Seit Langem ist das Mahnmal in der Hamburger Innenstadt als Gedenkstätte Teil der Erinnerungskultur, doch erst jetzt wird das Geschehen in einem Museum umfassend dargestellt.

Hamburg Die Zerstörung Dresden durch alliierte Bomberverbände im Februar 1945 ist in der britischen Öffentlichkeit schon lange ein Thema, die bereits im Juli 1943 erfolgten Luftangriffe auf Hamburg sind dagegen noch immer weitgehend unbekannt. „Ich habe versucht, britische Fernsehsender zu überreden, eine Sendung über den 70. Jahrestag der Bombardierung Hamburgs zu machen. Leider bin ich auf kein Interesse gestoßen, sodass nichts zustande kam“, sagt der britische Historiker Richard Overy. Der Zeitgeschichtler, der an der University of Exeter lehrt, gehört zum wissenschaftlichen Beirat des neuen Museums des Mahnmals St. Nikolai, das am kommenden Sonntag eröffnet wird.

Etwa 1,3 Millionen Euro hat die Kulturbehörde für die komplette Umgestaltung der Kellergewölbe der ehemaligen Hauptkirche St. Nikolai zur Verfügung gestellt, eine private Spende von Reinhold Scharnberg in Höhe von 225.000 Euro machte es dem Förderkreis Mahnmal St. Nikolai möglich, die bisher eher bescheidene Ausstellung in ein Museum mit anspruchsvollem inhaltlichen Konzept umzuwandeln. Dabei wird deutlich, dass der Bombenkrieg ein extrem schwieriges Geschichtsthema Thema ist. Es ist noch immer emotional hoch besetzt, wird nach wie vor politisch instrumentalisiert, es wird relativiert oder gerechtfertigt, dient der moralischen Entlastung oder wird totgeschwiegen. Für viele Menschen, die die Bombennächte in Hamburg erlitten und überlebt haben, war und ist es eine traumatische Erfahrung, die sich nur schwer und über lange Zeiträume hinweg verarbeiten ließ.

Aber auch die jungen britischen Piloten, die im Rahmen der „Operation Gomorrha“ das Hamburger Stadtgebiet bombardierten, hatten Todesangst. Für sie bildete der Turm der von dem britischen Architekten Georg Gilbert Scott errichteten Hauptkirche St. Nikolai den Ziel- und Orientierungspunkt. Schon in der ersten Nacht wurde die Kirche stark beschädigt. Während der Turm bis heute erhalten blieb, ging das Kirchenschiff verloren. Seit Langem ist dieser besondere Ort als Gedenkstätte Teil der Erinnerungskultur, doch erst jetzt wird das Geschehen in einem Museum umfassend dargestellt.

Das inhaltliche Konzept stammt von der Historikerin Kristina Vagt von der Hamburger Forschungsstelle für Zeitgeschichte, die von einem zwölfköpfigen wissenschaftlichen Beirat beraten wurde. Bei der Ausstellungsgestaltung setzte die in Köln ansässige Agentur „krafthaus“ einerseits auf originale Objekte und Dokumente, zugleich aber auch auf multimediale Elemente. Der Rundgang beginnt mit der Geschichte des neogotischen Bauwerks, während im zweiten Raum die Ursachen, Rahmenbedingungen und die Vorgeschichte des Luftkriegs dargestellt werden. Als einziges Element der alten Ausstellung ist hier auch die vom Historischen Museum Warschau konzipierte Darstellung der Angriffe der Deutschen Wehrmacht auf Polen und die Zerstörung Warschaus wiederzufinden. Thema im Hauptraum, der sich direkt unterhalb der ehemaligen Apsis befindet, ist die Operation „Gomorrha“. An Stelen aus künstlich gerostetem Stahl sind Dokumente, aber auch originale Objekte wie Blindgänger englischer Sprengbomben zu sehen. Es geht um technische und physikalische Zusammenhänge wie die Entstehung des „Feuersturms“, vor allem aber darum, was die Bombardierungen für die Menschen in Hamburg bedeutet haben.

In der Mitte des Raum steht ein Medientisch, auf dem sich alle wichtigen Fakten abrufen lassen: vom zeitlichen und topografischen Ablauf der Angriffe über die Maßnahmen der Flugabwehr, die unterschiedliche Verteilung der Zerstörungen im Stadtgebiet bis hin zu Audio- und Video-Dokumenten mit den Aussagen von Zeitzeugen.

Im letzte Ausstellungsteil geht es schließlich um die Erinnerung an das Geschehen, um die künstlerische und literarische Auseinandersetzung in Werken wie Hans Erich Nossacks „Der Untergang“ oder zuletzt in der umfassenden zeitgeschichtlichen Studie „Der Brand“ von Jörg Friedrich, die eine heftige Debatte über die Erinnerungskultur nach sich zog. Hier lädt eine Lese-Ecke die Besucher dazu ein, sich selbst mit der zum Thema „Bombenkrieg und Erinnerung“ zusammengestellten Auswahl von Forschungsliteratur auseinanderzusetzen. „In unserem Museum stellen wir nicht die Frage nach Schuld und Sühne, sondern wollen das Geschehen verstehbar machen“, sagt Klaus Francke, der Vorsitzende des Förderkreises Mahnmal St. Nikolai.

Daher richtete sich das Museum einerseits an die Überlebenden des Bombenkriegs, vor allem aber an deren Nachkommen sowie an in- und ausländische Besucher der Stadt. Das neue Museum versteht sich einerseits als Gedenkstätte, zugleich aber als Lernort, der die Geschichte des Bombenkriegs historisch, politisch, aber auch soziologisch und psychologisch beleuchtet.