Der NDR zeigt neue Folgen der Erfolgsserie “Tatortreiniger“ mit Bjarne Mädel, dem wohl besten deutschen Comedyformat.
Gute Fernsehserien spiegeln vieles, das Leben, die Liebe, die Gesellschaft. Sie überhöhen, verdichten, im besten Fall machen sie das mit Humor. Guckt man sich im deutschen Fernsehen um, ist es ausgerechnet das so eigenwillig wie geniale Comedyformat "Der Tatortreiniger", auf das diese Beschreibung am ehesten zutrifft. So simpel, so wenig breitbeinig kommt die Serie daher, dass gar nicht auffällt, wie klug die jeweils 25-minütigen Folgen gebaut sind, die der NDR wieder ab dem 2. Januar zeigt, sechs neue Folgen insgesamt.
"Der Tatortreiniger" beweist erneut, dass Bildschirmerfolge nicht planbar sind. Denn wer hätte ernsthaft gedacht, dass einer Serie einmal Zuschauerherzen und Grimme-Preis im Doppelpack zufliegen würden, in der ein Putzmann Blutspritzer von Leichen wegschrubbt. Der anrückt, wenn das Spektakuläre, der Mord, längst passiert ist. "Der letzte Dreck" sollte die Serie angeblich einmal heißen. Wer hätte geglaubt, dass einer wie der schnauzbärtige Durchschnittsverpeiler Heiko Schott, genannt Schotty, zum Helden taugt, der in die Kamera guckt wie ein Hamster, den man aus dem Winterschlaf gezerrt hat. "Meine Arbeit fängt da an, wo andere sich übergeben", sagt Schotty und wird beinahe rot vor Stolz auf die eigene Berufswahl. Für Kunden, die seinem Ermessen nach nicht bis drei zählen können, formuliert er es so: "Ich putz tote Leute weg."
Bjarne Mädel spielt die Rolle mit dem ihm eigenen Sinn für die Absurdität des Moments. Niemand kitzelt den betörenden Charme des Normalen, Banalen besser heraus als er. Nach der Büroheulsuse Ernie aus "Stromberg" und dem Dorfpolizistentrottel Dietmar Schäffer aus "Mord mit Aussicht" hat Mädel mit dem Tatortreiniger bereits zum dritten Mal eine Figur geformt, die ihre charakterlichen Defizite zum Lebensprinzip aufgestockt hat. Eine Figur mit dem Sexappeal einer fleischfarbenen Stützunterhose, die mit ihrer rührenden Unverstelltheit immer auch das Umfeld entlarvt.
Schotty ist Pragmatiker, Materialist, Bauchmensch. Er liebt Geld, Autos, Frauen. So harmlos er aussieht, so trickreich versteht er sich auf die kleinen Abkürzungen des Lebens. "Gebrochene Gemütlichkeit", nennt es NDR-Redakteur Bernhard Gleim, der den "Tatortreiniger" beim NDR verantwortet und sich vor Lob über seinen Hauptdarsteller gar nicht mehr einkriegt: "Bjarne Mädel schont sich nicht. Er arbeitet mit unvorstellbarem Einsatz an dieser Rolle und gibt sich nicht mit dem Nächstbesten zufrieden." Es ist das Gegenteil des genormten Formatfernsehens mitsamt seiner Harmlosigkeit, das Regisseur Arne Feldhusen, die Hamburger Autorin, die unter dem Pseudonym Mizzi Meyer schreibt, und Schotty-Darsteller Mädel interessiert. Mit schwarzhumorig-bösen Witz, den die Briten so gut beherrschen, einer guten Portion Wurschtigkeit und dem Wissen, wie nah Komik und Tragik beieinanderliegen, zielen sie auf menschliche Schmerzpunkte.
In den neuen Folgen trifft der in seine schneeweiße Schutzkluft gehüllte Schotty auf ein sehr blondes Castingshow-Sternchen (bezaubernd prollig: Alwara Höfels), berühmt geworden dafür, am längsten den Kopf vor laufender Kamera in die Kloschüssel gesteckt zu haben. Auf einen geföhnten Anzugträger, der sich am Telefon mit "Heil Hitler" meldet, sowie einen labilen Witwer, der seine Hausdrachenehefrau mit einer Axt umgelegt hat. Er wird mit vorgehaltener Pistole gezwungen, in einen Kleiderschrank zu steigen, rekonstruiert Blut mit Brombeermarmelade und philosophiert wie ein Universitätsprofessor über passive Blutflecken. Der große Bogen existiert in allen Folgen ebenso wie das Gewimmel der kleinen Zusammenstöße. Dabei entstehen Dialoge von teilweise kopfzersprengender Absurdität. Oft wirkt es, als spielte Schotty Tennis mit jemandem, der darauf beharrt, Rommé zu spielen. Oder umgekehrt.
Das ganze Geplänkel mündet auch mal in einem Wutausbruch: "Ich beruhige mich nicht, ich bin schließlich auch nur ein Mensch. Immer nur Blut und Tod und Ungeziefer, das hält doch keiner aus. Und dann werde ich immer noch in irgendwas reinverwickelt", brüllt Schotty. Er hört gerade mit dem Rauchen auf und ist ein wenig gereizt.
Es ist eine hübsche Randnotiz, dass Bjarne Mädel, bevor er eine der außergewöhnlichsten Schauspielkarrieren im deutschen Fernsehen startete, in den USA von Tür zu Tür lief und Allzweckreiniger verkaufte. Seit der "Tatortreiniger" das Licht der Welt erblickt hat, ist dieser Biografiepunkt eine beliebte Einstiegsfrage von Journalisten, die Bjarne Mädel auch zum hundertsten Mal freundlich beantwortet. Es sei kein Berufsziel gewesen, sagt er. Aber es ist natürlich nicht von der Hand zu weisen, dass einer wie Mädel eine Menge über die Menschen weiß, quer durch alle Schichten. Über ihre Wünsche und die Peinlichkeiten, die jeder sorgsam versteckt hält. All das packt er hinein in sein Spiel, wenn er wieder Schotty ist, der Menschenkenner im Putzgewand.