Juli Zeh, Richard David Precht und Paul Nolte im Gespräch. Zur Überraschung der Zuhörer hatte keiner der drei Gäste nach eigenem Bekunden das K-Duell am Sonntag mitverfolgt.
Hamburg. Warum ist dieser Wahlkampf eigentlich so ereignislos? Welche Themen werden ausgespart, und welche wären wichtig für die Zukunft des Landes? Zur Klärung dieser Fragen hatten das KörberForum und der „Spiegel“ die Publizistin Juli Zeh, den Allround-Philosophen Richard David Precht und den Historiker Paul Nolte zu ihrem Diskussionsforum an den Kehrwieder eingeladen, also quasi das aktuelle Triumvirat der Gesellschaftsdeuter. Sie blickten vom Podium auf einen restlos gefüllten Saal mit vielen gelichteten Stirnen und dem sportiven Chic der Ü50-Hanseatinnen.
Zur Überraschung der Zuhörer hatte keiner der drei Gäste nach eigenem Bekunden das K-Duell am Sonntag mitverfolgt. „Wir erwarten, dass es richtig kracht, damit wir Spaß haben“, sagte Zeh. Es habe aber nicht gekracht, weil alle „nett rüberkommen“ wollten. Nolte hätte lieber einen Wahlkampf erlebt, „der uns Wähler mehr betrifft“. Gemessen am Wahlkampf sei dies „die unwichtigste Wahl in der Geschichte der Bundesrepublik“, bemängelte Precht.
Fatal findet Juli Zeh den Parteien-Grundsatz, den Bürgern keine Aufregung zuzumuten. „Warum glauben die, dass wir es nicht ertragen, eine Richtungsdiskussion über Europa oder die NSA zu führen?“ Warum spielte das Thema Überwachung überhaupt eine so geringe Rolle? So lange wir uns gerne Apps aufs Smartphone laden, sei die Wachsamkeit eine „individuelle Güterabwägung“, sagte Nolte. Die Überwachung stelle jeden Bürger unter Generalverdacht, hielt Zeh dagegen. Eine echte Kontrolle der Geheimdienste habe die Politik nicht. Precht führte den Faden weiter: Die Informationstechnologie kremple Bildung, Medien, „unsere gesamte politische Kultur und den gesellschaftlichen Zusammenhalt um“. Digitale Supermächte wie Facebook und Google stünden aber nicht zur Wahl. Wie die Bürger Einfluss auf diese Entwicklungen gewinnen könnten – auch da habe die Politik kein Konzept.
Nolte dagegen sieht durchaus Reaktionen in der Politik: In Deutschland habe sich doch die Partei der Piraten gegründet. Vielleicht sei Deutschland heute „in der Normalität der Demokratie angekommen“, die Phase der großen Utopien sei vorbei. Merkels Unaufgeregtheit entspreche dem Gefühl vieler Bürger: „Insofern werden wir von uns selbst regiert.“