Das Abendblatt begleitet die Hamburger von Tonbandgerät am Anfang ihrer Popkarriere. Heute: beim Knust-Geburtstag.
Hamburg. Wer im Knust, dem Musikklub gegenüber dem Feldstraßenbunker, nach Herrn Roep fragt, wird vermutlich Achselzucken, noch wahrscheinlicher aber Lacher ernten. Denn Roep kennen alle nur unter seinem Vornamen: Norbert. Ein Mann mit einem Gesicht wie ein leicht zerknautschtes Sofakissen. Sehr gemütlich also.
Norbert ist als langjähriger Booker und gute Seele des Knust so etwas wie das musikalische Trendbarometer der Hansestadt. 1984, als der Klub noch in der Brandstwiete beheimatet war, spielte dort eine damals kaum bekannte US-Band namens R.E.M. vor 40 zahlenden Gästen. Doch auch zahlreiche Hamburger Künstler wie Niels Frevert oder Gisbert zu Knyphausen buchte Norbert bereits, bevor die Erfolgswelle losbrach.
Am Freitag, zum Auftakt der jährlichen Geburtstagssause des Knust, steht ebenjener Norbert nun also auf der Bühne, öffnet mit einem Plopp sein Bier, prostet der Menge zu und erzählt von den "drei Hamburger Musikgenerationen", die am Abend spielen werden. Bernd Begemann, Sport und Tonbandgerät. "Im Vorprogramm von Bosse habe ich hier vor ein paar Wochen eine junge Band gesehen, die mir ausnehmend gut gefallen hat", sagt er über Letztere und zieht genüsslich an seiner Zigarette (er ist der Einzige, der in seinem Klub rauchen darf). Dann fackelt er nicht lange: "Und hier sind sie - Tonbandgerät!"
Schlagzeuger Jakob Sudau tritt als Erster ins Licht. Sein satter Taktschlag lockt die Gäste ins Innere, die zuvor auf dem Holzplatz das St.-Pauli-Spiel angeschaut haben. Gitarristin Sophia Poppensieker folgt, mischt eine feine Melodie in den Beat, bevor ihre Schwester Isa am Bass einsetzt und Ole Specht mit sanfter, starker Stimme zu singen beginnt: "Ich will raus hier / zieh den Stöpsel dieser Stadt." Ein Popsong von kluger Wucht.
"Sehr schööön", ruft ein Mädchen. Eine Frau tanzt selbstversunken in der ersten Reihe. Norbert hat unterdessen samt Getränkevorrat seinen Stammplatz links vor der Bühne bezogen und lauscht, wie Ole zur Musik von geraden Lebenswegen erzählt, die krumm werden. Und vom "Schiss vor der großen, wahren Kunst".
Ja, Kunst kann gefährlich sein. Auch ganz praktisch. Etwa beim Videodreh, den die Band vor Kurzem spontan nach einem Auftritt auf Sylt absolviert hat. "Ich bin ziemlich cool über eine Grube gesprungen und ziemlich uncool gelandet", erklärt Ole dem Publikum, während er Aufstieg und Fall mit fliegenden Armen und Händen untermalt. Jetzt humpelt er. Aber pausieren, nein danke. Dann lieber hüpfen. Erst auf dem gesunden Fuß, dem rechten, bei der Zugabe dann mit beiden Beinen. Im Leben. Der Schmerz scheint kurz wie aufgelöst.
Zum Soundcheck am frühen Abend war der 23-Jährige noch mit Krücke aufgelaufen. Auf dem geriffelten Steinboden des Klubs tanzten da noch keine Füße. Nur ein Fahrrad lehnte am Tresen. Norbert stand in der Mitte des Saals und zupfte konzentriert an seinem Bart, während Sophia die Technik testete und mit dunklem Hall sang: "Und im Schrank liegen all die Ideale."
Jene, die all die Ideale immer wieder entstauben, indem sie in einen Klub gehen und sich Neues anhören, sich öffnen, sie würden erst in zwei Stunden kommen. Die Zeit nutzte Ole, um essenzielle Fragen zu klären. Etwa, wonach Mikrofone riechen sollten. Für Sophia am liebsten nach Zuckerwatte.
Bereits zum zweiten Mal in ihrer jungen Karriere im Knust zu spielen ist für das Quartett eine große Ehre. "Mit 15, 16, als ich noch nicht richtig ausgehen durfte, war ich hier immer auf Konzerten, auch wenn ich die Bands nicht kannte", sagt Isa. Und Ole ergänzt: "Ich freue mich riesig, weil ich großer Bernd-Begemann-Fan bin und den hier schon ungefähr 835-mal gesehen habe. Er macht die allerlustigsten Ansagen überhaupt. Bei ihm wirkt alles wie geplantes Chaos."
Später, kurz vor dem Konzert, als Begemann, wie gewohnt im Anzug, auch schon im Backstage-Raum sitzt, mit seiner kleinen Tochter auf dem Schoß, wirkt alles allerdings gar nicht so verrückt. Der Entertainer lässt sich von Sophia, Isa und Jakob deren Handgelenkslockerungsübungen zeigen, Ole singt sich in einer Ecke warm. Ein wenig wirkt Begemann wie ein in Würde gealterter Bernhardiner inmitten von Hundewelpen.
Und Norbert, der raucht. Seine langen Haare fallen ihm im Nacken aufs Jackett. Dann muss er auf die Bühne. Diese junge Band ansagen. Und an Ideale glauben. Immer wieder.
Tonbandgerät live: 8.3.2013, Uebel & Gefährlich; Bandwebsite: www.musikvomband.de
Alle bisherigen Teile der Abendblatt-Serie zu Tonbandgerät unter www.abendblatt.de/tonbandgeraet