Georg Mascolo und Mathias Müller von Blumencron sollen abgelöst werden. Magazin will Doppelspitze abschaffen. Ausschlaggebend für den beabsichtigten Wechsel in der „Spiegel“-Chefredaktion soll ein Zerwürfnis zwischen den beiden sein.
Hamburg. Dass es womöglich keine so fürchterlich gute Idee war, Georg Mascolo und Mathias Müller von Blumencron zu gleichberechtigten Chefredakteuren des „Spiegels“ zu machen, hätte der Geschäftsführung und den Gesellschaftern des Nachrichtenmagazins eigentlich schon im Februar 2011 auffallen können. Damals entschloss man sich, den beiden, die – vornehm ausgedrückt – nicht gerade beste Freunde sind, unterschiedliche Zuständigkeitsbereiche zuzuteilen. Seither ist Mascolo verantwortlich für den gedruckten „Spiegel“. Müller von Blumencron kümmert sich um die digitalen Angebote des Hauses.
Genützt hat es nichts. Die Chefredakteure zankten weiter. Nun will sich der „Spiegel“, wie das Abendblatt aus Gesellschafterkreisen erfuhr, von ihnen trennen. Derzeit wird ein neuer Chefredakteur gesucht. Es sollen bereits mehrere Kandidaten angesprochen worden sein.
Bei der Realteilung vor gut zwei Jahren hatte man übersehen, dass eine Trennung von Print und Online unsinnig ist. Bei anderen Blättern wird sie gerade wieder aufgehoben. Und auch beim „Spiegel“ merkte man schnell, wie sehr sich beide Sphären überlappen. So gingen die Streitereien zwischen Mascolo und Müller von Blumencron weiter. Strittig war zwischen beiden beispielsweise, ob Teile von Spiegel Online kostenpflichtig werden sollten. Mascolo war dafür, Müller von Blumencron dagegen.
Ausschlaggebend für die beabsichtigte Trennung ist wohl, dass der Dauerstreit zwischen Mascolo und Müller von Bumencron eine vernünftige Verzahnung von Print und Online unmöglich machte. Aber es gibt auch andere Gründe: So soll „Spiegel“-Geschäftsführer Ove Saffe darüber verärgert sein, dass Müller von Blumencron sich offenbar standhaft weigert, eine neue Online-Strategie umzusetzen. Sie sieht vor, Spiegel Online als kostenloses Newsportal fortzuführen. Angebote, die aber über eine rein nachrichtliche Berichterstattung hinausgehen, sollen künftig kostenpflichtig sein.
Mascolo wird für eine verfehlte Titelpolitik und den damit einhergehenden Auflagenverfall verantwortlich gemacht. In seiner gut fünfjährigen Amtszeit ging die verkaufte Auflage des „Spiegel“ von 1.050.000 auf 891.000 Exemplare zurück. Zudem soll nach Abendblatt-Informationen Geschäftsführung und Gesellschafter beunruhigen, dass sich fast die gesamte Redaktion gegen Mascolo gestellt hat. Grund dafür sei dessen ruppiger Führungsstil.
Mascolo und Müller von Blumencron sind seit dem 5. Februar 2008 Chefredakteure. Sie folgten nach quälend langer Nachfolgersuche auf Stefan Aust. Zuvor hatte „Heute-Journal“-Moderator Claus Kleber abgesagt, der ursprünglich als Wunschkandidat galt.
Auch in der derzeitigen Phase der Nachfolgersuche konzentrieren sich die Gesellschafter auf externe Kandidaten. Vom Prinzip der Doppelspitze wollen sie sich nach Abendblatt-Informationen verabschieden. Der neue Chefredakteur soll gleichermaßen für Print und Online verantwortlich sein.
Unter den „Spiegel“-Gesellschaftern – der Mitarbeiter KG, dem Zeitschriftenhaus Gruner + Jahr und den Erben von „Spiegel“-Gründer Rudolf Augstein – ist die Notwendigkeit der Neubesetzung der Chefredaktion unstrittig. Lediglich der „Spiegel“-Redakteur Gunther Latsch, der erst kürzlich in die Geschäftsführung der Mitarbeiter KG gewählt wurde, soll sich anfangs gegen eine Ablösung Mascolos ausgesprochen haben. Dass die beiden Chefredakteure dem „Spiegel“ in anderer Funktion erhalten bleiben, ist unwahrscheinlich. Die Gesellschafter sollen bereits konkrete Vorstellungen über die Höhe ihrer Abfindungen haben.
Der „Spiegel“ selbst lehnt jede Stellungnahme ab. Eine Sprecherin bezeichnet Informationen über den beabsichtigten Wechsel in der Chefredaktion als „Gerüchte und Spekulationen, die wir nicht kommentieren wollen“.
Die Medienkolumne im Hamburger Abendblatt in der Sonnabend-Ausgabe entfällt aus aktuellem Grund.