Vor dem Woodstock-Festival 1969 war die Band Santana ein Geheimtipp. Seither ist der Gitarren-“Schamane“ Carlos Santana weltbekannt

Gronau. „Sein kristallklarer Ton und seine Funken sprühende Klangerzeugung machen ihn zu einem der wenigen Gitarristen, die man schon anhand einer einzelnen Note erkennt“, urteilt das US-amerikanische Musikmagazin „Rolling Stone“. Carlos Santana kam auf dessen Liste der 100 größten Gitarristen auf Platz 20. Der Multi-Instrumentalist Prince bekannte einmal, Santana habe ihn mehr beeinflusst als die Gitarrenlegende Jimi Hendrix. Am Freitag (20. Juli) wird der Begründer des „Latin-Rock“, Alt-Hippie und spirituelle Mystiker 65 Jahre alt.

Der aus Mexiko stammende Gitarrist gilt als einer der Pioniere der Rockgeschichte. Mit dem „Latin-Rock“ hat er ein neues Genre des Rock’n’Roll eingeführt. Santanas Spezialität ist es, die explosive Mischung aus lateinamerikanischen und afrikanischen Rhythmen mit Fusion-Jazz, Blues und Rock als einen bekömmlichen Cocktail zu servieren.

„Wer die Meilensteine seiner Karriere wie ’Samba Pa Ti’, ’Oye Como Va’ oder ’Maria Maria’ hört, wird sich in schwül-heiße karibische Nächte versetzt fühlen, getragen von einer im Blues geerdeten Gitarre“, sagt der Kurator des Gronauer Rock ’n’ Pop-Museums, Thomas Mania.

Bis zum legendären Woodstock-Festival im Sommer 1969 war die Band „Santana“, die damals gerade ihre erste Platte aufgenommen hatte, ein Geheimtipp. Als der 22-jährige Chef der Band dann seine hypnotischen Gitarrensoli zu Salsa-Beat auf die Festivalmenge losließ, schlug das ein wie ein glühender Komet. Die Musik Santanas gehört seitdem zum Soundtrack des „Sommers der Liebe“.

Geboren wurde er am 20. Juli 1947 als Carlos Augusto Santana Alves im mexikanischen Autlán de Navarro, wo er mit sechs Geschwistern aufwuchs. Bereits als Vierjähriger bekam er Geigenunterricht von seinem Vater, der selbst in einer Band spielte. In den 50er Jahren tauschte der junge Carlos die Geige gegen eine Gitarre ein. In San Francisco, wohin die Familie Anfang der 60er Jahre gezogen war, gründete er mit 18 Jahren die „Santana Blues Band“, aus der später die Erfolgsband „Santana“ wurde.

An seine sensationellen frühen Erfolge konnte der Gitarrist und Bandleader jedoch lange Zeit nicht mehr anknüpfen. In den 80er und 90er Jahren wurde er als Begleitmusiker zwar geschätzt, seine eigenen Alben verstaubten jedoch in den Regalen.

Niemand hatte ihn mehr auf der Liste, als sich Santana im Jahr 1999 mit dem Album „Supernatural“ wieder zurückmeldete. Stücke wie „Maria Maria“ oder „Smooth“, die er mit einer Riege namhafter Kollegen wie Wyclef Jean, Eric Clapton, Lauryn Hill oder Rob Thomas einspielte, wurden Klassiker. Das Album strotzte vor Energie und Spielfreude und räumte auf Anhieb acht Grammys ab – das war bis dahin allein dem Pop-Titanen Michael Jackson gelungen.

Sein Comeback verdankte er einer Psychotherapie, wie Santana einem Reporter des „Rolling Stone“ erzählte. Damit habe er sein jahrzehntelang verdrängtes Kindheitstrauma von sexuellem Missbrauch aufgearbeitet. Zu dieser Zeit lebte Santana mit seiner ersten Frau Deborah und seinen drei Kinder zusammen. Mit Deborah engagierte er sich in zahlreichen sozialen Projekten und gründete eine eigene Stiftung, die weltweit armen Kindern Bildung, Unterkunft und medizinische Versorgung ermöglichen will. Die Ehe wurde 2007 nach 34 Jahren geschieden. Im Jahr 2010 heiratete er seine zweite Frau Cindy Blackman.

Seit den 70er Jahren ist Santana auch auf einer spirituellen Reise unterwegs. Seine Suche nach Erleuchtung führte ihn über fernöstliche Mystiker und Meditation zu dem indischen Guru Sri Chinmoy, mit dem er später jedoch brach. Seit Anfang der 90er Jahre engagierte er sich auch im Christentum. Der christliche Glaube habe ihm durch die schwersten Zeiten seines Lebens geholfen, sagte er einmal. Vor wenigen Jahren erzählte er einem Journalisten, dass er sogar mit dem Gedanken spiele, mit 66 Jahren seine Gitarre gegen eine Priesterrobe einzutauschen.

Mit seiner Musik will Santana für Austausch und Toleranz zwischen unterschiedlichen Kulturen und Generationen werben, wie er sagt: „Ich will die Menschen zusammenbringen, und meine Musik kann ihnen die Angst nehmen und Zuversicht geben.“ Worte könnten Hürden aufbauen. Eine Unterhaltung durch Töne aber verstehe jeder, ob Palästinenser oder Israeli, ob Mexikaner oder Chinese. Das erste Album nach seinem Comeback nannte er so, wie er sich wohl selbst sieht: „Shaman“ – Der Schamane. (EPD)