"Früher war ich mal 1,50, heute bin ich ein bisschen kleiner", sagt Esther Bejarano , 88, die in Wahrheit ein ganz großer Mensch ist. Die Sängerin wurde 1924 im Saarland als Tochter eines jüdischen Kantors geboren. Im Holocaust hat sie neben den Eltern auch weitere Familienangehörige verloren. Sie selbst überlebte das Vernichtungslager Auschwitz nur knapp.

Nach der Befreiung ging sie nach Israel, kehrte aber 15 Jahre später nach Deutschland zurück. Als Interpretin jüdischer und antifaschistischer Lieder machte sie sich bald einen Namen. Aber Esther Bejarano stand nicht nur als Künstlerin auf Bühnen, sondern gab und gibt immer wieder als Zeitzeugin Auskunft. Generationen von Hamburger Schülern haben durch sie erfahren, was die NS-Zeit tatsächlich bedeutet hat. Auch heute noch zieht sich die88-Jährige nicht in ihre schöne Wohnung in Groß Borstel zurück, sondern engagiert sich im Auschwitz-Komitee, dessen Vorsitzende sie noch immer ist. Am 15. Mai eröffnet sie am Kaiser-Friedrich-Ufer die Marathonlesung aus den von Nazis verbrannten Büchern.

Trotz ihres Schicksals ist Esther Bejarano nicht verbittert und oft auch fröhlich. Aber wenn sie wieder einmal von einem Übergriff oder einer Neonazi-Demo erfährt, wird sie zornig. Sprachlos macht sie das nicht. Im Gegenteil, dann spricht die Zeitzeugin laut und mit fester Stimme. Eine große alte Dame, der man zuhören sollte.