Kinogänger kennen Fahri Yardim aus dem Film “Keinohrhasen“. Im neuen Hamburg-“Tatort“ spielt er den Kollegen von Til Schweiger.
Hamburg. Sein Eitelkeitsgen ist ganz offensichtlich weniger ausgeprägt als bei anderen Schauspielern. Es kratzt nicht die Spur an Fahri Yardims Ego, dass er sein "Tatort"-Debüt vor geschätzten mehr als zehn Millionen Zuschauern im geblümten Krankenhausnachthemd feiert, während Til Schweiger auf fahrende Autos hechtet und Bösewichte umnietet. Zum Treffen im Caféhaus bringt er weder eine um das Schauspielerimage besorgte Agentin noch einen Papierstapel mit Spielregeln zur Interviewveröffentlichung mit. Sondern blendend gute Laune und sehr viel Zeit. Als das Gespräch auf die Integrationskomödie "Kebab Connection" kommt, sagt er zwischen zwei Schlucken Mineralwasser: "Das war ein Film mit so vielen schwarzhaarigen Menschen, dass sie nicht umherkamen, mich zu casten." Augenzwinkern. Der Film aus dem Jahr 2005 wurde ein Kinoerfolg, Fahri Yardim, heute 32 Jahre alt, spielte sich mit Lausbubengrinsen und ungekünsteltem Charme in die Zuschauerherzen.
Seither gilt er als eine Art Rettungskapitän für deutsche Filmkomödien. Ausgestattet mit hauchfeinen Antennen für Timing und einer Ausstrahlung, die vermuten lässt, dass er als Kind in einen Kessel Charisma geplumpst ist. Kein Wunder, dass er es bis zum "Tatort" geschafft hat. Die Szenen, in denen Kommissar Yalcin Gümer "die Schnauze baumeln lässt", wie Fahri Yardim das nennt, gehören zu den unterhaltsamsten des Sonntagskrimis. Gümer ist ein pfiffiges Kerlchen, denkt schnell und schnackt noch schneller. Selbst im Krankenhausbett mit zerschossener Kniescheibe stöpselt er den Handyknopf ins Ohr und lotst seinen Partner durch den Kiezdschungel. Haut dabei Klopper raus ("Ich war gerade ganz allein Pipi machen"), bei denen nur sehr spaßbefreite Leute nicht zumindest schmunzeln müssen. Wo der neue Hamburg-"Tatort" sonst auf dicke Hose macht, drückt ihm Fahri Yardim eine Portion Gelassenheit auf.
Den Quotenmigranten und Klischee-Fremden im Präsidium zu geben, darauf hatte er partout keine Lust. Also ist Kommissar Gümer ein typischer "Hamburger Jung". Von ein paar türkischen Würstchen im Kühlschrank einmal abgesehen, interessiert seine Herkunft im Film nicht weiter. "Mir gefällt, dass ausgerechnet der Typ mit dem Migrationshintergrund so sehr für Hamburg steht", sagt Yardim, dessen Eltern in den 70er-Jahren als Studenten aus der Türkei nach Hamburg kamen. Fahri Yardim ist hier geboren, machte nach der Schauspielschule erste Bühnentrippelschritte am Allee-Theater und dem Ernst-Deutsch-Theater.
Mit Til Schweiger hat er bereits in "Keinohrhasen" und den "Männerherzen"-Filmen zusammengearbeitet - und wenn man Schweiger eines nicht absprechen kann, dann ist das sein Riecher für den richtigen Darsteller zur richtigen Zeit. Nora Tschirner, Matthias Schweighöfer, Fahri Yardim. So ein Kompliment ist Yardim natürlich viel zu dick aufgetragen. Überhaupt lobt er lieber andere als die eigene Schauspielkunst, den "Tatort"-Regisseur zum Beispiel mit den Worten: "Christian Alvart ist ein Kapitän. Er hat mit einem riesigen Frachter dreimal eine Pirouette gedreht, ohne Elbvertiefung." Taucht er selbst auf dem Bildschirm auf, legt der Schauspieler die Stirn in Dackelfalten. "Die Kamera ist eine Lupe, die alles einfängt. Es ist nicht immer ein Vergnügen, so stark mit seiner Arbeit konfrontiert zu werden. Und das ist ja nicht nur meine Arbeit. Das ist auch mein Körper, mein Typ, meine Nase. Das muss man erst mal aushalten."
Dabei beherrscht er die unerträgliche Leichtigkeit des Spiels wie nur wenige. Entzückt als schnauzbärtiger Gastarbeiter in dem Überraschungserfolg "Almanya - Willkommen in Deutschland" ebenso wie als hemdsärmeliger Rettungssanitäter in Lars Beckers "Geisterfahrer" (11. März, 20.15 Uhr im ZDF). Er besitzt eine Nase, die sein Gesicht vor beliebiger Lieblichkeit bewahrt. Seine Stimme klingt warm, weich, hafenkneipenverlebt. Yardim kann gleichzeitig rührend hilflos dreinschauen und scheinbar aus dem Handgelenk geschüttelte Pointen rausjagen. Ohne Dünkel und bedeutungsschweren Überbau räsoniert er übers Schauspielen, hat sich so viele kluge Gedanken über den nicht immer leichten Beruf gemacht, dass er einen Fortsetzungsroman füllen könnte. Bei der Vorbereitung auf einen Dreh setzt er lieber aufs Bauchgefühl als auf akribisches Nachempfinden der Figurenbiografie. "Für mich zählt die Unmittelbarkeit, in dem Moment, in dem ich spiele. Manchmal ist Vorbereitung auch gar nicht hilfreich. Wenn man mit einer vorgefertigten Rolle ans Set geht, hört man den anderen nicht mehr zu. Da entsteht nichts, das ist nicht lebendig", sagt er. Wenn das Drehbuch stimme, müsse man nicht "drei Tage in einem Schloss leben, um einen Prinzen zu spielen".
Vor zwei Jahren ist Yardim von Hamburg nach Berlin gezogen, "um herauszubekommen, wer ich noch bin, wenn ich raus bin aus den vertrauten Gefilden". Hamburg bleibt sein "Nest", die Kulturbegeisterung stillt er lieber in Berlin. "Kultur hat in Hamburg etwas Reißbretthaftes. In Berlin kommt's von unten. Und da komm ich her", sagt er. Fahri Yardim ist längst ganz oben angekommen. Steht ihm gut, der Erfolg. Und das Krankenhausnachthemd sowieso.
"Tatort - Willkommen in Hamburg" So 10.3., 20.15 Uhr, ARD