Die britische Heavy-Metal-Band Iron Maiden begeisterte 12.000 Fans in der seit Wochen ausverkauften O2 World mit einem Retro-Programm

Hamburg „Scream for me, Hamburg!“ Wie viele Tausend Male Sänger Bruce Dickinson diesen Satz wohl schon gebrüllt hat. Mit jeweils anderem Ortsnamen natürlich, aber immer im gleichen Duktus: Ich bin hier, wo seid ihr, wir wollen die Sau rauslassen heute Nacht! Auch in der seit Monaten ausverkauften O2 World ist sofort Partystimmung angesagt, als Iron Maiden nach dem üblichen Intro (seit Jahr und Tag „Doctor Doctor“ von UFO) auf die Bühne stürmt. Wobei: „Iron Maiden“ sagt hier niemand. Dickinson, Bandchef Steve Harris und all die anderen sind schlicht „Maiden“, keine abgehobenen Stars, sondern Kumpel irgendwie, die einen durch die Jugendzeit begleitet haben, die den Gegenentwurf zu Hip-Hop, Techno oder Grunge lieferten und denen man auch ein paar schwächere Platten nachgesehen hat.

Wie treu die Fanbasis ist, zeigt sich nicht nur an den Ticketverkäufen, sondern auch am Merchandise-Umsatz. Trotz hoher Preise (30 Euro für ein Tourshirt, 100 Euro für ein Hockeytrikot mit Bandaufdruck) sind die Stände umlagert. Der Gesamtwert der in der Arena zur Schau getragenen Shirts dürfte konservativ geschätzt bei einer Viertelmillion Euro liegen, denn wer sich hier nicht qua Outfit zu den Urvätern der New Wave Of British Heavy Metal bekennt, ist klar in der Minderheit. Und wer sich von dem, was er an diesem Abend geboten bekommt, nicht vollkommen begeistern lässt, auch. Nachdem Iron Maiden zuletzt ihr doch einigermaßen kontrovers diskutiertes Album „The Final Frontier“ auf einer Tour vorstellte, ist jetzt Retro total angesagt. Heißt: keine neuen Stücke, sondern in Sachen Bühnenshow und Songauswahl eine leicht geliftete Version der längst legendären 88er-Setlist.

Heißt: Kracher wie „Moonchild“ , „Can I Play With Madness“, „The Trooper“ oder „2 Minutes To Midnight“ hintereinander weg. Heißt: Euphorie und Mitgrölmodus ab Minute eins. Lediglich bei „Afraid To Shoot Strangers“, eine ruhige Nummer, die die Gedanken eines Golfkriegssoldaten beschreibt, dessen Kampfeinsatz unmittelbar bevorsteht, kehrt etwas Ruhe ein. Ansonsten wird gefeiert, als sei wieder 1988, als würde das T-Shirt noch nicht über dem Wohlstandsbauch spannen und als wäre „Running Free“ nicht nur eine verführerische Fantasie, sondern tatsächlich eine Option.

Dazu knallen die Funkenfontänen, schiebt sich Band-Maskottchen Eddie auf die Bühne und fordert Bruce Dickinson einmal mehr, man solle für ihn – genau – schreien. Überraschend ist das alles nicht, ein großer Spaß aber schon.

Dem Ehrliche-Haut-Image werden die Mittfünfziger mit Working-Class-Background jedenfalls mal wieder gerecht. Auch wenn sie natürlich längst vielfache Millionäre sind und ihre Freizeit gern auf dem Golfplatz verbringen. Da lässt es sich wohl verschmerzen, den Sprung nach ganz ganz oben, dorthin wo sich etwa Metallica tummelt, nie geschafft zu haben. Aber für diesen Platz an der Kommerzsonne ist Iron Maiden schlicht zu schlicht. Harris und seine Männern sind Arbeiter, exzellente Handwerker, doch sie sind nicht cool. Ihre Tätowierungen sehen aus wie selbst gestochen, ihr Kleidungsstil ist so unspektakulär, dass maximal ein Jogginghosen-Produzent mit ihnen werben könnte und vor allem hatten sie – anders als Metallica mit „Nothing Else Matters“ – nie einen Überhit, der auch in der letzten Dorfdisco noch zum Standardrepertoire gehört.

Überlegungen, die in der O2 World aber niemand anstellt. Als nach knapp zwei Stunden das Hallenlicht wieder angeknipst wird, herrscht rundum Zufriedenheit. Vom Band läuft Monty Pythons „Always Look On The Bright Side Of Life“, auch das hat Tradition, und entlässt 12.000 Fans in die warme Sommernacht. „War wie immer“ heißt in diesem Fall. „War super.“ Jetzt noch schnell ein Shirt abgreifen, dann nach Haus. Ende gut alles gut. Und im nächsten Jahr gerne wieder.