Ein Lagerhaus in Basel von Herzog & de Meuron erinnert in der Gestaltung an das Hamburger Monumentalprojekt. Absicht oder Zufall?

Hamburg. Kühne Linien in weitem Raum, die Glasfronten illuminiert, im oberen Bereich dominiert Leichtigkeit, unten Massivität: Wer die beiden Computersimulationen eines neuen Basler Lagerhauses und der Hamburger Elbphilharmonie nebeneinander sieht, ist verblüfft. Die Architekten sind in beiden Fällen die selben: Jacques Herzog und Pierre de Meuron.

Kann soviel Ähnlichkeit zweier Projekte Zufall sein? Abendblatt.de wollte es genau wissen und recherchierte in der Schweiz.

Das Lagerhaus:

Im Jahr 2008 begannen Jacques Herzog und Pierre de Meuron das Baseler Wohn- und Lagerhaus für das Entwicklungsareal Dreispitz zu entwerfen. Im März dieses Jahres wurde der Grundstein für das rund 40 Meter hohe Gebäude gelegt. Im Jahr 2014 soll es fertig sein. Der Sockel ist aus Beton, er soll einmal als Archiv dienen, in dem die Architekten laut „Baseler Zeitung“ Modelle und Unterlagen ihrer Projekte aufbewahren wollen. In den oberen Geschossen entstehen hinter großen Fenstern Wohneinheiten, die zickzackförmig zurückversetzt sind und von einer Art Betonkorb umfasst werden.

Die Elbphilharmonie:

Im Jahr 2003 hatten Herzog & de Meuron die Pläne für die Elbphilharmonie vorgelegt. Ihr Sockel ist ebenfalls massiv - ein historischer Kaispeicher aus Backstein. Und auch sie soll einen Aufbau aus mehr als 1000 Glaselementen haben, von denen viele unterschiedlich gewölbt sind. Im Jahr 2007 hatte die Stadt Hamburg mit dem Bau begonnen. Nach einem längeren Baustopp hatte der Senat erst vor wenigen Tagen beschlossen, dass die Stadt weiter mit Hochtief bauen will. Bis November 2016 ist die Fertigstellung der Elbphilharmonie geplant.

Das sagt das Architekturbüro:

Ähnlicher Eindruck, eine Hamburger Planung, die schon vorlag und quasi als Blaupause hätte dienen können, Glas auf Sockel - das kann doch kein Zufall sein? Doch, sagt man beim Architekturbüro Herzog & de Meuron. Eine Sprecherin erläutert auf Anfrage von Abendblatt.de zunächst ausführlich die Ausgangslage für das Baseler Projekt. Schon seit 2002 habe es eine Konzeptstudie für das Gewerbeareal Dreispitz in Zusammenarbeit mit der gemeinnützigen Baseler Christoph Merian Stiftung gegeben. „Das Dreispitzareal wurde Anfang des 20. Jahrhunderts als Materiallager- und Umschlagplatz eingerichtet und ist seitdem ein von Gewerbe- und Logistikunternehmen geprägtes Quartier“, heißt es bei Herzog & de Meuron. Die Studie stellte das Areal als eines der wesentlichen Entwicklungsgebiete im Baseler Städtebau heraus. Seitdem will die Stadt Basel mit Neubauten das Dreispitzareal „in einen lebendigen und urbanen Agglomerationsteil transformieren“, so das Bau- und Verkehrsdepartement. Also wie bei der Elbphilharmonie - Altes trifft auf Neues.

Zwar würde „durch die geschlossene monolithische Lagerstruktur“ auf den ersten Blick „eine typologische Ähnlichkeit zu einem Hafenspeicher“ entstehen, räumt eine Sprecherin des berühmten Architektenduos ein. Aber: „In Basel handelt es sich um einen Neubau und nicht um ein Gebäude, welches aus ‚Bestand‘ entsteht.“ Und: Der Baseler Aufbau, in dem sich die Wohnungen befinden, gründe auf eine Betonstruktur, während der Aufbau der Elbphilharmonie „ein kristalliner Glaskörper“ sei. Das mag für Experten ein Argument sein, der Betrachter in Hamburg weiß allerdings, dass auch die Glasfassade des Super-Konzerthauses nicht nur aus Scheiben besteht.

Aber die Sprecherin von Herzog & de Meuron verweist dann auf das wesentliche Unterscheidungsmerkmal, das das Basler Lagerhaus vom Hamburger Konzerthaus unterscheidet: „Ein Hafen ist nicht in der Nähe.“

Und auch in einer anderen Kategorie lässt sich das Baseler Projekt mit dem Hamburger nicht vergleichen. Wenn das Eröffnungskonzert in der Elbphilharmonie im Frühjahr 2017 stattfindet, wohnen die Baseler bereits seit drei Jahren in ihren Apartments auf dem Lagerhaus im Dreispitz.