Wenn ein früherer britischer Premierminister seine Memoiren veröffentlichen will, dann ist ihm die Aufmerksamkeit vieler Menschen sicher. Fraglich ist jedoch, ob dieses Interesse immer freundlicher Natur ist. Welche Risiken mit einem solchen Projekt verbunden sind, ergründet der britische Bestseller-Autor Robert Harris in seinem neuen Roman "Ghost".

Erzähler des Buches ist ein Autor, der aus einem unlesbaren Manuskript einen Verkaufsknüller machen soll. Seine Eignung besteht darin, dass er ein erfolgreiches Buch über einen Rockstar geschrieben hat und - vor allem - dass er keine Ahnung von Politik hat. Auf einer amerikanischen Luxusinsel trifft er den Politstar im Ruhestand und stößt bei seinen Recherchen auf Beunruhigendes: Der erste Ghostwriter des Ex-Premiers starb unter sehr merkwürdigen Umständen, und es gibt Hinweise, dass der Politiker in äußerst dubiose Machenschaften verwickelt sein könnte.

Zweifel entstehen sowohl an seinem Verhalten gegenüber dem großen Verbündeten USA als auch an seinem Bekenntnis zur Achtung der Menschenrechte im Kampf gegen den Terrorismus. Anfangs resümiert der Ghostwriter lakonisch: "Der moralische Kompass funktioniert nicht mehr so präzise wie früher." Mit seinen Nachforschungen gerät er dann aber mitten in Intrigen und politische Verwicklungen, die in einem dramatischen Höhepunkt gipfeln.

Die von Robert Harris routiniert präsentierte spannende Romanhandlung macht nur einen Teil des Reizes von "Ghost" aus. Besondere Aufmerksamkeit erlangt der Roman dadurch, dass Harris' Premierminister Adam Lang große Ähnlichkeit mit dem vor wenigen Monaten zurückgetretenen Tony Blair besitzt. Harris hat zwar in zahlreichen Interviews betont, dass er keinen Roman über Blair geschrieben habe. Der Schriftsteller, der Blair in seinen ersten Amtsjahren freundschaftlich begleitete und sich später mit ihm zerstritt, hat aber zahlreiche Details so gestaltet, dass die Identifizierung des Politikers praktisch unvermeidlich ist.

Die Verantwortung des Einzelnen vor der Gesellschaft steht im Mittelpunkt des Romans. Während der Politiker räsoniert, "wenn man die Macht hat, dann läuft letztlich alles darauf hinaus, zwischen mehreren üblen Optionen abzuwägen", sorgt sich sein Biograf, wie viele unschöne Seiten er verschweigen darf, ohne seine Leser zu verraten. Zeitweise nimmt die moralische Entrüstung des Erzählers zwar so weit überhand, dass die Spannung leidet, aber letztlich schafft Harris es immer wieder, aus dem Politroman einen Politthriller zu machen.

  • Robert Harris: Ghost , Wilhelm Heyne Verlag, 398 S., Euro 19,95 Euro.