In “Stille“ spielt Jan Fedder am 13. Februar (ARD) einen von sich sonst sehr überzeugten TV-Journalisten in einer tiefen Lebenskrise.
Harry Cliewer ist das, was man prall nennt, in jüngster Zeit auch "Herrenwitz". Cliewer dröhnt gerne herum, lässt nichts anbrennen, trinkt zu viel, schaut jeder Frau sofort auf den Busen und versucht sie ins Bett zu bekommen. Seine langjährige Lebensgefährtin Amanda, seine Tochter, sein Sohn leben mehr oder weniger ein Leben ohne ihn. Da, wo Harry ist, ist auch Exzess - er ist mega-eitel, super-erfolgreich und Moderator einer viel gesehenen TV-Talkshow. Nur Gefühle, die hat er zu wenig. Harry ist jemand, der längst abgehoben hat, dem die Realität zu banal ist, es sei denn, er kann sie sich gefügig machen.
Jan Fedder spielt diesen Pfau und Macho, diesen Kerl, der nur lebt, wenn er Konkurrenz, Kampf und Komik auf anderer Leute Kosten wittert, mit Brummbärstimme, Hundeblick und jener rücksichtslosen Schnodderigkeit, die man an Alpha-Männern bewundert oder hasst.
Denn Cliewer ist keineswegs nur unsympathisch und furchtbar unsensibel. Er ist gesellig, neuerdings sogar ein Grübler. Anlass für seine Nachdenklichkeit ist die Veröffentlichung eines Romans. Sein Sohn hat ein Buch geschrieben, "Im Schatten des Allmächtigen", in dem der berühmte Vater vorgeführt und zum Gespött gemacht wird. Harry Cliewer wird darin, ganz realistisch, als geiler Bock und gnadenloser Selbstdarsteller entlarvt, als jemand, der null Interesse an seiner Familie hat - die Kinder leben luxuriös im Elend, ja, die ganze Familie ist ein Schlachtfeld.
Als Harry seine wichtigste Sendung hat, mit einem Top-Banker, kommt es vor laufenden Kameras zum Eklat. Harry verlässt das Studio, verlässt sein Leben, fährt in die winterliche Landschaft nach Südtirol, um hier die Stille zu suchen. In der erzwungenen Isolation einer Berghütte ohne Strom vibriert es aber in Harry weiter. Er redet mit sich selbst. Er wollte möglichst weit weg von der medialen Öffentlichkeit, die er so hervorragend bedient und die ihn zugleich beherrscht. Weg von seiner langjährigen Lebensgefährtin, die er zwar betrügt, aber dennoch nicht loslassen kann. Nun muss Cliewer feststellen, dass Stille kein Garant für inneren Frieden ist. In der Einsamkeit - konfrontiert mit der gnadenlosen Natur und seiner Vergangenheit - kämpft er um sein eigenes Überleben, denn der Natur ist er nicht gewachsen.
Der britische Erfolgsautor und Experte für Paar- und Familienkonflikte, Tim Parks, hat seinen elften Roman, "Stille", über den Starjournalisten Harry Cliewer geschrieben, der sich selbst wiederfinden will. Das Buch war Parks' größter Erfolg in Deutschland. Der österreichische Regisseur Xaver Schwarzenberger hat es nun mit einem tollen Ensemble - darunter Iris Berben als Harrys Lebensgefährtin Amanda - fürs Fernsehen inszeniert. Das Drehbuch schrieb Erfolgsautor Christian Jeltsch ("Tatort", "Polizeiruf 110", "Die Rebellin"). In weiteren Rollen sind unter anderem Anna Fischer, Leslie Malton, Florian Bartholomäi und Christine Kaufmann zu sehen.
Doch trotz der stimmigen Geschichte, trotz toller Bilder aus Hamburg (wo die Familie lebt) und Südtirol (wohin Harry flieht) bleibt die Story einer Lebenskrise zwischen Kitsch und Kälte hängen. Man wird nicht wirklich gepackt von der Geschichte. Der Bewusstseinsstrom, in dem Gegenwart und Erinnerungen ineinander fließen, legt sich dick über die Bilder, die Schmerz, Reue oder Schuld des Helden präsentieren und die doch allein aussagekräftig genug sein sollten.
Es gibt schöne, stille Szenen, etwa wenn Leslie Malton als Schwiegermutter und ihr Schwiegersohn aus lauter Kummer eine Affäre anfangen. Ein kleiner Blick deutet es an, und wenig später sind beide im Bett. Doch meist geht es ruck, zuck zu wie mit Säge und Hammer. Jedes Problem wird angepackt, bebildert und zügig bearbeitet.
Harrys Tochter Angel, eine begabte Musikerin, ist bei einem Autounfall umgekommen. Der Vater macht sich Vorwürfe. Angel war der einzige Mensch, den er geliebt hat, zum Sohn besteht nur Konkurrenz, der Frau gegenüber hat er Schuldgefühle. Doch auch Angel gegenüber war er unzuverlässig. Sie hatte sich so sehr gewünscht, ihn bei ihrem letzten Konzert zu sehen, doch er blieb lieber bei seiner Geliebten. Die Liebesszenen sind zwischen die Bilder aus dem Konzertsaal geschnitten.
Vielleicht liegt es an der Adaption des englischen Stoffes auf deutsche Verhältnisse, vielleicht auch daran, dass der differenziert gestaltete Romanstoff nicht so ganz in einen 90-Minuten-Film passt, dass man zu wenig von der Geschichte berührt wird. Wahrscheinlich liegt es aber an der Figur, die Jan Fedder spielt. Sein Harry ist eine Dampfwalze, ein kaum von des Gedankens Blässe angekränkelter Macho, der zwar in sich geht, dort aber offenbar nicht viel findet. Sicher, Fedder ist ein toller Schauspieler, ein stilsicherer Protz. Doch den Verunsicherten, den Nachdenklichen, den von Zweifeln Getriebenen, wie ihn beispielsweise Edgar Selge spielen würde, kann er nicht glaubwürdig vermitteln. Schade. Dennoch, kein schlechter Film, eine gute Geschichte, schöne Bilder - Schwarzenberger ist gelernter Kameramann - und ein attraktives Ensemble. Aber ob das für einen guten Fernsehabend reicht?
"Stille", 13. Februar, 20.15 Uhr ARD