Der Regisseur von „The Help“, Tate Taylor, spricht über die Hintergründe der Dreharbeiten in Mississippi und seine Erfolgsgeschichte.
Starke Frauen stehen im Zentrum des Films „The Help", der in den 60er-Jahren im US-Staat Mississippi spielt. Emma Stone ist Skeeter, eine junge Frau die nach dem Studium Schriftstellerin werden möchte, aber zunächst nur eine Hausfrauenkolumne bei einer Zeitung schreiben soll. Dafür holt sie sich Rat bei der schwarzen Hausangestellten Aibileen (Viola Davis). Sie reden über Gott und die Welt, und Skeeter merkt schnell, was sie eigentlich interessiert. Sie möchte ein Buch über die schwarzen Hausangestellten schreiben, die von ihren weißen Arbeitgebern, ignoriert, gering geschätzt und erniedrigt werden. Zunächst haben sie Angst, aber dann siegt der Mut der schwarzen Frauen, und sie packen aus.
+++ Abendblatt-Interview mit Hauptdarstellerin Emma Stone+++
Gedreht hat dieses Südstaatendrama der amerikanische Regisseur Tate Taylor. Was er im Umfeld des Films erlebt hat, klingt fast wie ein Märchen. Er schlug sich mehr schlecht als recht 17 Jahre als Schauspieler durch das Filmgeschäft, als ihm seine Freundin Kathryn Stockett, die er seit Kindertagen aus seiner Heimatstadt in Jackson, Mississippi, kannte, ein Romanmanuskript zu lesen gab. Sie setzte keine großen Hoffnungen mehr darauf, denn obwohl sie den Text immer wieder umschrieb, hatte sie schon von 60 Literaturagenten Absagen bekommen. Taylor las die Geschichte, die ihm so gut gefiel, dass er sie bekniete, ihm die Filmrechte zu verkaufen. Sie willigte ein. Während er sich daran machte, aus dem 500 Seiten langen Text ein Drehbuch zu formen, suchte sie weiter nach einem Verlag. Er sagte alle anderen Jobs ab, machte Schulden, verpfändete seine Farm, lieh sich Geld bei Freunden. Und schrieb. „Ich war vierzig Jahre alt. In dem Alter sollte man es eigentlich geschafft haben, aber ich hatte schlaflose Nächte.“ Als er mit dem Drehbuch fertig war, kam auch der Roman heraus. Und nicht nur das. Er schoss auf Platz Eins der Bestsellerliste der „New York Times“ und hielt sich insgesamt 106 Wochen in den Charts. Auch in Deutschland erreichte er unter dem Titel „Gute Geister“ zahlreiche Leser.
Taylor hielt das Drehbuch zu einem Thema in Händen, dass plötzlich „hot property“, also hochaktuell, war. Nun musste er den Film noch finanzieren. Aber wer gibt einem relativ unerfahrenen Regisseur schon Geld? Der Amerikaner hatte vorher nur einen Film inszeniert und den unter heftigen Bedingungen: „Pretty Ugly People“. Dafür hatte er mit acht Charakteren im Glacier National Park in Montana gedreht. Die Handys hatten dort kein Netz, und es gab keinen Zugang zum Internet. Einige Schauspieler mussten plötzlich wieder weg, um an Fernsehfilmen teilnehmen zu können. „Ich schrieb deshalb über Nacht immer wieder das Drehbuch um, und glaube nicht, dass etwas noch einmal wieder so schwer wird.“ Sein Budget betrug knapp 750.000 Dollar.
Für „The Help“ wünschte er sich ein bisschen mehr und fragte Regisseur Chris Columbus um Hilfe, den er kannte. Der Regisseur der „Harry Potter“-Filme war von der Idee sehr angetan und ging damit zu Steven Spielbergs Produktionsfirma DreamWorks. Auch dort mochte man Taylors Drehbuch, was dazu führte, dass er das für ihn astronomische Budget von 25 Millionen Dollar zur Verfügung hatte. Er musste sich daran erst gewöhnen und wunderte sich bei Drehbeginn: „Wie? Ich muss den Ton gar nicht mehr selbst angeln?“
Plötzlich gab es für fast alle Probleme eine Lösung, Zeit und Geld. Taylor probte, bat die Schauspielerkollegen um Verbesserungsvorschläge, auch wenn es ja um sein eigenes Buch ging. „Ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn eine Dialogzeile nicht stimmt. Wir haben es dann geändert. Manchmal habe ich auf eine halbe Seite Text verzichtet, weil man den Gesichtern dieser tollen Schauspielerinnen schon ansehen konnte, worum es geht. Ein Regisseur ist nur erfolgreich, wenn er einen Geist der Zusammenarbeit schaffen kann. Ich liebe nun mal Schauspieler. Für viele Regisseure sind sie nur Fleisch.“
Gedreht hat er, wo er aufgewachsen ist, in Mississippi. Er besuchte dort in den 70er-Jahren integrierte Schulen, hatte schwarze Freunde und eine schwarze Haushälterin. „Als ich den Roman gelesen hab, wurde mir schlagartig klar, was Carol für mich getan hat“, erinnert er sich. Rassismus gebe es zwar in Mississippi heute noch immer, „aber auch nicht mehr als im Rest der Welt.“ Die Ausgangssituation stimmte ihn optimistisch. „Wenn man ein großes Projekt mit so wenig Erfahrung angeht, wie ich, fühlt es sich gut an, wenn man ein Heimspiel hat. Das verscheucht die Angst-Dämonen.“
Um die geht es letztlich auch im Film. Das Drama zeigt ein Sittengemälde der Südstaaten. Kurz vor Woodstock und der ersten Mondlandung herrschen dort zwischen Schwarzen und Weißen noch Zustände wie im 19. Jahrhundert. Davon erzählt der Film humorvoll, nicht etwa mit erhobenem Zeigefinger.
Gespannt wartete er darauf, wie sein Film über die Überwindung der Angst, über den Mut und die Zivilcourage der kleinen Leute an der Kinokasse ankommen würde. Schon am Startwochenende spielte „The Help“ in den USA die Produktionskosten wieder ein, Ende November standen schon 170 Millionen Dollar auf der Habenseite. Und in Europa startet er erst jetzt. Beim Filmfest Hamburg gab es im ausverkauften Cinemaxx Szenenapplaus und Standing ovations.
+++Premiere von "The Help"+++
+++ Schreib das auf, Skeeter! +++
Taylor hatte alles auf eine Karte gesetzt und gewonnen. Viel hat vorher aber nicht gefehlt, und er wäre bankrott gegangen. Die Amerikaner lieben solche Erfolgsgeschichten. Das könnte Oscar-Folgen haben, zumal der Film überragende Schauspielerinnen an Bord hat: Emma Stone, Bryce Dallas Howard, Jessica Chastain, Sissy Spacek – vor allem aber Viola Davis als Aibileen.
Taylor ist aufgeregt. Das Blatt hat sich gewendet. „Jetzt rufen die Leute mich an.“ Es ist die späte Bestätigung für einen Mann, der lange auf der Suche nach seiner Berufung war. Zuerst wollte er Architekt werden. Seine Eltern schickten ihn zu drei Architekten in Jackson. „Danach wusste ich, dass ich so nicht meinen Lebensunterhalt verdienen wollte.“ Danach stieg er ins Erdölgeschäft ein. Erst mit 26 Jahren kam er zum Film. „Niemand hat meine Kreativität gefördert. Ich hatte sie vergraben.“ Gut, dass er sie wieder ausgebuddelt hat. Jetzt hat er in Mississippi eine alte 70 Hektar große Plantage gekauft und möchte dort junge Autoren und Filmemacher mit erfahrenen Kollegen in einem Mentorenprogramm zusammenbringen.
Zurzeit schreibt Talor drei Drehbücher gleichzeitig und blickt schon mit etwas Wehmut auf seinen großen Erfolg zurück. „Es war so eine warmherzige Erfahrung. Das einzig Traurige daran ist, dass es sich in dieser Konstellation sich nicht wiederholen lässt. Der nächste Film wird ein Job, dieser war eine Herzensangelegenheit.“