Das Debütalbum der Hamburgerin Mia Diekow überzeugt - irgendwo zwischen Pop und Indie gebastelt, mit viel Sprachgefühl und Genremix.
Hamburg. Früher, da war die Welt noch einfach: Da gab es Pop-Alben und Indie-Alben. Wer das eine mochte, hatte mit dem anderen nichts zu schaffen. Und auch heute noch hat so mancher die Schere im Kopf, wenn es darum geht, einmal ins vermeintlich "feindliche" Lager reinzuhören.
Derlei Ängste sind Mia Diekow fremd. Die Hamburger Songwriterin, die morgen ihr Debütalbum "Die Logik liegt am Boden" herausbringt, reagiert lachend auf die Frage nach ihrem Verhältnis zum ungeliebten Etikett: "Mich begeistert Pop. Es gibt viele tolle Popsongs, die mich emotional unheimlich berühren. Und es gibt genauso viele sehr künstlerische, individuelle Songs, die das Gleiche tun. Ich kann, ich will da keine qualitative Unterscheidung treffen." Sie ergänzt: "Das nervt mich in Deutschland extrem: dass wir einerseits diesen Indie-Markt haben, wo du ganz bestimmte Codes bedienen musst, um cool zu sein. Und umgekehrt die Popschiene, der man anmerkt, dass sie darauf hinproduziert ist, marktkompatibel zu sein. Genau dazwischen möchte ich irgendwo sein."
Dieses Dazwischensein hat sie gut hinbekommen. Über 14 Titel hinweg spielt Diekow mit den Erwartungen der Hörer. Liebesliedern wie "Black Beauty" stehen spielerische, verschrobene Songs wie "Artig" gegenüber, das Durchhören gleicht einem Blick durch ein Kaleidoskop.
Daran sind auch die Produktionsbedingungen nicht ganz unschuldig, denn "den Deal mit Sony habe ich gemacht, als das Album fertig war", sagt Diekow. "Der Aufnahmeprozess selber war totaler Hippie-Wahnsinn: Wir waren im Studio und haben da vor uns hingebastelt. Und weil wir noch kein Budget hatten, haben wir halt jeden, der da war - Musiker von anderen Bands, Freunde und Bekannte - gebeten, mal etwas zu spielen. Für mich war das das perfekte Arbeiten, weil ich gerne bastele." Das aus künstlerischem Eigensinn geborene Durcheinander hört man den Songs zwar an, aber nicht im negativen Sinn. Die verschiedenen Instrumente, Stile und Arrangements tragen vielmehr zum Charme des Albums bei, das Philipp Schwär zusammen mit Diekow produziert hat.
In einem Moment beherrschen Streicher, Piano und Melancholie das "Herz". Doch schon im nächsten pumpt ein Beat aus den Boxen, und Diekow heult dazu wie ein "Wolf". Zusammengehalten wird die bunte Tüte aus Stil und Einflüssen von Pop bis Jazz durch Diekows zwar äußerst wandelbare, aber doch immer prägnante Stimme. Und von ihrem Sprachgefühl. Selbst solch abgeschmackten Themen wie der Liebe und dem Herzschmerz kann sie noch einen neuen Dreh oder eine kleine, feine Formulierung abgewinnen.
"Es wäre sehr viel einfacher, auf Englisch zu schreiben. Aber ich weiß nicht, ob die Texte das, was ich sagen will, so genau treffen würden." Die Lingua Franca des Musikbusiness hat den großen Vorteil, dass sie insgesamt melodiöser ist: "Das Deutsche lässt sich nicht gut singen. Du bewegst dich eigentlich die ganze Zeit in einem Kosmos von vielleicht 3000 Worten, obwohl du theoretisch viel mehr zur Verfügung hättest. Aber die kann man nicht singen. Im Englischen lässt sich so viel mehr kaschieren. Man kann zum Beispiel die Vokale besser ziehen. Das funktioniert bei vielen deutschen Wörtern nicht. Mit 'Straße' geht das", sie singt: "Auf meiner Straaaaaße". - "Aber jetzt mach das mal mit 'Rumpelstilzchen'."
Der geliebt-ungeliebten Sprache eine Melodie abzuringen und trotzdem den Inhalt nicht zu vernachlässigen: Diese Aufgabe hat Diekow gemeistert. Ihre Quelle ist dabei auch das eigene Leben. Sie habe irgendwann festgestellt, dass sie die Dinge, die sie als Erwachsene gern tue, auch schon als Kind gern mochte: "mich aufnehmen, singen, basteln, quatschen, tanzen, mich verkleiden, irgendwo rumsitzen und Dinge, Leute beobachten".
Wie weit die Lust am Spiel mit Sprache zurückreicht, auch das kann man auf dem Album hören. Das Mädchen, das die Geschichte vom "Dinofisch" erzählt, auch das ist Mia Diekow - im Alter von zweieinhalb Jahren. Die Aufnahme hat ihre Mutter aufbewahrt. "Es fließt schon viel von meinem Leben ein, aber es ist kein Tagebuch", schränkt sie ein. "Es muss keiner Angst haben, sich mit mir anzufreunden und dann eins zu eins in einem Song zu landen."
Der persönliche Bezug ohne zu viel Seelenstriptease macht aus "Die Logik liegt am Boden" ein sehr gutes Album, auf dem man auch beim wiederholten Hören noch Neues entdecken kann.
Mia Diekow: "Die Logik liegt am Boden" Sony, CD vom 26.7. an im Handel