Die Schauspielerin Maria Furtwängler im Abendblatt-Interview über den “Tatort“, Hollywood und die Wertschätzung von Frauen.
Obwohl sie in der Nacht nach der "Bambi"-Verleihung gewiss nicht viel Schlaf bekommen hat, nimmt Maria Furtwängler bestens gelaunt im Atlantic Hotel Platz, wo der neue "Tatort" der Presse vorgeführt wurde. Dann muss sie auch schon raus aufs Hoteldach, frieren für ein Fotoshooting. Sie lässt es lächelnd über sich ergehen, bestellt anschließend Tee und beantwortet jede Frage mit großer Konzentration.
Hamburger Abendblatt: Im Film geht es um Zwangsprostitution. Sie selbst engagieren sich in Kambodscha und auf den Philippinen für Mädchen und junge Frauen, die sich zwangsprostituieren. Warum liegt Ihnen das Thema so am Herzen?
Maria Furtwängler: Ich tue mich schwer mit der verbreiteten Ansicht, dass es ganz in Ordnung ist, zu Prostituierten zu gehen. Warum ist es so normal, für Sex zu bezahlen? Das macht doch etwas mit Menschen, wenn sie Frauen zu Objekten degradieren. Dass es mich berührt, wie mit Frauen in der Gesellschaft umgegangen wird, hängt auch damit zusammen, dass ich selbst eine Frau bin und eine Tochter habe.
Charlotte Lindholm reagiert auf das Thema ähnlich emotional wie Sie.
Furtwängler: Sie reagiert empfindlich darauf, dass Frauen wie zum Beispiel in dem Hannoveraner Rockermilieu, in dem unser Film teilweise spielt, als Menschen zweiter Klasse behandelt werden. Dieser "Tatort" wirft die Grundsatzfrage auf: "Wie gehen wir mit Frauen um?" Das treibt Charlotte genauso um wie mich. Ich bin über diesen Film wieder enger mit Charlotte Lindholm in Berührung gekommen, nachdem ich zuvor mit dem Gedanken gespielt hatte, die Rolle aufzugeben.
Ist es besonders schwer, passende Fälle für Charlotte Lindholm zu finden, die oft emotionaler sind als andere "Tatorte"?
Furtwängler: Es ist wahrscheinlich nur deshalb besonders kompliziert, weil es mit Maria Furtwängler besonders kompliziert ist. Warum sollte ich etwas spielen, das mich schon beim Drehbuchlesen nur mäßig interessiert. Ich mache nur, was mich reizt. Für den nächsten "Tatort" haben wir uns allerdings vorgenommen, nicht so dramatisch zu werden. Ich habe Lust, in eine absurde und makabere Richtung zu gehen.
Sie sind stark in den Entstehungsprozess des "Tatorts" eingebunden. Hier ging die Initialzündung von Ihnen aus, Sie haben am Drehbuch mitgeschrieben.
Furtwängler: Die Idee zum Fall hatten NDR-Fernsehspielchef Christian Granderath und ich gemeinsam. Ich hatte einen Artikel über Zwangsprostitution gelesen, Christian Granderath einen Artikel über einen Hannoveraner Staatsanwalt, der ins Rotlichtmilieu verwickelt war. Die beiden komplexen Themen in einen Doppel-"Tatort" zu verwandeln war für den Autor sehr anspruchsvoll. Stefan Dähnert hat spannende Fakten recherchiert und, wie ich finde, eine tolle Arbeit geleistet. Entscheidend war aber in der Endphase die Zusammenarbeit mit Franziska Meletzky, meiner zauberhaften Regisseurin.
Aber Schreiben scheint Ihnen zu liegen. Angeblich schreiben Sie ein Drehbuch.
Furtwängler: Sagen wir, ich versuche es. Das war ein Grund dafür, dass ich künftig nur noch einen "Tatort" pro Jahr drehen werde. Ich möchte mir Zeit nehmen, die Sachen, die bei mir zu Hause in der Schublade liegen, endlich weiterzuentwickeln. Außerdem steht ein Kinoprojekt an. Die Figur Leni Riefenstahl wäre auch eine große Herausforderung.
Das Kürzertreten beim "Tatort" ist also kein Abschied auf Raten?
Furtwängler: Im Gegenteil. Es ist die Bestätigung: Ich bleibe dabei. Als ich darüber nachgedacht habe, ob ich mich vom "Tatort" verabschieden soll, ist mir klar geworden, dass ich nur mehr Zeit für andere Projekte haben möchte.
Zum Beispiel fürs Theaterspielen.
Furtwängler: Ja, ab Januar stehe ich im Theater am Kurfürstendamm in "Gerüchte, Gerüchte" auf der Bühne, eine Farce des US-Dramatikers Neil Simon. Das Stück steht im Gegensatz zu allem, was ich bislang gemacht habe. Neues auszuprobieren reizt mich. Stillstand ist schrecklich.
Sie arbeiten intensiv an sich als Schauspielerin, haben zuletzt in Hollywood Unterricht genommen.
Furtwängler: Mir gefällt die Ernsthaftigkeit, mit der die Amerikaner auf den Schauspielberuf blicken. Dort ist es selbstverständlich, dass man versucht sich weiterzuentwickeln. Wenn man bei uns erzählt, dass man mit einem Schauspiellehrer arbeitet, muss man sich immer anhören: "Echt, hast du das denn nötig? Ist das nicht Talent?" Die meisten Leute glauben, wir läsen die paar Zeilen im Taxi und servierten sie später am Set mal eben ab. So einfach ist es leider - oder zum Glück - natürlich nicht.
An was genau wollten Sie für diesen "Tatort" arbeiten?
Furtwängler: Ein Zweiteiler verlangt einen anderen schauspielerischen Atem. Ich muss 180 Minuten lang, die kreuz und quer gedreht werden, immer wissen: Wo steht die Figur, was empfindet sie? Ich muss wirkliche Momente herstellen in Situationen, die unwirklicher nicht sein können. Ich bin keine Kommissarin, die Komparsin hat Leichenschminke im Gesicht und eine Wärmflasche unter dem Rücken. Es ist also alles ein wildes Durcheinander. Meine Aufgabe ist es, daraus einen wahrhaftigen Moment für den Zuschauer zu machen. Ich glaube, in dem Fall ist mir und uns das gelungen.