Ob mit „Stahlnetz“, „Ein Herz und eine Seele“ der Talkshow „3 nach 9” oder „Motzki“ - Wolfgang Menge hat Fernsehgeschichte geschrieben.

Berlin. Er erfand den pöbelnden „Ekel Alfred“ und war einer der kreativsten Köpfe im deutschen Fernsehen: Wolfgang Menge, Drehbuchautor, Moderator und passionierter Pfeifenraucher, schrieb deutsche Mediengeschichte. Ob in Dokudramen oder in der Satire - Menge wollte das Qualitätsversprechen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens einlösen. Jetzt ist Menge mit 88 Jahren in Berlin gestorben, wie ein Sprecher seiner Familie am Donnerstag sagte.

Mit seinen schockierenden Filmen wie „Millionenspiel“ (mit Dieter Hallervorden und Jörg Pleva) über menschenverachtende Sensationsgier von Medien und Zuschauern oder „Smog“ in der Regie Wolfgang Petersen („Das Boot“) über die Simulation einer Fernsehsondersendung zu einer bedrohlichen Wetterlage im Ruhrgebiet – schon vor Jahrzehnten nahm der frühere Zeitungsreporter das TV-Format der Doku-Fiction vorweg.

Das „Millionenspiel“ wies schon 1970 auf eine gefährliche Tendenz im Massenmedium hin – „dass sich Kandidaten für alles finden, hunderte“, wie der Autor ahnte, vor allem, wenn eine Millionensumme winkt. Das beklemmende Fernsehspiel in der Regie von Tom Toelle nahm früh das Medium Fernsehen selbstkritisch ins Visier. Menge hatte damit Quotenjagd und Sensationshunger zur Sprache gebracht, als das noch kein besonderes Thema in der Öffentlichkeit war.

Wäre es ihm zuletzt gesundheitlich etwas besser gegangen – Menge erlitt 2007 einen Schlaganfall – hätte er wohl auch einen Fernseh- Thriller aus der Bankenwelt und Finanzwirtschaft geschrieben. „Da stecken die wirklichen Geschichten drin“, sagte Menge einmal dazu.

Seinen größten Hit landete er aber wohl mit seinem immer schlecht gelaunten und pöbelnden „Ekel Alfred“ in der 1973 gestarteten populären satirischen Familienserie „Ein Herz und eine Seele“ mit Heinz Schubert, Elisabeth Wiedemann und später Helga Feddersen sowie Diether Krebs. Die Serie läuft noch immer als Wiederholungs-Dauerbrenner in den dritten ARD-Programmen und hat sogar „Saison-Schwerpunkte“ wie Karneval/Fasching oder Silvester. Menge selbst hat die Serie immer überbewertet gefunden, er habe weitaus bessere Sachen geschrieben – aber natürlich freute ihn bis zuletzt die große Publikumsresonanz mit den zahlreichen Wiederholungen.

Der intellektuelle Kahlkopf beherrschte wie kaum ein anderer Fernsehautor das Spiel zwischen Fiktion und Realität und nutzte diese Fähigkeit auch für die frühen TV-Krimiserien wie „Stahlnetz“, dem eigentlichen Vorläufer von „Tatort“, „Der Kommissar“ oder „Derrick“, wozu der Hamburger Regisseur Jürgen Roland den Zeitungsreporter Menge ab 1958 überredete.

Für den „Tatort“ entwickelte Menge die Figur des raubeinigen Zollfahnder Kressin, gespielt von Sieghardt Rupp. Drehbücher schrieb er auch für Kinofilme wie „Polizeirevier Davidswache“, „Strafbataillon 999“ und zu dem rebellischen „68er Film“ von Peter Zadek, „Ich bin ein Elefant, Madame“.

Seine deutsch-deutsche Satire „Die Dubrow-Krise“ thematisierte 1969 Probleme, wie sie dann auch bei der deutschen Wiedervereinigung 1990 aktuell wurden. 1993 startete seine satirische Serie „Motzki“ mit dem „Ossi-Hasser“ Jürgen Holtz, der seinem Ärger über die Einheit Luft machte. Doch dieser Ost-West-Satire war nicht der gleiche TV- Erfolg von „Ekel Alfred“ beschieden, „so ein Ekel scheint in jede Zeit zu passen“, meinte Menge dazu einmal.

Aber „Ein Herz und eine Seele“ wäre seiner Meinung nach heute nie ins Programm gekommen. „Man muss den Zuschauer auch ein wenig erziehen, wenn man Qualität haben will“, meinte Menge, der auch als TV-Moderator bei der Bremer Talkshow „3nach9“ und „Leute“ aus dem Berliner Café Kranzler (und dort mit einem legendären „Duell“ zwischen dem Kabarettisten Wolfgang Neuss und dem damaligen Regierenden Bürgermeister Richard von Weizsäcker) in Erscheinung trat.

Für Qualität stand der Name Menge schon früh im journalistischen Tagesgeschäft. Der am 10. April 1924 in Berlin geborene Sohn eines Studienrats war nach dem Krieg zunächst Journalist und ging nach dem Volontariat beim German News Service, dem Vorläufer der Deutschen Presse-Agentur dpa, als Zeitungsreporter nach Asien. In Tokio war er der erste deutsche Reporter nach dem Krieg, und als erster deutscher Journalist fuhr er mit der legendären Transsibirischen Eisenbahn von Peking nach Moskau.

Aber für das Fernsehen schlug bis zuletzt sein Autorenherz. Nur sein Plan einer jüdischen Familien-Sitcom („Schalom“), für die er schon mehrere Folgen fertig hatte, stieß auf Widerstand, was Menge sehr schmerzte. Aber seine legendären TV-Erfolge gibt es natürlich längst auf DVD. Menge lebte in Berlin und in den Ferien auf seiner geliebten Insel Sylt.