Die US-Pianistin und Sängerin Tori Amos war stimmlich und spielerisch Topform und blieb in der Laeiszhalle zwei Stunden im Dauereinsatz.

Hamburg. Neue Töne? Auch, aber nicht nur. Ihre Deutschland-Tour eröffnete Tori Amos in der Laeiszhalle zusammen mit einem Streichquartett. Die vier jungen Musiker begleiteten die Tastenvirtuosin durch ihr Programm, das zu großen Teilen aus ihrem neuen Album „Night of Hunters“ stammte, auf dem sie klassische Kompositionen neu vertont und betextet hat. Auf der CD treffen sich zwei Suchende. Die Musikerin versucht aus dem Schubladendenken des Popgeschäfts auszubrechen und das renommierte Plattenlabel Deutsche Grammophon möchte sich wohl auch neue Hörerschichten erschließen. Das funktionierte im Konzert viel dynamischer als auf dem Tonträger.

Aber erst einmal musste Tori Amos ihre Arbeitsgeräte erreichen. Sie wurde auf die Bühne geleitet, denn sie hatte sich in ein langes weites, weißes und altrosa Kleid mit vielen Falten gehüllt, das sie stark raffen musste, um darin unfallfrei gehen zu können. Mit Hilfe weniger Mittel – lange Stoffbahnen waren als Vorhänge drapiert, ein einsamer Kronleuchter hing von der Decke – sollte im Saal eine Art Salon-Atmosphäre angedeutet werden. Mit dem facettenreichen und abgründigen „Shattering Sea“, das auch das erste Stück auf dem Album ist, stieg sie in das Programm ein. Die Vorlage stammt von Charles-Valentin Alkan und dürfte Amos schon wegen des Titels angezogen haben: „Song of he Madwoman on the Sea-Shore“.

Zwar klangen die elektronisch verstärkten Streicherklänge durch die Lautsprecher etwas metallisch, aber das Zusammenspiel funktionierte von Anfang an. Optisch hielten sich die Männer im Hintergrund. Die Pianistin und Sängerin rutschte nicht gerade klassisch aber unverwechselbar unruhig und mit in allerhand Richtungen abgewinkelten Beinen auf dem Klavierhocker hin und her. Sie war stimmlich und spielerisch Topform und blieb zwei Stunden im Dauereinsatz. Stücke aus dem neuen Album wechselten sich ab mit von ihr solo vorgetragenen Amos-Klassikern wie „Mother“, „Mr. Zebra“ oder Cloud on my Tongue“. Manchmal sprangen ihr die Streicher ihr aber auch bei ihren älteren Stücken zur Seite, wie bei den umjubelten Zugaben „Winter“ und „Baker Baker“. Im Gegenzug konnte das Quartett auch mal uneingeschränkte Vielseitigkeit zeigen und bekam die Bühne allein für die Eigenkomposition „The Multitude of Shades“.

Vor dem Konzert hatte Amos schon ein ausführliches Programm bewältigt. Für den Soundcheck brauchte sie mit den Streichern mehr als zwei Stunden. Danach gab es noch ein Treffen mit ihren Fans, die Programmwünsche äußern durften. Die Musikerin spielt an jedem Abend eine andere Setlist. Hamburg, sagte sie vor dem Konzert zum Abendblatt, habe bei ihr einen Stein im Brett. Nachdem sie hier schon im CCH, im Stadtpark und im Medienbunker gespielt hat, freute sie sich auf die Laeiszhalle. „Das ist für mich ein magischer Ort.“

Das Publikum im ausverkauften Saal zeigte sich kenntnisreich, sorgte für eine familiäre Atmosphäre und dankte mit begeistertem Applaus. Eines der überraschendsten Stücke des Abends war „Famous Blue Raincoat“. So schön ist Leonard Cohen seit Jennifer Warnes‘ des Songs Interpretation nicht wieder gecovert worden. Und er passte gut zum Schmuddelwetter.