei der pingpongartigen Auseinandersetzung zwischen der blonden TV-Moderatorin und ihrer einst „besten“ Freundin, einer ehemaligen Go-go-Tänzerin, aber fast unmöglich. Sie wird medial auf sämtlichen Kanälen und in allen Qualitäten über Bande gespielt. Sie wird gedruckt, gefunkt, getwittert, bei Facebook kommentiert, öffentlich-rechtlich wie auch privat-kommerziell. Es ist wie bei einem Unfall. Man will nicht anhalten und vorbeigehen. Und muss dennoch hinsehen.
Gibt es denn nichts Wichtigeres, als die peinlichen Offenbarungen der Ex-Fußballer-Ehefrau Sabia Boulahrouz, die ihrer Freundin Sylvie erst den Fußball-Star-Ehemann Rafael ausspannt und dies dann in der Presse zu erklären versucht? Die sich über angebliche Affären anderer genauso öffentlich ausblubbert wie über ihr eigenes Vorhaben, die Pille abzusetzen? Gibt es nichts Wichtigeres, als die Konterversuche der angeblich doch nicht ganz unschuldigen Sylvie? Die, den Tränen nahe, in einem über den eigenen Twitter-Account groß angekündigten TV-Interview bei ihrem Vertragssender RTL beteuert, dass nun endlich Ruhe einkehren soll, ihrem siebenjährigen Sohn zuliebe? Dass ein solches Interview mit ihrer Quasi-Kollegin Frauke Ludowig nicht sehr investigativ sein kann, soll hier nur am Rande erwähnt werden.
Klar gibt es Wichtigeres. Zuhauf. Dennoch lässt sich nicht leugnen, dass das Thema Sylvie/Sabia bestens funktioniert. Es beschert gute Auflagen, gute Einschaltquoten und gute Klickraten. Weil fast ungefiltert und frei Haus eine Soap von Personen des öffentlichen Lebens geliefert wird, die sich kein Serienschreiber besser und niederträchtiger hätte ausdenken können. Die gängigen Boulevardzeitschriften und -zeitungen sind heiß auf jede noch so kleine Wende in der Causa Sylvie/Sabia: Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht mindestens drei Fotografen vor Sylvies Haus in der Eppendorfer Landstraße warten und sie sogar bis nach Paris verfolgen. Andere postieren sich auf dem Trainingsplatz von Sohn Damian. Bloß keine Szene verpassen, lautet die Devise. Exklusive Fotos wie Sylvie im „Bitch“-T-Shirt als Antwort auf Sabias Äußerungen in der „Bild“-Zeitung, sind viel Geld wert. Es ist eine Seifenoper de luxe. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Ein richtig guter Plot
Soap Operas wurden Anfang der 1930er-Jahre ursprünglich für das US-Radio entwickelt, um Werbeblöcke, in denen Produkte von Waschmittelherstellern dominierten, in ein für Hausfrauen interessantes Umfeld zu betten. Später wurden sie für das Fernsehen adaptiert und bildeten den angehübschten Rahmen für schnöde Werbung. Im Vordergrund der Soap stehen Personen, deren unterschiedliche Beziehungsverflechtungen in einem trivialen und somit nachvollziehbaren Muster erzählt werden. Es werden Identifikationsmöglichkeiten geschaffen und die Konsumenten durch künstlich erzeugte Spannungsbögen bei der Stange gehalten. Serien wie Lindenstraße“ oder „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ funktionieren erfolgreich nach diesem Prinzip.
Und die Sylvie-Sabia-Schlammschlacht ebenfalls, deren Protagonisten und Plot – nach Soap-Kriterien – einfach gut sind: Rafael, ein liebenswerter Junge, der sich aus dem Wohnwagen zum Top-Fußballer hochgearbeitet hat. Sylvie, die sexy-quirlige, nicht unsympathische, aber etwas künstlich wirkende Moderatorin mit Holland-Akzent. Sabia, die üppige, etwas ordinäre Brünette mit türkischen Wurzeln und drei Kindern von zwei Männern. Es geht um Eifersucht, Schläge in der Silvesternacht, Untreue, vernachlässigte Kinder und verratene Freundschaften. Und das dort, wo die Fassade so schön, das Bankkonto so voll, das Glück so perfekt, das Lächeln so breit und der Erfolg so sicher zu sein schien.
Was derzeit medial passiert, ist die logische Fortsetzung dessen, was wir seit Jahren erleben. Denn ob Hochzeit, Geburt und Herzoperation von Sohn Damian, Sylvies Krebserkrankung, der Inhalt von Sylvies Kleiderschrank, Geburtstage und in VIP-Logen gefeierte Fußballerfolge – die Presse war stets willkommen, durfte und sollte über alles berichten. Aus dem Paar van der Vaart wurde die Marke van der Vaart. Was angeblich vor allem Sylvies Ehrgeiz und ihrem Wunsch nach Öffentlichkeit geschuldet ist und wohl einer von vielen Gründen dafür sein könnte, warum die Beziehung tatsächlich scheiterte.
Keiner der drei ist gut beraten
Rafael selbst gilt nicht als großer Fan von roten Teppichen. Aus den aktuellen Diskussionen hält sich der HSV-Spieler, ob aus Klugheit oder einfach nur unbewusst, weitestgehend heraus. Medial und geschäftlich werden Sylvie und Rafael allerdings beide von dem niederländischen Anwalt Robert Geerlings beraten, der seit vielen Jahren Freund und Vertrauter der Familie ist. In Hamburg wird Sylvie gelegentlich von PR-Frau Alexandra von Rehlingen betreut. Man kennt sich von früher, als die van der Vaarts schon mal in Hamburg lebten. Sabia hat (noch) keinen Manager. Das ist wohl aber nur eine Frage der Zeit. Richtig gut beraten scheint gerade keiner zu sein.
Vielmehr sind die Beteiligten, frei nach dem Soziologen Paul Watzlawick, bestens in der Lage, nicht nicht zu kommunizieren. Leider, mag so mancher denken. Sicher ist, dass diese Soap fortgesetzt wird. Denn wer den Aufstieg der van der Vaarts interessiert verfolgt hat, wird auch den Niedergang mit ansehen wollen. Und wer sich öffentlich auszieht und den Applaus genießt, darf sich nicht wundern, wenn er plötzlich nackt dasteht und niemand einen Bademantel reicht. Schlimm ist, dass diese Soap real ist. Am Ende werden die darunter leiden, die sich nicht selbst schützen können. In diesem Fall sind das die Kinder von Sabia und Sylvie.