Der Konzertveranstalter Karsten Jahnke wird heute 75 Jahre alt. Heinz Rudolf Kunze, einer seiner langjährigen Künstler, gratuliert.
Das Konzertbusiness in Deutschland kennt eine Handvoll herausragender Persönlichkeiten wie Fritz Rau, Marek Lieberberg, Marcel Avram, Hans Werner Funke - und eben ihn. Jeder dieser Männer (es sind tatsächlich nur Männer) hat seinen eigenen Stil entwickelt: laut, leise, intellektuell, hemdsärmelig, offensiv. Karsten Jahnke ist unter ihnen der Stille im Lande. Seine Bedächtigkeit, Unaufgeregtheit, Gelassenheit gerade im Umgang mit schwierigen Situationen (und die gibt es in diesem Geschäft jeden Tag) prädestiniert ihn geradezu für ein ehrenwertes Klischee: Hanseat. Mehr Hamburg in einer Person als bei ihm geht nicht, höchstens bei Jan Fedder. Bei Künstlern, Medienleuten und Mitbewerbern weit über unsere Grenzen hinaus herrscht Konsens: "Karl Jay" ist zuverlässig, ehrlich und geduldig - er liebt die lange Zusammenarbeit mit Musikern und wird dafür wieder geliebt.
Er ist offen für junge Talente und fördert die nach Kräften, um dann so oft wie möglich zu beiderseitigem Nutzen an ihnen festzuhalten. Ich kenne ihn nunmehr seit 31 Jahren. Auch ich habe bei ihm angefangen und dann 15 Jahre lang große Erfolge mit ihm genießen dürfen. Nach einigen Ausflügen bin ich gerade wieder zu ihm zurückgekehrt. Als ich nach längerer Abwesenheit durch die Tür seines Büros kam, blickte er kurz von seiner Tasse mit grünem Tee auf, lächelte und murmelte: "Hallo Heinz." Als hätten wir uns erst am Tag zuvor gesehen. So ist er. Es klingt unglaubwürdig in unseren Zeiten, aber er ist einer dieser Männer alter Schule, bei denen ein Handschlag noch etwas gilt.
Das Hamburger, ja das deutsche Musikleben ohne ihn, es sähe anders aus und vermutlich weniger ... lebendig. Die großen Stars, die kleinen Geheimtipps, er kennt sie alle, und wenn er sie nicht landesweit auf Tournee geschickt hat, dann hat er sie zumindest als örtlicher Veranstalter nach Hamburg geholt, Pink Floyd beispielsweise ins Audimax, lange bevor sie Riesenhallen und dann Stadien füllten. An der Weltkarriere von Al Jarreau hat er maßgeblichen Anteil - dieser Sound kam ihm besonders entgegen, denn seine allergrößte und gar nicht heimliche Liebe gehört wie bei so vielen Musikliebhabern seiner Generation dem Jazz, für den er sich trotz dessen magerer Marktchancen treu und hartnäckig einsetzt. Seiner grundsätzlichen Neugier auf alles Interessante hat das nie einen Abbruch getan. Wenn wir gerade heute wieder eine neu erwachende Begeisterung für handgemachte Folkklänge aller Art erleben, geht auch das auf seine Pionierarbeit zurück. Er brachte in den 70er-Jahren als Erster die Dubliners nach Deutschland, daraus entstand eine enge Freundschaft mit dieser Band und eine tiefe Zuneigung zu ihrer Heimat. In Irland hat Jahnke ein Haus, in das er sich gelegentlich zurückzieht, ohne aber seine Agentur bis zum heutigen Tag aus den Augen zu verlieren, vital wie eh und je hat er alle aktuellen Projekte im Blick und hält alle Fäden in der Hand. Als hierzulande noch kaum jemand The Cure kannte - im Rückblick sicher eine der weltweit einflussreichsten Bands der letzten 30 Jahre -, tourten sie bereits unter dem "kj"-Logo. Auch ein junger aufstrebender Deutschrocker namens Marius Müller-Westernhagen hat es Jahnke zu verdanken, dass er nicht lange allein als Theo gegen den Rest der Welt stand, sondern sein Stern strahlend aufging.
Wenn man Jahnke selbst nach seinen größten Erfolgen fragt, antwortet er grinsend und mit funkelnden Augen wie aus der Pistole geschossen: Insterburg und Co. Er hat sie entdeckt und nie ein Konzert mit ihnen durchgeführt, das NICHT ausverkauft war. Das war eine große Tat Anfang der 70er, die für sein Gespür spricht: Jahrzehnte vor der Comedy-Welle, die einiges Bemerkenswerte und viel Überflüssiges an den Strand gespült hat, hatte diese Berliner Blödeltruppe in Deutschland durchaus ein Alleinstellungsmerkmal. In ihrer Verulkung des 68er-Geistes waren sie die rote Clownsnase auf Rudi Dutschkes Weltschmerzgesicht. Meine Generation empfand sie als herzerfrischende Antwort auf die frühen Mothers of Invention. Mit meinem Freund Klaus Hoffmann, dem Jacques Brel Berlins, arbeitet Jahnke bereits seit Zeiten zusammen, als ich noch in Osnabrück studierte. Und es war ein Jahnke-Konzert mit Hoffmann in der Osnabrücker Stadthalle 1978, dem ich eine wesentliche Anregung für meine Liveauftritte entnommen habe: Klaus war der erste Künstler, bei dem ich jemals zwischen den Liedern kurze, merkwürdige Sprechtexte hörte. An dem Abend habe ich beschlossen, es auch so zu machen.
Last but not least (und auf wie viele hätte ich noch eingehen können - Joe Cocker, den er in, nun ja, angegriffener Verfassung vorfand und mit mehreren Kannen Kaffee doch noch zum Singen brachte; Chuck Berry, mit dem er noch Sekunden vor dem Auftritt die Gage nachverhandeln sollte, was er stoisch und erfolgreich ablehnte; die Anekdoten sind Legion ...): Herman van Veen. Das holländische Allroundgenie und KJ, dazwischen passt kein Blatt Papier. Sicher war Herman in den Niederlanden schon früh ein Superstar, aber sein europaweiter, schließlich weltweiter Erfolg nahm unzweifelhaft mit seinen von Karsten begleiteten Triumphen hier bei uns seinen Ausgang. Dass ich im Lauf der Zeit über 20 Texte und ein paar Kompositionen für ihn schreiben durfte, lag auch hauptsächlich daran, dass Jahnke unsere ähnliche Wellenlänge entdeckt und uns miteinander bekannt gemacht hat. Und nun wird dieser Mann 75 Jahre alt, unglaublich, aber wahr. Die Leidenschaft und Uneitelkeit, mit der er seinen Beruf, seine Berufung ausübt, wünscht man vielen, die halb so alt sind wie er. Lass dich mal wieder feiern. Keine falsche Bescheidenheit. Die richtige hast du drauf, das wissen wir. Wir brauchen dich, noch lange. Lass uns nicht hängen, mein Alter.
Herzlichen Glückwunsch!